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sei. Nach neunstündiger Fahrt langte man am
Abend in Konstanz an, das damals — freilich
nur noch für kurze Frist — eine österreichische
Stadt war. Der Vormittag des nächsten Tages,
den das Tagebuch als den „angenehmsten" der
ganzen Reise bezeichnet, diente einem Besuch
der Insel Mainau. Man fuhr zu Schiff. „Keine
Feder beschreibt die Herrlichkeit dieser Wasserfläche
und ihrer Ufer, wie sie uns im feierlichen
Schimmer der Morgensonne umgab. Wir lebten
im Zauber einer anderen Welt. Der See war
ruhig, vom kühlen Morgenhauch des Tages nur
sanft gekräuselt. Leichter Morgenduft verhüllte
anfänglich die fernen Ufer. Man hatte nur See
und Himmel, beides in Silberglanz und Duft.
Allmählich sanken die Nebel, da traten hervor
die Türme von Buchau (Friedrichshafen), da
Meersburg, da Pfullendorf und alle Herrlichkeit
der reich geschmückten Gegend und tiefer
hinaus die Berghöhen von Oberschwaben im
Hintergrund."
Auf der Mainau finden die Reisenden ein
hübsches Schloß und einen großen Garten „nach
altem Gusto". Noch gehörte das Eiland dem
Deutschherrnorden. Mit der größten Höflichkeit
wurden den Gästen alle Sehenswürdigkeiten
gezeigt. „Aber", so fährt Hebel fort, „keine
menschliche Kunst hält euch schadlos für einen
einzigen Blick von der Altane hinaus in den
See." Ein günstiger Wind schwellte die Segel
auf der Rückfahrt, so daß man noch am frühen
Nachmittag in Konstanz eintraf. In Petershausen
setzte man, nach Überschreitung der Rheinbrücke
, den Fuß auf badischen Grund und Boden
. Am 28. August nahm die kleine Gesellschaft
Abschied vom Bodensee. Das nächste Ziel
hieß Zürich. Durch den Thurgau, wo gerade die
Apfelernte in vollem Gange war, strebte man ihm
zu, begleitet von fröhlichen Posthornklängen.
Damit sind die beiden nachweisbaren Begegnungen
Hebels mit dem Bodensee erschöpft.
Vergessen hat er ihn jedoch nicht. In Konstanz
scheinen mehrere Verehrer der Hebeischen Muse
gesessen zu haben, denn Anfang Oktober 1823
erhielt er von dort einen von einem Leutnant
Krug bunt bemalten Pfeifenkopf, dessen Spender
der Kameralschreiber Ringer, Sohn eines
früheren Amtsbruders, war. Es scheint sich um
das Geschenk eines hebelbegeisterten Stammtisches
zu handeln, und der Empfänger beteuerte:
„Nur edelstem Knaster soll dieser schöne Kopf
gewidmet bleiben, und lieblicher wird mir der
Genuß desselben durch das Andenken an das
schmeichelhafte Wohlwollen, dessen ich mich in
der werten Stadt Konstanz zu erfreuen habe."
Indessen waren es nicht nur gesellige Kreise,
die von Konstanz aus Briefe mit Hebel wechselten
, vielmehr zwei der bedeutendsten dort
wirkenden Persönlichkeiten. Mit Joseph Albert
von Ittner, der seit dem Jahre 1812 Direktor des
Seekreises war, verknüpfte Hebel schon seit
jenen Tagen, da Ittner noch Kurator der Universität
Freiburg war, ein Band der Freundschaft
. In fröhlichem Gespräch hat Hebel oft
mit dem „Vogtsma der Musen" am Dreisam-
gestad beim Markgräfler Wein gesessen und
reizende Briefe in humorvollem Küchenlatein
mit Ittner ausgetauscht. Als Ittner nach Konstanz
berufen wird, meint Hebel, der Freund
solle in „Constantia" auch der Constantia gegen
die alten Bekannten eingedenk bleiben. Allein
beide, der Karlsruher Lyzeumsdirektor und spätere
Prälat sowie der Direktor des Seekreises
waren vielbeschäftigte Leute, die im letzten
Jahrzehnt ihres Lebens nur noch wenig Muse
zum Briefschreiben, geschweige denn zu küchenlateinischen
Scherzepisteln erübrigen konnten.
Umso lebhafter entwickelten sich Hebels Beziehungen
zu Ignaz Heinrich von Wessenberg,
dem Konstanzer Bistumsverweser. Die erste
Bekanntschaft zwischen beiden Männern mag
von Ittner vermittelt worden sein, denn Wessenberg
, der mit Vorliebe seine Ferientage in
seinem „Tusculum", auf dem Gute Feldkirch bei
Staufen verbrachte, stand mit dem von Ittner,
J. G. Jacobi und Heinrich Schreiber verkörperten
Freiburger Literatenkreis in bestem Einvernehmen
. Wirklich nahe ist Hebel Wessenberg allerdings
erst getreten, nachdem beide als Vertreter
ihrer Kirchen, Wessenberg für die katholische,
Hebel für die evangelische, in die Erste Kammer
des badischen Landtages berufen worden
waren. Allein es war nicht nur die gemeinsame
parlamentarische Tätigkeit, die sie zusammenführte
, fester noch verband sie, ungeachtet der,
Verschiedenheit der Konfessionen, eine Wahlverwandtschaft
des Fühlens, Denkens und der
Lebenshaltung. Zudem waren beide Alemannen,
im Schwarzwald herangewachsen, Hebel im
heimatlichen Wiesental, Wessenberg auf dem
großväterlichen Gute Feldkirch im Breisgau.
Ihrem alemannischen Stammestum, Land, Natur
und Leuten fühlten sie sich zeitlebens auf's unmittelbarste
zugehörig. Allerdings offenbarte sich
gerade im Parlament auch die Gegensätzlichkeit
ihrer Naturen. Wessenberg war ein glänzender
Redner, der oft und gern das Wort ergriff, Hebel
entschloß sich dazu nur, wenn die unumgängliche
Notwendigkeit an ihn herantrat; Wessenberg
fühlte sich im politischen Fahrwasser in
seinem Element, und eben dies Politische lag
Hebel ziemlich fern. Hebel mag seinen Freund
um dieser Eigenschaft willen mitunter bewundert
haben; dafür wußte Wessenberg, daß der
Schriftsteller und Dichter Hebel, der stärker im
Volke wurzelte als der adlige Kirchenfürst, ihm
an elementarer Begabung überlegen war. Deswegen
hat sich der Bistumsverwalter mehrfach
an seinen Landtagskollegen und dessen literarische
Erfahrung um Rat gewendet. Hebel beließ
es bei kleinen Änderungen, „unmaßgeblichen
Varianten", wie er betonte, weil „es schwer und
misslich ist, an Geistesprodukten etwas ändern
zu wollen, die so viel Eigentümlichkeit haben,
und unverzeihlich fast, wenn diese so lebendige
Anschauungen der schönen Natur und der Kunstdenkmale
wiedergibt und sich in so tief bewegten
Gefühlen und lebhaft hervorspringenden
Ideen ausspricht." In diesem Falle — es handelte
sich um die 1820 in vermehrter Auflage
erschienenen „Blüten aus Italien" — urteilte
nicht Hebels freundschaftliche Verbindlichkeit,
sondern die richtige Empfindung für den literarischen
und poetischen Wert dieser Dichtungen,
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