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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-01/0004
Dr. Robert Feger, Freiburg:

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(Auftaue Setfjt unb ber Unentltyloflene

Sprecher 1: Wenn im Zusammenhang mit Johann Peter
Hebel von Frauen die Rede ist, so fällt — was gilt die
Wette? zu allererst der Name Gustave Fecht. Zu Recht
oder zu Unrecht? Wer war Gustave Fecht? Und was
bedeutete sie in Hebels Leben? Wie kam sie jn seinen
Umkreis? Haben diejenigen Recht, die behaupten, sie
sei seine Braut gewesen? Eine Braut, die ihr Leben lang
— und es währte dies ihr Leben nur anderthalb Jahre
länger als das Hebels! — drauf gewartet hat, daß sich,
der Freund erkläre und sie als seine Gattin heimführe?
Haben diejenigen Stimmen Recht, die in dem brieflichen
Gedankenaustausch zwischen Gustave Fecht und
Hebel nichts weiter sehen als ein unverbindliches Spiel?
Ein Spiel, wie es Hebel mit mancher anderen Frau
ebenso gespielt habe, — mit Sophie Haufe, mit Frau
Weiler, mit Henriette Hendel-Schütz? Was ist richtig an
all diesen Vermutungen und welche Antworten gibt es
auf diese Fragen? Und wo gibt es sie?

Sprecher 2: Es gibt sie. Und wo sonst als in den Briefen
Hebels an Gustave. Freilich: Besäßen wir die Briefe
Gustaves an Hebel noch, würde es unendlich leichter
fallen, alle Fragen um das Verhältnis dieser beiden Menschen
zu klären. Aber Gustaves Briefe an den Freund
sind verloren. Von Hebel schon nicht aufbewahrt? Von
Gustave nach Hebels Tod zurückgeholt und vernichtet?
Niemand weiß es. Jedenfalls: Die Briefe des seltsamen
Mädchens sind uns nicht zugänglich. Wir müssen uns an
die Antwortbriefe Hebels halten und an das, was sie uns
als Spiegelbild von' Gustaves Wesen und als Spiegelbild
dieser Freundschaft zeigen. Und das heißt: Zeigen wollen
. Wie sie uns das Mädchen Gustave heute noch zeigen
, so sah Hebel dieses Mädchen aus dem Oberland.
Besser: so wollte er es sehen. — Und von anderen vielleicht
gesehen haben; denn kein Dichter schreibt Briefe
nur für den Empfänger: er schreibt sie für die Nachwelt.
Und malt mit ihnen an dem Bild, das er der Nachwelt
gern von sich überliefert hätte. Und dies umso bewußter
, je berühmter er noch zu seinen Lebzeiten wird. —
Aber zurück zu Gustave. Wer war sie?

Sprecherl: Gustave Wilhelmine Fecht war 1768 in Eimeidingen
bei Lörrach geboren. Ihr Vater, Martin Fecht, war
dort Pfarrer. Nach seinem Tod im Jahre 1779 zog Gustaves
Mutter nach Lörrach. Gustaves Schwester, Karoline
Auguste Fecht, heiratete Hebels Vorgesetzten am Lörracher
Pädagogium, Tobias Günttert. Seit dem Jahre 1783
war ja Hebel als Präzeptoratsvikar dort angestellt. Anno
1790 wurde Günttert Pfarrer in Weil. In Lörrach und
vor allem im Pfarrhaus zu Weil spielten die persönlichen
Begegnungen zwischen Hebel und Gustave, auf die in
Hebels Briefen so häufig Bezug genommen wird. Es wäre
unnütz diese Begegnungen hier schon trocken aufzuzählen
; viel schöner und im Sinne unserer Fragestellungen
deutlicher treten sie uns später in Hebels Briefen entgegen
.

