Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-01/0012
ster Bälde zur Zahlung anzuweisen". Das Direktorium
nimmt hierzu selbst vorsichtig Stellung,
wie es einer hohen Behörde einer noch höheren
gegenüber gebührt: „Die Würdigung ihrer vorgebrachten
sehr bedeutenden Gründe muß man
zwar lediglich hoher Beurteilung überlassen,
glaubt aber diesorts, daß die Stadt Neuenburg
nach den . vorliegenden Landesverordnungen
rechtlich gegründeten Anspruch auf das quaest.
Stockgeld habe".

Der Stadtrat unter seinem Bürgermeister Weiß
hatte eine meisterhafte Antwort verfaßt, die mit
Überlegenheit die Zumutung des Finanzministe-
riums zurückweist. Das Schreiben ist nicht nur
in seiner lesbaren klaren Schrift dem Auge eine
Wohltat, dem Leser scheint es, als ob es auch für
das Herz eine Wohltat sei, wie nun leider dieses
menschliche Herz an treffender Ironie und Bosheit
sein Wohlgefallen findet.

Der Introidus dieser Magistrats-Sinfonie ist
sachlich, das routinemäßig Übliche. Wir können
ihn übergehen. Dann klingt sachte das Motiv an,
das von Abschnitt zu Abschnitt ausgeprägter und
tragender wird, bis es im Paukenschlag des
Österreich-Themas mit überzeugender Wucht seinen
Höhepunkt erreicht; wenn auch das Mar-
tellato des betroffenen Stolzes durch die Ausdrucksbezeichnung
des diplomatischen Pizzicato
gedämpft wurde. In diesem. Thema schwingen
nicht nur dynastische Grundtöne mit, es vermischen
sich damit sehr stark konfessionelle Gegensätze
, solche der Bodenständigkeit, der sozialen
'Stellung. Es lohnt sich, die Rechtfertigung
der Stadt in ihren Hauptzügen kennen zu lernen.

Das Fmanzmirristeripim hatte die sicherlich
nicht von der Hand zu weisende Behauptung aufgestellt
, daß die Stadt aus den Arbeiten am Deichbau
ihren reichlichen Gewinn zöge, ja man könne
sagen, fast ihre Existenz davon habe. Die Stadt
sieht diese Dinge aus einer andern Perspektive.
Sie schreibt: „Aus Mangel der Einsicht in die
Rechnungen kann man nicht in Abrede stellen,
ob von den Kosten des Rheinbaues zu Neuenburg
pr 143 000 fl zwey Drittheile den Bewohnern
der Stadt zugeflossen seyn; wenn aber dieses
wirklich der J'all ist, würde es den Bewohnern
eher zu ihrem Ruhm, als zum Nachtheil
gereichen müssen. Vermöge Höchster Bestimmung
vom 21. May 1816 wurde eine eigene
Flußbaukasse errichtet, den betreffenden Rheinorten
zu ihrer Füllung 2 kr jährliche Steuer Zulage
auferlegt und dagegen alle und jede Fluß-
bau-FrohncUensten aufgehoben, weil aus dieser
Kasse allein alle Kosten des Flußbaues ganz
oder bei Verdammungen halb bestritten werden
sollen.

Auf die unterthänigste Bitte der Stadt Neuenburg
am Ende des Jahres 1815, ihr von Staatswegen
gegen den die .Hochgestaden als Fundament
der Stadt angreifenden Rheinarm beizustehen
, wurde Herr Ingenieur und Inspektor
Enkerle hierher beordert, die Uferdeckungskosten
von ihm auf 1332 fl angeschlagen, aber
von hochpreislichem Ministerium des Innern aus
eigenem freyen Beschluß diese geringe Hilfe mit

iKren unbeträchtlichen Kosten verworfen und
großmüthigst ein kräftigeres und dauerhafteres
Schutzmittel durch Versperrung oder Hemmung
des ganzen feindseligen Rheinarms beschlossen,
den in der Folge die höchst ungünstige, nasse
Witterung und der Einspruch der Franzosen kostspieliger
gemacht hat, als anfangs zu berechnen
war. Frohnden konnten dabei von den armen
Bürgern Neuenbürgs keine gefordert werden,
sondern die verschiedenartigen Arbeiten als
Faschinenhieb, die Herbeiführung derselben, des
Kieses, der Bruchsteine — zu Wasser und ' zu
Land — wurden öffentlich ausgeschrieben, ... an
die Mindestnehmenden versteigert und dabei
bare Bezahlung versprochen.

Der Beitritt zum Verdienst stund also der
ganzen umliegenden Gegend offen, und viele
Benachbarte nahmen daran mehr als der Bürger
Neuenbürgs anfänglich Antheil. Weil aber der
reine Verdienst gering, der Arbeitslohn für die
Höhe der Nahrungsmittel niedrig, zu den Kies-
und Sandfuhren große Auslagen an Schiffen,
Wagen, Pferd und Geschirr zu machen waren,
erstere in kurzer Zeit verbrochen, letztere abgemergelt
dahin fielen, blieben die Auswärtigen,
durch Erfahrung belehrt, allmählich größtenteils
zurück, und die ganze Last der Kostenbestreitung
und Arbeit blieb auf dem Nacken der
Neuenburger liegen, die oft durch strenge Befehle
, durch Executions-Androhung zur Erfüllung
ihrer Akkorde angehalten werden mußten,
weil die Stockung der Bauten großen Schaden
befürchten ließ".

Man muß dieser Darstellung alle Hochachtung
zollen, und man fühlt, daß alles zu einem ersten
Höhepunkt drängt.

„Es könnte also nicht änderst als sehr auffallend
und hart seyn, wenn diese Arbeiter, die
zum Teil mehrere hundert Gulden auf neue
Pferde und stärkere Schiffe, Wagen und Geschirr
setzten, die in den teuersten Zeiten ihre Knechte
und Taglöhner verdoppelten, die Tag und Nacht
sich bemüheten und abzehrten, sich vielfachen
Todesgefahren im wütenden Strome aussetzten,
die auf das Wort - ihres Höchsten Landesherrn,
ihrer Regierung und Bezirksämter vertrauensvollst
bauten, die den wohlverdienten Lohn oft
erst nach 4 und 6 Monaten bezahlt erhielten oder
meistens ihre Guthabung wegen großer Not in
höchst teuren Zeiten gegen 10—15 und 20 Prozent
Verlust verkaufen mußten, um mit Weib
und Kind leben, ihr Wort halten und denRhedn-
bau befördern zu können. Hart wäre es und auffallend
, wenn diese Menschen ihren sauren, von
den Nachbarn verschmähten Lohn, den sie bei-
nebens durch den Verlust all ihres Brennholzes
erkauften und größtenteils für den Erwerb nötiger
Werkzeuge, Kleidung und Nahrung in die
Nachbarschaft fließen lassen mußten, durch Mißgunst
verbittert oder gar durch Abzüge geschmälert
sehen müßten.

Es hat zwar die Stadt an obigen Baukosten
19 319 fl Stockgeld für Faschinenholz zu fordern,
die sie dem Staat , zur Stütze oder ihren Bürgern
zum Lösegeld ihres Verdienstes oder ihren Neidern
zur Söhnung opfern könnte, aber hierzu

10


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-01/0012