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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-12/0014
durch die Zwischenwohnung („entresol") zwischen
Erdgeschoß und erstem Stock, in der auch
am „Tag" Licht brennen muß. Es war dies damals
eine Neuerung im Bau der Wohnhäuser.
Mitten in*, diesem Quartier * errichtete die 1828
gegründete Industrielle Gesellschaft ihren Sitz.
Diese Gesellschaft betätigte sich auch von Anfang
an kulturell und war am geistigen Leben in
Mülhausen stark beteiligt.

Die Industrie Ratte eine starke Einwanderung
aus den} nahen Sundgau, den Vogesentälerri, aber
auch aus der Schweiz, Schwaben und Frankreich
zur Fojge. Anfang unseres Jahrhunderts zählte
die Stadt 100 (ft)0 Einwohner. Diese Einwände-
rung änderte das konfessionelle und soziale Bild
dei* Stadt: um 1$60 hatten die Katholiken bereits
die Mehrheit, Sozial wiegten die Arbeiter und
Angestellten in den Fabriken vor! Lange«herrsqhte
eine große Kluft zwischen diesen un$ den Indu*
siriellen. Eine Be^mtenstadt wie Colmar war
Mülhausen nie. Die Industriellen machten aus
dem „Rebberg" das Villenviertel.

Außerhalb der Stadt bauten die Industriellen
ihre Fabriken, die. allerdings im Laufe der Zeit
in die Stadt zu liegen kamen. N^men wie Schlum-
berger, Laederich, Glück, Nägely, Kullmann,
Steinbach, Heilmann-Mantz, Blech, Dollfus Mieg
u. Gie. (D. M. C.) waren weit über die Grenzen
des Elsaß bekannt. Die Mülhauser Industrie
strahlte in die Vogesentäler der Doller und Thür
aus, aber auch nach Ettlingen und ins Wiesen-
tal: 1802 gründeten Nikolaus iCöchlin aus Mülhausen
und der Basler Merian in Lörrach die
Firma Merian und Köchlin, später Köchlin und
Gebrüder, 1856 Köchlin, Baumgartner und Cie.,
die auch in Arbeitersiedlungen bahnbrechend
wirkte.

Im Jahre 1854 war in Mülhausen die erste Arbeitersiedlung
, die „Cite ouvriere", gegründet
worden, die viel bewundert und besucht wurde,
als mustergültig galt5 Im Verlauf einer Anzahl
von Jahren konnte der Arbeiter durch
monatliche Abzahlung Besitzer dieses von einem4
Garten umgebenen Hauses, eines Einfamilienhauses
, werden. War hiermit nicht der damals
revolutionär eingestellte Sozialismus positiv bekämpft
worden, hatte man ni&ht dem Arbeiter
eine Freizeitbeschäftigung im Garten gegeben
und ihn auch vom leider damals häufigen Wirtschaftsbesuch
abgehalten?

1857 wurdi Mülhausen durch *die Bahn mit
.Beifort, 1870 mit Müllheim verbunden. Die Stadt
wurde zum Bahnknotenpunkt, besonders als die
Linien in die Täler der Doller und Thür ausgebaut
wurden.

1834 war die erste Volksschule gegründet worden
, aber der Schulbesuch war schwach, denn die
Kinderarbeit in der Industrie War gang und
gäbe, und die Arbeiter konnten das Schulgeld
nicht ai^pbringen. Erst nach 1870 wurde dieSchül-
frequenz besser! Seit 1813 besaß die Stadt ein
College, also Sekundärunterricht. 1871 wurde d#s
College zum Vollgymnasium. 1854 erfolgte die
Gründung einer Berufsschule für Zeichner, Obermeister
, für das Industriepersonal; diese Schuld
wurde nach 1870 eine Oberrealschule.

Die Entdeckung der Kalilager nördlich Mülhausen
machte aus diese^ Stadt ein Kalizentruni
(1904). Neue Quartiere, besonders auf dem 111-
berg, sind entstanden, rings um das neue Universitätsviertel
, das im Geiste der Dezentralisation
den Universitäten die Ablegung des ersten
Studienjahres hier ermöglicht. 19141 wurden
Dornach, 1946 Burzweiler eingemeindet. Natürlich
erwartet Mülhausen aus der Verbindung
Rhein—Rhone durch die Verbreiterung , des
Rhein-Rhöne-Kanals einen neuen Antrieb für
seine Industrie, besonders da die Textilindustrie
stark im Rückgang begriffen ist.

Aus bescheidenen Anfängen hatte sich die
Chemieschule entwickelt, die heute der Straßburger
Universität gleichgestellt ist und als
Fakultät gilt. Neben dieser besteht auch £in£
Spinn- und Webschule, die s^hon früh von fremden
Studenten viel besucht, wurde. Ob die+ge-
plante Industriezone in Richtung Hartwaldt den
Erwartungen entsprechen wird, ob die Kalilager
nördlich der Stadt auch weiter und noch lange
ausgebeutet werden kennen, das hängt von der
Zukunft ab., Gar manches Fabrikkamin ist in *len
letzten Jahrzehnten verschwunden, und das Bild
der Rauchfahnen, das man früher vom Villenviertel
des Rebberges überblicken konnte, hat
sich stark geändert. Hochbauten sind hier und
dort auf diesen ehemaligen Fabrikarealen entstanden
. . .

An Sehenswürdigkeiten vergangener Zeiten
bietet Mülhausen gerade nicht viel: das Rathaus
im Renaissance-Stil, das am Rathausplatz stehende
Haus Mieg, die Johanniterkapelle mit den
Freske*i Herbster^, die prächtigen Glasmalereien
der evangelischen Stephanskirche, die glücklicherweise
in dieses neugatische Gotteshaus übernommen
wurden, hier una dort noch einige alte
Häuser, das Stoffdruck-Museum, das Historische
Museum im ehemaligen Rathaus. Leider ist das
x Kunstmuseum seit 1939 geschlossen; ob es je
wieder erstehen wird, wissen wir nicht.

Auch an Denkmälern ist Mülhausen arm. Die
Lambert-Säule wurde 1828 errichet, anläßlich
des Zentenariums der Gebtirt des berühmten
Gelehrten, und nach dem ersten Weltkrieg erhielt
der Mülhauser Dialektdichter August Lufctig,
der allerdings nicht von hier stammte, ein kleines
Denkmal in einem der Stadtgärten. Nach 1905
kaufte die Stadtverwaltung das durch seine Höhe
auffallende Denkmal „Die Arbeiter", einen nur
^leicht geschürzten Erd- oder Tunnelarbeiter. Es
ist das Werk eines Florenzer Künstlers, Berr,
und sollte in Isette, am Ausgang des Simplon-
tunnels, Aufstellung finden, mitten in der felsigen
Berglandschaft. Das Denkmal gefiel dort
nicht, es wurde verkauft un<^ kam nach Mülhausen
, wo man es schon bald als „Schweißdissi"
(schwitzender Mann, weil sich der dargestellte
Arbeiter den Schweiß von der Stirne wischt) bezeichnete
. Lange stand das Denkmal vor dem
Rathaus, bis man es in das Grün des Rebberges,
in eine öffentliche Anlage, stellte ...

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