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Dr. Robert Feger, Freiburg:
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(Fortsetzung.)
Sprecher 2: Im Oktober 1803 schreibt Hebel auf Gustaves
Klagen wegen jener Leiden an den Händen einen ganzen
Brief mit Ratschlägen, die er vom Hofrat Gmelin
erbeten hatte; wenn man Gustaves gleichzeitige Klagen
und Sorgen über ihre Brüder Eberhard und Wilhelm
liest, wird man mit Recht eine seelische Ursache des
Hautleidens annehmen. Doch obwohl Gustaves Klagen
über ihre Gesundheit und Hebels Tröstungen und Ratschläge
so den ganzen Briefwechsel durchziehen, treten
aus den Briefen doch auch andere Züge aus Gustaves
Wesen zur Genüge hervor. In ihrer Gesamtheit zeigen
Sie, daß Gustave ein impulsiver, liebenswürdiger und
kluger Mensch war, aber ebenso auch ein für sich selbst
und andere schwieriger Mensch. Sie macht Hebel gern
Vorwürfe, doch ihr Zorn verraucht auch wieder schnell.
Als er sich einmal über die Stadt beklagt, sieht er sich
von ihr zornig getadelt:
Hebel: Jetzt lauf ich wieder in dem Geräusch der Stadt
umher, allenthalben umgeben von Häusern und Mauern,
die doch noch den Vorteil haben, daß sie meinem Auge
die unfreundliche langweilige Sandfläche, das leere tote
Wesen der ganzen Gegend verbergen. Also wieder einmal
geklagt, wieder einmal die alte Leier! werden Sie
sagen und den Brief überdrüssig wegwerfen. Lassen Sie
ihn immerhin liegen, wo Sie ihn hingeworfen haben, es
kommt nichts Wichtiges mehr nach. Sollten Sie ihn aber
doch wieder aufheben (denn ich weiß, daß der Zorn gewöhnlich
bei Ihnen bald vorüber geht), so nehmen Sie
noch die Versicherung an, daß ich mit den hochachtungsvollsten
Gesinnungen ohne Unterlaß verharre Ihr gehorsamster
Diener Hebel.
Sprecher 2: Das war im Oktober 1793, und der förmliche
Briefschluß darf in dieser Epoche noch als eine Übertreibung
angesehen werden; später wird der reservierter
gewordene Hebel es damit schon ernster meinen. Jetzt,
1793, hatte er den Brief noch sehr launig begonnen, indem
er seine augenblickliche Tätigkeit mit Tätigkeiten
verglich, die man um diese Zeit im Oberland treiben
mochte:
Hebel: Liebste Jungfer Gustave! Raten Sie, was ich tue.
Bier trinken? Nein. Tabak rauchen? Nein. Hanf reitein?
Oho! in der Residenzstadt und noch dazu am Sonntag,
unser Lebtag nicht. Oberländer Wein trinken auf Ihre
Gesundheit? Ja, das tu ich. Wenn's an einem Sonntag
schön Wetter ist und ich nur halbwegs glaube, daß jemand
von Lörrach nach Weil komme, so laß ich mir's
nicht abkaufen, daß ich nicht in den Keller gehe und
auch mein Gläschen mittrinke und mein unmaßgebliches
Ja oder Nein zu dem gebe, was ich denke, daß diesen
Nachmittag droben abgehandelt wird. Zum Exempel
heute ist meiner Vorstellung nach die Rede davon, ob
sich die Jungfer Gustave auf der Basler Messe auch so
einen schönen Hut kaufen soll, wie die Frau Speciälin
einen von Karlsruhe mitgebracht hat... Ferner, ob sie
die Haare vorne an der Stirnen und an den Seiten sollen
abstutzen lassen... Ja. Aber die Frau Mama will nicht.
Also unterbleibt's für diesmal. Sonst wird auch noch
vom Mostsieden, Hecheln, Krautschneiden, Erbsensetzen
geredet, aber das sind Haushaltssachen, die ich nicht
verstehe. Ich kann nichts als Schwarzwurzeln säen und
das schlecht genug . . .
Sprecher 2: In der Erwähnung der Schwarzwurzeln und
anderem darf man mit Fug Erinnerungen an gemeinsame
Arbeiten in Lörrach sehen. Und eine Äußerung
von Hebels Heimweh nach dem Oberland. Freilich, Hebel
hatte schöne Erinnerungen an die Lörracher Zeit. Gustave
war ihm zugetan gewesen und war ihm nicht immer so
begegnet, wie er es auch in der Erinnerung hatte und
im Mai beschreibt.
Hebel: ... doch es ist Zeit, dem Geschwätz ein Ende zu
machen, eh das Sauerampfergesicht kommt. Leben Sie
wohl, süße Jungfer Sauerampfer! . . .
Sprecher 2: O nein, Gustave war ihm nicht stets mit
einem Sauerampfergesicht entgegengetreten. Es gab da
auch Stunden auf einer Hausbank in der Nachbarschaft,
gemeinsam mit Gustave verbracht, an die Hebel gern
zurückdenkt und deren Bild er bisweilen beschwört.
Zum Beispiel im Herbst 1795:
Hebel: Und daß Sie's wissen, ich hab ohnehin auch noch
einen Strauß von Ihnen, den ich auf des Schlosser Sehls
Bänklein — ich weiß nicht mehr, ob von Ihnen geschenkt
bekommen oder Ihnen heimlich entwendet habe. Aber
ich glaube doch das erstere ...
Sprecher 2: Auch an eine Wagenfahrt mit Gustave und
ihrem Schwager erinnert sich Hebel. Man kam erst in
ein Gewitter und Schwager Günttert schlief dann ein
und überließ das Liebespaar — so etwas waren damals
Gustave und Johann Peter Hebel doch wohl — sich
selbst und ihren Empfindungen. Im Mai 1794 schreibt
Hebel:
Hebel: Beste Freundin! Da sinn ich hin und her, ob ich
denn nicht auch einmal während eines recht kraftvollen"
Donnerwetters in Ihrer lieben Gesellschaft gewesen bin
oder ob uns nicht gar irgendwo so ein blitziger Himmelsgruß
auf einem Spaziergang überrascht und nach Hause
geschickt hat. Wohl erinnere ich mich des frohen Abends,
wo uns im Jagdwagen der Blitz von St. Blasien heimgeleuchtet
und der Donner den schlaftrunkenen Günttert
eingewiegt hat . . .
Sprecher 2: Oft stellt sich Hebel in den Gustave-Briefen
vor, wie er einen Besuch im Oberland macht und bei der
Freundin ankehrt. Anno 1792 schildert er einen solchen
Besuch, und 20 Jahre später wieder einmal. Damals, 1812,
sieht er sich zu dem imaginären Besuch gezwungen, weil
er lange keine Nachricht* mehr von Gustave erhalten
hat, und schreibt:
Hebel: ... Aber damit ich mir durch meine Geduld nicht
gar zuviel schade, so will ich doch wieder einmal an-
pöpperlen:
„Holle ho! Isen niemes do?"
„Numme inne! Was wär ich lieb?"
„Wenn mer die Frau Vögtin oder die
Jungfer Gustave ne Briefle schrieb."
„Chömet e andermol. Mer hen jetz nit der Zit!"
„Numme au ne halbs, mei Weg
isch gar grüseli wit.
Numme au ne chleis,
numme au ne paar Wörtli."
„Wartet denn, i schrib ich eis.
Sitzet dort an sei Örtli."
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