Sprecher 2: Und dieser Briefwechsel zwischen Hebel und
Gustave Fecht beginnt sofort, nachdem Hebel im Spätjahr
1791 als Subdiakonus nach Karlsruhe berufen worden
war. Dort in Karlsruhe mag Gustave dem ehrenvoll
in die Residenz Berufenen so im Gedächtnis geblieben
sein, wie ein Bildnis aus ihrer Jugend sie zeigt: Ein

gutgewachsenes schönes Mädchen mit klargeschnittenem,
ebenmäßigem Gesicht von offenbar nordisch - markgräf-
lerischem Typus, blond, blauäugig, ein wenig herb vielleicht
und nicht einfach zu behandeln. Dieses Bildnis
zeigt die junge Gustave mit einem prächtigen Hahn, den
sie wie ein Kätzchen oder einen Hund an sich preßt.
Tierliebe ist aber oft ein Kennzeichen eigenwilliger, in
sich verschlossener, schwer zugänglicher und weltschmerzlicher
Naturen, die nicht aus dem Augenblick
heraus leben, sondern aus ethischen Antrieben. Die es
weder sich noch anderen ihrer Umgebung leicht machen.
Selbst als Briefpartner noch hat der Sub- und bald
Hofdiakonus Hebel es mit Gustave nicht leicht gehabt.
Hebel zwar überspielt das Schwere, Ernsthafte in Gustaves
Wesen und das Unklare in ihrer beider Beziehung
in den ersten Briefen sehr bald mit Laune und Witz und
genialischem Treiben und wird dies noch lange tun. Als
Thema ist ihm alles recht. Er schreibt, was ihm zustößt
und auffällt oder — als Erinnerung — wieder einfällt.
Anno 1791 freilich überwiegt noch das Neue, der Brief-
ton ist frisch und unbekümmert. In der Anrede des
ersten Briefes aus Karlsruhe legt Hebel die Distanz der
Briefpartner schon in der Anrede fest. Am 14. Dezember
1791 schreibt er:

Hebel: Allerwerteste Jungfer Gustave, — so nenn ich
Sie denn jetzt, — soviel ich mich erinnern kann, ist's
das erste Mal wieder, seit ich einst an einem Sonntag
nachts in Herrn Prorektors Haus beim Blindmausspiel
war und mit Schneeballen gerieben wurde und den andern
Tag etwas hörte, was ich niemand sage. Ist's nicht
recht, daß ich Sie so nenne, so ist's weit weg, gut für
den Schuß. Die schlimmste Rache, die Sie dafür nehmen
können, daß Sie mich dafür Herr Hans Peter, oder wenn
Sie recht bös sind, Hans Peter schlechtweg nennen...

Sprecher 2: Hebel berichtet der Freundin ins Oberland
— oder sagen wir für diese Jahre vielleicht nicht doch
noch besser: der Geliebten ins Oberland sogleich von seiner
ersten Predigt in der Residenzstadt. Indessen ist er nicht
recht bei der amtlichen Tätigkeit: Die Erscheinung der
Geliebten steht ihm noch zu sehr vor Augen, wenn er
schreibt:

Hebel: . . . ein Karlsruher Diakonus läßt nicht mit sich
spaßen. Sie müssen die Predigt jetzt haben, und sollten
Sie nur Baumwollen drauf spinnen oder Ihre blonden
Haare damit aufwickeln; bis dorthin ist's ohnehin eine
alte Predigt und was kann eine alte und noch dazu
schlechte Predigt für einen schöneren Tod prätendieren
als einen solchen . . .

Sprecher 2: Der Briefschreiber nimmt die galante Wendung
aber alsbald fast zurück, indem er an den Dank
für übersandten Zucker einen grundsätzlichen, ernsthaften
Dank anschließt, der dem Wesen der Geliebten
schlechthin gilt:

Hebel: Und noch für eins muß ich Ihnen danken vermöge
eines unwiderstehlichen Dranges meines Herzens,
so ungern ich es um Ihretwillen tue: für alles Gute
und Angenehme, für alle Freude, die ich in Ihrer Nähe
empfand, w^nn ich auch nur still in einer Ecke saß und
Ihre guten frommen Gesinnungen bewunderte und mich

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