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Dr. Robert Feger, Freiburg: ^ ^^01111^ f^fcl VHI (IX)
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mit 5er ©djaufpielerin
Sprecher 1: Im Herbst seines Lebens, im Jahre 1818,
schreibt der Karlsruher Kirchenrat Johann Peter Hebel
einmal den Satz:
Hebel: . . . ich bin sehr glücklich gewesen in der Wahl
meiner Haushälterin und muß ihr gut sein, weil sie fast
jeden Abend nach Tisch zu mir sagt: Verzählen Sie mir
etwas von der Frau, wo ihr Portrait im Zimmer hängt,
das Sie so oft anschauen, von ihrem ehemaligen Schatz..
Sprecherl: Der Kirchenrat Hebel — und ein Schatz, eine
Geliebte ? Ein Schatz, an den er gern zurückdenkt und
von dem er gern erzählt ? Noch lange nachdem der Schatz
zu einem ehemaligen Schatz geworden ? Weiß man den
Namen des Mädchens oder der Frau? Man weiß ihn. Zwar
wird, wenn von Frauen im Umkreis Hebels die Rede ist,
zuerst Gustave Fecht genannt, die Geliebte aus der Lörracher
Zeit, an die er schöne Briefe schrieb und sie im
übrigen ihr Leben lang vergeblich auf die Ehe hoffen ließ.
Man nennt wohl auch in zweiter Linie Sophie Haufe in
Straßburg, an die Hebel ebenfalls viele seiner schönsten
Briefe schrieb und die er in ihrer Familie öfters besuchte.
Die dritte Frau in Hebels Leben wird weniger erwähnt,
obwohl sie noch ein Jahrzehnt nach der ersten Begegnung
mit ihr für Hebel wie für seine Hausgenossen als sein
„ehemaliger Schatz" im Gedächtnis ist und durch Portrait
und Erzählung weiter verehrt wird. Wer ist diese
Frau gewesen ?
Sprecher 2: Eine Schauspielerin namens Henriette Hendel
. Wenigstens hieß sie zu der Zeit, da Hebel und sie sich
kennen lernten, nach ihrem eben verstorbenen Mann
Hendel. Als Tochter eines Schauspielerehepaares anno
1772 geboren, also zwölf Jahre jünger als Hebel. Eine erfolgreiche
Schauspielerin auch: In Berlin hatte sie die
Jungfrau von Orleans in Schillers Drama zum ersten Mal
verkörpert. An vielen anderen Bühnen Deutschlands war
sie ebenfalls schon aufgetreten. Henriette Hendel muß
eine schöne und anziehende Frau gewesen sein. Sie konnte
es sich leisten, im Alleingang sozusagen eine schauspielerische
Besonderheit zu pflegen und damit auf Tournee
zu gehen: Sie bot sich; nach antiken Szenen oder nach
Kunstwerken als lebendes Bild in stummer Pose dem
Publikum dar. Sie deklamierte auch, wobei ihr ein
bezwingender Charme eigen gewesen sein muß. Ein
Charme, dessen begeistertes Opfer auch der Dichter und
Kirchenrat Hebel geworden ist.
Sprecher 1: Man braucht sich darüber nicht verwundern,
denn auch anderen großen Zeitgenossen hat Madame
Hendel-Schütz — den zusätzlichen Namen Schütz erhielt
sie von ihrem vierten Gatten — nachhaltigen Eindruck
gemacht, als Künstlerin und als Frau. Goethe bezeichnet
sie als einen „lieben unvergleichlichen weiblichen Proteus
", öhlenschläger nannte sie „eine Künstlerin, die
ihresgleichen sucht" und Schiller sagte emphatisch von
ihr, sie würde „für alle Zeiten leben". Und noch im Jahre
1880 faßt Joseph Kürschner in der Allgemeinen Deutschen
Biographie das Urteil des Jahrhunderts über die
Schauspielerin Johanne Henriette Rosine Hendel-Schütz,
geborene Schüler, in die entschiedenen Worte zusammen,
daß sie „die größte mimische Künstlerin Deutschlands"
gewesen sei. Johann Peter Hebel hatte also einen berühmten
und wertvollen Schatz an ihr gewonnen — und
verloren. Wie aber, um der Reihe nach zu erzählen,
gewann Hebel Henriette Hendel als Schatz? Wie stets
bei herzbewegenden Ereignissen hat er darüber in Briefen
berichtet; und wie immer auch in jeweils zwei oder
gar drei schnell aufeinanderfolgenden Briefen an verschiedene
Empfänger. So gibt er gewissermaßen die
Expositionen des ganzen Romans, den er in der Folge
mit der Schauspielerin erleben sollte, in je einem Brief
an Frau Haufe und an Freund Hitzig aus der Novembermitte
des Jahres 1808. In dem Brief an Sophie Haufe
lesen wir:
Hebel: Liebe Frau Sophie! Im Grunde ist es mein Glück,
daß sie am Sonntag wieder fortgeht, und daß ich sie
morgen zum letzten Mal sehe, ehe ich mich in sie vernarre
, nämlich die Madame Hendel . . .
Sprecher 1: Was Hebel hier befürchtet, war schon geschehen
: Er hatte sich bereits verliebt. Das beweist der
überstürzte Briefanfang. Es nützt wenig, daß sich Hebel
sogleich zurücknimmt und zunächst vom Karlsruher
Theaterleben allgemein und von den schlechten Erfolgen
des Schauspieldirektors Vogel berichtet. Er kommt doch
bald und gründlich auf das Gastspiel der Madame Hendel
zurück:
Hebel: . . . Wie nun aber die ärgsten Stürme vorüber
waren, und man ergab sich drein, führt des Vogels böser
Geist die Madame Hendel ins Land. Sie kommt vom
Berliner Theater, geht nach Italien, um an den Antiken
Mimik und Tanz, d. h. die Stellung zu studieren und
blieb acht Tage hier. Sie ist eine der vorzüglichsten
Künstlerinnen und in der Figuration und Darstellung
vielleicht einzig. Vogel sah sie nicht gerne in diesem
Augenblick, so sehr er auf gute Einnahmen von ihr rechnen
konnte. Sie spielte viermal bei vollem Theater. Medea
am Sonntag und Donnerstag darauf Ariadne wurden von
ihr auf eine einzige Art behandelt. Der Text schien ihr
nur leitender Faden zu sein, um alle ästhetisch schönen
Attitüden der alten Welt und Kunst zu repräsentieren.
Der Beifall und die Bewunderung derer, die ihr Spiel in
diesem Sinne nahmen, war ungemein. Da sah man freilich
, was Kunst ist, wer es noch nicht wußte . . .
Sprecher 1: Soweit der allgemeine Bericht; er findet sich
im Parallelbrief an Hitzig ähnlich formuliert. Beide
Briefe enthalten aber noch einen Bericht über eine Art
Exklusiv-Vorstellung der Schauspielerin. Der im Brief
an Sophie Haufe gegebene — offenbar ein bis zwei Tage
später geschrieben als der Briefanfang — lautet so:
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