Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-03/0009
von St. Gallen eine Schöpfung Peter Thumbs,
auf den bei uns zu Lande neben anderen Gotteshäusern
auch St. Peter und Birnau zurückgehen.
Die Bibliothek in St. Gallen — man könnte von
einem Himmelreich der Bücher sprechen, von
einer mächtigen göttlichen Arzneistube des Geistes
— ist das vollendete Werk einen Siebenundsiebzig
jährigen, der damals in Konstanz wohnte.
Der aus Bezau im Bregenzer Wald stammende,
1681 geborene Vorarlberger Baumeister hatte
zuvor den Bibliothekssaal in St. Peter geschaffen,
wobei er wertvolle Erfahrungen für den Auftrag
in St. Gallen sammelte. Im September 1757 war
unter Abt Cölestin IL, Gugger von Staudach, der
Bau einer Bibliothek, an die Kathedrale angelehnt
, beschlossen worden. Schon 1758 im Herbst
stand-der Rohbau unter Dach, an den dann 1767
die letzte ausschmückende Hand gelegt wurde.

Aus Wesseobrunn, der traditionellen Heimat
zahlreicher bedeutender Stukkateure, so der Familie
Feuchtmayer, kamen die Gebrüder Johann
Georg und Matthias Gigl, aus dem württembergischen
Tomerdingen der Kunstmaler Joseph
Wannenmacher. Dem Kloster gehörte als Bruder
der in Wasserburg am Bodensee gebürtige Kunstschreiner
Gabriel Loser an. Daneben betätigten
sich einige weitere Klosterbrüder ebenfalls als
Schreiner. Als Bildhauer wird Joseph Schwaiger
genannt. Nicht nachzuweisen ist die Mitwirkung
des gefeierten Breisgauer Meisters Christian
Wenzinger, der freilich an der Ausschmückung
der Kathedrale wesentlich beteiligt war.

Es wäre ein müßiges Beginnen, den beseligend
schönen Bibliothekssaal, dieses Kronjuwel
barocker Baukunst, eingehend schildern zu wpl-
len. Man kann Stunden in ihm hin und wieder
wandern — und man sollte das tun, denn hier
verbietet sich jede Flüchtigkeit der Betrachtung,
der es an Hingabe mangelt — und entdeckt immer
noch neue Reize phantasiereicher, zauberhafter
Einzelzüge dieser vollendeten Raumgestaltung
. Ein Spiegelgewölbe mit vier großen
Feldern und je fünf von beiden Seiten einschneidenden
• Stichkappen verleiht dem Saal
transparente Schönheit. Von beiden Flanken
flutet durch je 17 Fenster Licht herein. So bedarf
es keinerlei künstlicher Beleuchtung. Fast
schwebend berührt die Galerie, die mit ihren
starken Bogen und Kurven den Blick fesselt.
Die Deckengemälde erinnern an die ersten ökumenischen
Kirchenversammlungen, Nicäa im
Jahre 325, Konstantinopel (381), Ephesus (431)
und Chalcedon (451). Die Plätze in den seitlichen
Stichkappen sind den Bildern berühmter Kirchenlehrer
vorbehalten: Hieronymus, Augustinus,
Ambrosius, Gregor, Basilius und andere. Zum
Köstlichsten aber, was die große Arzneistube der
Seele in St. Gallen birgt, zählt das Völklein von
zwanzig Putten, die umso origineller berühren,
als der Blick sie suchen muß. Die durchweg nur
spärlich bekleideten kleinen Figuren, ausgesprochene
Rokoko-Schöpfungen, deren ' Meister man
nicht zu ermitteln vermocht hat, wie eifrig auch
seinem Namen und seinen etwaigen Spuren
nachgeforscht worden ist, versinnbildlichen geistige
wie gewerbliche Berufe: der Dichter trägt
einen Lorbeerkranz; der Arzt hält prüfend ein

Der Geograph Foto: Lauterwasser, Überlingen

Uringlas gegen das Licht; der Botaniker steht
bei einem eingekübelten Bäumchen; der Zimmermann
beobachtet das (freilich fehlende) Senkblei
; der Apotheker hantiert an einem Mörser.
Neben dem Glockengießer steht ein Erzeugnis
seines Könnens. Der Geschützgießer stellt selbstbewußt
das Bein auf ein Kanonenrohr. Der
Goldschmied präsentiert einen schön geformten
Becher mit Deckel. Dem Flötisten scheint das
Instrument, das er an den Lippen hielt, bei
einer Erneuerung des Bibliothekssaales, wie er
sie mehrfach, das letzte Mal 1954/55 erfahren
hat, verloren gegangen zu sein. Dem Sänger
sieht man die Inbrunst an,, mit der er seine
Stimme hören lassen möchte. Der Maler hält
Palette und Pinsel in den zierlichen Händchen.
Der Architekt ist mit Zirkel und Plänen dargestellt
. Der Musiker ist gekennzeichnet mit Notenrolle
und Gänsekiel. Den Kaufmann verrät ein
Kontobuch, den Bildhauer der Meißel, den Geograph
der Globus, den Astronom das Fernrohr,
den Mathematiker die Rechentafel, den Orgelbauer
eine Folge von Pfeifen und den Gärtner,
der als einzige Figur einen Hut trägt, ein Blumenstock
. Köstlich, unsagbar köstlich ist diese
Schar entzückend symbolhafter, ausdrucksvoller,
von zartem Humor umschimmerter Repräsen-

7


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-03/0009