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der Arbeit heraus, auf einer Schulvisitationsreise in
Schwetzingen am 22. September 1826 erleiden sollte, verlosch
auch sie: am 30. April 1828. Sie ist in Weil begraben
; an der Kirche dort wird sie auf einer Gedenktafel
als „Johann Peter Hebels Freundin" bezeichnet. Das war
sie gewiß. Als Freundin lebt sie in Hebels Briefen weiter
. Daß ihre eigenen Briefe verloren oder unbekannt
sind, ist ein Verlust. Doch hat sich immerhin Gustaves
Sprache und Stil in einer schönen Widmung erhalten, die
sie kurz vor ihrem Tod dem Herrn Stephan, der im
Pfarrhaus zu Weil als Knecht gewaltet hatte, in ein
Bändchen von Hebels Alemannischen Gedichten schrieb;
Wilhelm Zentner teilt sie in seiner schönen zweibändigen
Ausgabe der Hebelbriefe mit und sie kennzeichnet den
Dr. Wilhelm Zentner / München:
Johann Peter Hebel, am 10. Mai 1760 am
Rheinbord in Basel geboren, hat schon früh das
Verlangen gefühlt, den Spuren des Stromes, der
von Anfang an „der" Strom seines Lebens gewesen
und dies seiner Lebtage lang geblieben ist,
zu folgen und seinen Wanderweg vom Bodensee
bis Basel in Augenschein zu nehmen. Nur so
war es möglich, daß er später seinem Gedicht
„Die Wiese" jene einzigartige Schilderung des
Rheinverlaufs, bis sich dieser mit der jungen
Wiese vermählt, einweben konnte:
„Über hochi Felsen und über Stuuden und Hecke
-eis Gangs us de Schwitzerberge gumpet er z'Rhineck
aben in Bodesee, und schwimmt bis füre go Chostanz,
seit: „I mueß mei Meidli ha, do hilft nüt und batt nüt!"
Aber oben an Stei, so stigt er in landseme Schritte
wieder usem See mit sufer gwäschene Füesse,
Diesehofe gfallt em nit und 's Chloster dernebe,
furt Schaffhuse zue, furt an die zackige Felse.
An de Felse seit er: „Und 's Meidli mueß mer werde!
Lib und Lebe wog i dra und Chrezen und Brusttuech!"
Seit's und nimmt e Sprung. Jez bruttlet er abe go Rhinau;
trümmlig isch's em worde, doch chunnt er witers und
witers---
Basel zue, dort wird em der Hochzitszeddel g'schriebe."
Inwieweit bereits der wanderfreudige Schüler
Hebel hochrheinaufwärts und dem Bodensee
zu gezogen sein mag, läßt sich heute nicht mehr
nachweisen; doch hat sich der Lörracher Präzep-
toriatsvikar im Jahre 1790 zu einer Ferienreise
aufgemacht, deren Stationen jenen der obigen
Schilderung entsprechen. Weiter als bis Konstanz
ist er dabei allerdings nicht gekommen;
vielleicht zwang der schmale Geldbeutel zur
Umkehr. In Stein am Rhein muß er sich besonders
wohl und angeregt gefühlt haben, denn die
Erinnerung an dieses trauliche Städtchen gibt
ihm später das hübsche Bild von dem mit sauber
gewaschenen Füßen dem Untersee entsteigenden
Stromjüngling ein. Wenn Diessenhofen
und das naheliegende Kloster Katharinental dem
auf Freiersfüßen Dahineilenden nicht recht gefallen
wollen, ist wohl ein wenig Argwohn im
Spiel, die dort ansässigen Dominikanerinnen
möchten wegen der geplanten Heirat mit der
lutherischen Markgräflerin, der Wiese, ein bedenkliches
Gesicht ziehen. Leib und Leben waschlichten
, aufrechten Sinn Gustaves vielleicht ebenso
gut wie es viele Briefe ihrer Feder tun könnten. Diese
Widmung lautet:
Gustave: Gang Büchli zum Her Stephan! un grüeß mer
en un sag, do bin zum Adenke an de, woni der Name
von em ha. De hesch en jo gut chennt, un er het der jo
au Guths tho un e große Gfalle derzu. Denk au an die,
woner allme zu here cho isch, ins Pfarrhus, an die Verstorbene
, un vergiß die gute Lehre nit, seyg fromm un
ehrli, das währt doch am längste. Un wenn die, wo jetz
no do sin, au seile Weg gange sin, so denk au an sie.
Jä so! Glück und Gsundheit soll i au wünsche, un brave
folgsame Chinder. Das geb Gott der Herr. Weil, dem
14. Februar 182. Gustave Wilhelmine Fecht.
gend, mit Tragkorb und Brusttuch stürzt sich
der Strom über das Felsgeklüft des Schaff hausener
Rheinfalls, dem Ziel seiner Sehnsucht
entgegen.
Es mußte schon das neue Jahrhundert, das
neunzehnte, anbrechen, ehe Hebel wieder an den
Bodensee gelangte. Als Mentor der beiden jungen
Barone von Menzingen hatte er im Herbst
1805 eine große Schweizerreise angetreten. Von
Donaueschingen führte die Fahrt am 25. August
nach Schaffhausen, wo der Munot, die neue
Rheinbrücke (die alte Hängebrücke war 1799 von
den Franzosen in Brand gesteckt worden) und
insbesondere der Rheinfall besichtigt und bestaunt
wurden. Die sonst etwas sachlich nüchterne
Sprache des Reisetagebuchs, das Hebel für
seine Schützlinge führte, erhebt sich in der folgenden
Schilderung zu poetischem Schwung und
großer Anschaulichkeit: „Unbeschreiblich ist die
Erhabenheit und Mannigfaltigkeit dieser Szene,
dieser wilde Kampf und Sturm, dies ewige Zerstieben
und Zernichten und Wiederkommen, dies
betäubende Getöse und dann wieder der feine
Silberduft von aufgelöstem Wasserstaub, der das
Ganze umfliegt und durch die schief einfallenden
Sonnenstrahlen mit allen Farben des Regenbogens
bemalt wird. Eine steile Anhöhe nach
dem Schloß Laufen hinauf führt in einen Pavillon
hinaus, wo man von der luftigen, fast senkrechten
Höhe herab bei einem Becher Wein die
Rheinfläche oben und unter dem Sturz mit wiedergesammelten
Sinnen überschauen und bewundern
kann."
Anderentags, am 26. August 1805, führte der
Weg die Reisenden am Thurgauufer entlang,
„bald durch Wald, bald zwischen Wasser und
Rebenhügeln", über das Clarissenkloster Paradies
zunächst nach Diessenhofen, das diesmal
ein artiges, nach alter Art befestigtes Städtchen"
genannt wird. Weiter rollte der Wagen über
Stein dem Südufer des Untersees entlang, wobei
Hebel nach der Insel Reichenau hinüberweist
und mit Stolz bemerkt, daß sie seit dem Lune-
viller Frieden badischer Besitz, das Vaterland
mithin eine „seehandelnde Nation" geworden
Me Sceunbe am
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