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Die Alte jedoch trat auf den Großherzog , zu,
klopfte ihm vertraulich auf die Schulter und sagte
: „Gell, Landesvatter, i darf raukche?" Die
Bitte wurde ihr großmütig gewährt, überdes erhielt
sie vom Hof zu Karlsruhe als Geschenk eine
schöne Pfeife, auf die sie besonders stolz war.
Bei einem späteren Besuch des Großherzogs im
Hotzenwald fragte das Heidewiebli den hohen
Herrn vertraulicht „He, wie goht's d'r au, Landesvatter
, was macht au d'Luis (die Großherzogin
Lujse) und dini Chind?" Als die Fischerhütte der
ruhelosen Alteh' in Flammen aufging und sie
von Amtswegen nach der Brandursache befragt
Winde, lief sie mit gefalteten Händen um das
brennende Haus und meinte: „Wenn da it guet
isch für d'Lüs und d'Wändele (Wanzen), wa Teufels
isch dro (dann) guet!"
Wegen ihres nicht ganz korrekten Lebenswandels
zur Rede gestellt, meinte sie nur lachend:
„Immer luschtig und fidel!" Diesem Wahlspruch
blieb sie treu, bis sie 1880 im Alter von achtzig
Jahren zu Rickenbach starb.
Konstantin Schäfer, Neuenburg:
Vom £kict)bau
Auf den ständigen Kampf mit dem Rhein und den
Widrigkeiten des gesellschaftlichen Lebens war
eine ruhigere Zeit gefolgt. Dies will nicht besagen
, daß der Strom sein ungebärdiges Wesen abgelegt
hätte. Es war die Stärke der Wuhre und
Dämme, die ihn in Bann hielt.
Am 13. Juni 1818 hebt das Finanzministerium
in einem Schreiben an das Innenministerium diese
Ruhepause besonders hervor. Dies erklärt sidi
nicht nur aus der Eigenart finanziellen Denkens,
welches Gefühl in Geld umrechnet. Es findet seine
Deutung auch darin, daß nicht mehr der regellose
Zustand als erschreckende Ausnahme, sondern
der Normalzustand als erstaunenswert
empfunden wird. Das Finanzministerium schreibt:
„Die Stadt Neuenburg, welche lange Zeit auf
eine unbegreifliche Weise vom Rhein verschont
blieb, wurde im Jahre 1815 u. 16 den heftigsten
Angriffen desselben ausgesetzt".
Man könnte mit diesem Satz ein Hilfegesuch
einleiten oder ein Epos vom Kampf mit den blinden
Gewalten anheben. Das Finanzministerium
benutzt ihn, um den Besitz eines fühlenden Herzens
nachzuweisen. Es stellt diesen Satz an den
Anfang eines Schreibens, mit dem es kaltblütig
dem damals ohnehin schwachen Kultur- und
Bildungsbedürfnis der Stadt die reale Grundlage
entzog. Es schildert, wie dieser erneute Ansturm
der reißenden Wasser die Abschließung des großen
Rheinarmes notwendig machte, der unterhalb
des Hochufers vorbeiströmte, auf welchem die
Stadt errichtet war. Die Arbeit habe einen Aufwand
von 147 000 Gulden erfordert. Der ganze
Betrag sei von der Flußbaukasse aufgebracht
worden; 2/a davon seien in die Hände der Einwohner
Neuenbürgs geflossen. „Durch den gedachten
Bau wurde nicht nur das Städtchen gerettet
und sozusagen bereichert, sondlern auch
der größte Teil der Inseln, worauf die erforderlichen
Faschinen aufgemacht wurden, gesichert
und erhalten, und nun fordert der Stadtrath hiefür
19 319 fl Stockgeld, woraus unter anderm det*
Bau eines neuen Schulhauses bestritten werden
soll". Das Finanzministerium gibt ohne weiteres
zu, daß eine Verordnung bestehe, nach der das
zum Flußbau verwendete Holz zum jeweils gültigen
Preis bezahlt werden solle. „I|ei dem großen
Vortheile aber, welcher der Stadt Neuenburg
einzig durch dieses Bauwesen zugehet",
scheint es dem Ministerium angebracht, daß die
Stadt auf die Bezahlung der Faschinen verzichtet.
Nun aber kam der Schlag mit dem Pferdefuß,
der Neuenburg in sein österreichisches Herz traf.
Der unselige Verfasser fährt fort:
„ . . . und in Erwägung des Umstandes, daß,
wenn der Rheinbau früher und in jenen Zeiten,
als diese Gegend noch österreichisch war, der
Vorsicht gemäß betrieben worden wäre, für das
Wuhrholz lediglich keine Vergütung statt gefunden
, ja die Stadt nicht einmal einen Beytrag aus
einer öffentlichen Kasse erhalten hätte, glauben
wir mit einigem Recht verlangen zu können, daß
diese Stadt auch einen speziellen Beytrag zum
Vortheil der aus allgemeinen Umlagen fondier'-
ten Flußbaukasse leiste".
Das Ministerium des Innern reicht das Schreiben
an das Direktorium des Dreisamkreises weiter
. Über das Bezirksamt Müllheim gelangt es
schließlich auch zur Kenntnis der Stadt Neuenburg
. Nun war aber die ganze Angelegenheit
unlösbar mit dem Schulhausneubau verkoppelt.
Man hatte der Stadt das alte Schulhaus als menschenunwürdig
abgesprochjgn. Es stammte noch
aus der armseligsten Zeit der Stadt, aus der Zeit
nach ihrer Zerstörung im Spanischen Erbfolgfe-
krieg. Die Zusicherung des Stockgeldes hatte den
Stadtrat schließlich dazu bewogen," dem Plan zuzustimmen
. Da sie das schöne Geld bitterlich
reute, begannen sie das „geistige" Werk mit. dem
Verkauf des Schulgartens. Der Käufer begann
sofort, eine Scheune auf das Grundstück zu
bauen. Das war sein gutes Recht. Sie reichte aber
so dicht an das alte Schulhaus heran, daß sie die
Fenster im Abstand von wenigen Zentimetern
verdeckte. Doch hat dies ja nichts zu sagen angesichts
der Tatsache, daß das Licht umso heller
leuchtet, je tiefer die Finsternis ist. Mit dieser
allgemeinen „Verbesserung" der Situation stockte
die weitere Entwicklung. t
Wir verstehen die Stellungnahme des Stadtrats
, welche Freiburg nach Karlsruhe berichtet
und auch ihren energischen Ton: „Nach der diesfalls
eingelangten Erklärung hofft der Neuen-
burger Stadtrath auf die Unwandelbare Erfüllung
der der dortigen Stadt gemachten Verheißungen
und bittet daher ihr ihre Stockgeldforderung
ad 19 319 f als richtig anzuerkennen
und zum Behufe des Schulhausbaues in möglich-
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