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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-01/0007
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Mi liebi Alimannesproch

isch sternehoch und bodenoch.

's hat Wörter drin wie Mockche Lai,

so schwer und alt wie miesig Stei.

Es ruscht und bruscht drin Wien im Wald,

und chicht und pfift drin, waiht und gwahlt

wie Sturm und Gwülch im chlusig Tal.

Und blitzt dur da de Sunnestrahl,

so glitzt de Bach, und d'Halde rücht,

und 's Lebe use schlüft und chrücht.

Lueg, d'Immdli schmützlet d'Blueme Iis,

und 's Zisli pipset fin im Ris.

Wo isch e Sproch mit sonig Gleich

wie üsi do so lind und weich? —

Und schwint de Tag im Obed zue,

und schwiget alls, und stampft kchei Chue,

lisch uf de Chust am Düsele,

ghörsch's visperle und chrüsele,

und 's müselet und chlüslet do,

as wetet Geistli ummegoh.

Ghörsch d'Geistli it dur d'Wort her cho?

Wie d'Lüt do schüch und eifach sind,

so isch au üsi Sproch e Chind:

Wa umgheit und tuet gluttere,

heißt eifach do e Guttere.

Wem's uf stoßt, hat de Glugser;

wer pfluchse mue, de Pflugser.

Im Chind si Mul heißt Schnüfili,

und hület's zieht's e Schüfiii;

und vo de Chriesi git's, me kchennts,

grad Chriesiwasser oder Brännts.

So isch die Sproch vo rucher Art

im Herze aber fin und zart;

si isch voll Chraft und Chindersi,

en Wälderbur im Sunneschi.

Richard Gang

Die nachfolgende Laudatio hielt der profunde
Kenner der elsässischen Vergangenheit, der Col»
marer Archivdirektor Dr. Sittler. In tiefschürfendem
Vortrag stellte er die beiden Preisträger
vor: Nathan Katz, 1892 in Waldighofen im Tal
der III geboren, dort, wo der Sundgau am schönsten
ist. Kaufmännischer Angestellter, später auf
Weltreisen als Industrie-Vertreter. In zwei Weltkriegen
schwer mitgenommen: Nach dem ersten
in russischer Kriegsgefangenschaft, während des
zweiten im Exil in Südfrankreich. Ab 1946 war
er Bibliothekar an der Mülhauser Stadtbibliothek
und lebt heute dort im Ruhestand. Hermann Eris
Busse schrieb schon 1931, daß die Sundgäu-
Gedichter von Nathan Katz „zum Besten gehören,
was es an Mundartlyrik im Elsaß gibt, ja er
gehört den wenigen künstlerischen Mundartdichtern
des alemannischen Sprachbereichs zugeteilt
".

Ganz anders liegt dagegen der Fall Emile
Storck. Obwohl sieben Jahre jünger, wurde sein
Name erst um 1957 bekannt. Durch sein Studium,
die Examina im Lehrfach und seine starken
naturwissenschaftlichen Interessen war er bis in
die mittleren Jahre nicht recht zur Schriftstel-
lerei gekommen. Erst 1950, als Professor am
Lehrerinnenseminar in Gebweiler, fand er den
eigentlichen Durchbruch zu seiner Dichtung. Er
ließ seine Theaterstücke und Gedichte im Selbstverlag
, drucken, gab sie nicht in den Handel und
verschenkte sie an Freunde und Bibliotheken.

l^arum ist sein Name bisher nur Kennern bekannt
. Besprechungen und Urteile stehen noch
aus. Große Verbreitung und Anerkennung fanden
dagegen seine beiden für den Deutschunterricht
verfaßten Schulbücher. Das erste „Alltag und
Sonntag" ist für die oberen Klassen der Volksschule
und die unteren der Gymnasien bestimmt,
das zweite mit dem Titel „Lebensfreude" wendet
sich an die Schulanfänger.

Oberbürgermeister Dr. Keidel, als der Füllhornüberbringer
unseres Stifters, ließ es sich
nicht nehmen, auf das Glück der Dialekt-Brücke
des Alemannischen in der Dreiländerecke hinzuweisen
. Symbolisch für so manches in der geistigen
Landschaft der Dichtung am Oberrhein mag
auch seine Erwähnung jener Rüpelszene sein, in
der die Humanisten Ringmann und Locher über
dem Prädikat „Eselspoet" in Streit gerieten, der
sogleich eine Stufe tiefer von ihren Studenten
handgreiflich ausgefochten wurde.

Vom humanistischen Studentenkrawall ging
der OB sodann zur Preisverteilung an unsere
Laureaten über, um sie aber zugleich zu warnen:
„Vorsicht, das sind keine Verrechnungsschecks!"

Nün kamen die Dichter selbst zu Wort. Emile
Storck bekannte ruhig und fest, dies sei der
schönste Tag seines Lebens. Dieser Preis verleihe
der Mundartdichtung Relief und neuen Glanz.
Er beklagte den Rückgang des Dialekts im Elsaß
und regte an, die Muttersprache auf privater
Ebene schulisch zu fördern, damit die Elsässer
nicht weiterhin schweren Schaden an ihren Kräften
des Geistes und der Seele erlitten.

Als Emile Storck nun eigene Verse sprach,
sah man sich — wie Dr. Sittler in seiner Laudation
erklärt hatte — einem Klassiker des Alemannischen
gegenüber. Sein Ausdruck ist von
überraschender Bildhaftigkeit, farbig, gut ausgewogen
und von großer Reife. Manches ist volksliedhaft
zart, weich und dann wieder schwermütig
. Wie er selbst sagt, liegt das Geheimnis
seines Dichtens einzig in seinem Drang nach
Selbstverwirklichung: „Ich habe meine Gedichte
ersonnen wie ein Konzert, das sich mir selbst
gab, mir oder den Bäumen, Steinen und Schmetterlingen
, sie waren nicht zur Veröffentlichung
bestimmt".

Wie er das Grauenhafte des Schwarzen Todes
in seiner Ballade von Hans Billing von Strophe
zu Strophe aufhebt und zugleich steigert mit
dem leuchtend gelben Schlußstrich: Der Lewat
steht gäl uf de Fälder. Das ist unbeschreiblich
schön. Dieses Gedicht sollte in unsere Schul-
Lesebücher aufgenommen werden.

Ganz anders dagegen Nathan Katz: Wie in
sanftem Mondschein-Hauch schwankend sang er
— ein Ariel älteren Jahrgangs — seine hauchzarten
Sundgäu-Gedichte vor sich hin. Man kann
Dr. Sittler nur zustimmen: Diese flüssige Sprache
, rhythmisch frei, liedhaft, musikalisch, ist zugleich
so natürlich und frisch. Seine Themen: die
Natur, die Landschaft des Sundgaus, die Dörfer
in Obstgärten eingehüllt. Die Fachwerkhäuser
mit Vorgärten voll Blumen. Seine Gedichte sind
prall voll Leben und Liebe. Innige, zarte Liebes-

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