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Otto Ernst Sutter, Gengenbach:
Hebelia alemannica
Lassen Sie sich nicht zu tief in die Botanik ein,
lieber Freund. Sie tut's einem an, wie ein schönes
Mädchen, und man hat keine Ruhe mehr,..
(J. P. Hebel an Friedrich August Nüßlin, 1804)
Sie hat den Schöpfer der „Alemannischen Gedichte
" und des „Rheinländischen Hausfreunds"
wie den eifrigen Brief Schreiber, Johann Peter
Hebel, durchs ganze Leben begleitet, die Liebe
zur Pflanzenwelt. Daß die Beschäftigung mit der
Botanik oft genug auch von seinem köstlichen
Humor umwittert wird, läßt einmal mehr erkennen
, wie nahe die grünenden, blühenden, früchtetragenden
Geschöpfe in Wald, Feld und Gärten
seinem Herzen standen. Auch für die Proteuserei
hat er eine Flora des Belchismus ausgeheckt. Es
gehört übrigens zum Kapitel des „unbekannten
Hebel", daß der Professor am Lyceum der Residenz
zeitweilig auch Naturgeschichts-Unterricht
erteilte.
Aus der ersten Zeit nach der endlich Wahrheit
gewordenen Berufung des Präzeptoratsvikarius
in die Residenz schreibt Hebel an die „Theuerste
Freundin" Gustave Fecht unter dem 28. September
1795: „Für ihr niedliches Geschenk sei Ihnen
viel schöner Dank gesagt. Ich habe es sogleich
meiner Pflanzen-Sammlung einverleibt, und das
aus großer Wertschätzung desselbigen. Denn vor
diese stelle ich mich hin, wenn die Feinde kommen
(es war die Epoche der sogenannten Revolutionskriege
O. E. S.), und lasse mich davor tot
gixen (abstechen), eh ich zugebe, daß sie ein Blatt
daraus wegnehmen. Stellen Sie sich nur vor, ich
habe jetzt bis achthalbhundertlei Pflanzen, jede
in ihrer Blüte zwischen Fließpapier getrocknet,
beisammen und bei jeder den Namen und die
Heimat. Davon sind viele aus Asia, Afrika und
Amerika, die aber hier im botanischen Garten
gezogen werden, und viele vom Belchen, vom
Nonnenmattweiher usw...."
Zum engsten Karlsruher Freundeskreis Johann
Peter Hebels gehörte vor allem auch der Naturwissenschaftler
Karl Christian Gmelin (1762 bis
1837), der „Chrüterma" (Kräutermann) von Badenweiler
, seinem Geburtsort. Ihm hatte der
Dichter vielerlei botanische Auskünfte zu danken
. In der vierbändigen lateinischen Badischen
Flora, die Gmelin herausgab, wird Hebel als
Begleiter des Verfassers auf Exkursionen erwähnt
. Außerdem aber benannte Gmelin zwei
Graslilien - Arten (Anthericum) gewissermaßen
honoris causa Hebelia, alemannica - alemannische,
und colina, Hügel-Hebelie. Freilich vermochten
die Bezeichnungen sich in der botanischen Nomenklatur
nicht zu behaupten.
Als Gefahr bestand, die Franzosen könnten
im Verlauf der von ihnen entfesselten, schon
kurz gestreiften Revolutionskriege den Oberrhein
überschreiten, begab sich der Markgraf
Carl Friedrich von Baden-Durlach an den ihm,
befreundeten und verwandtschaftlich nahestehenden
Hof in Ansbach. Gmelin befand sich in der
Begleitung des Landesherrn. Er brachte die Kostbarkeiten
des markgräflichen Naturalienkabinetts
ebenfalls nach Ansbach. Zwischen den Freunden
im Exil und in der Residenz kam es zu regem
Briefwechsel. Hebel hoffte, Gmelin werde bald
nach Karlsruhe zurückkehren. Am 23. Februar
1796 schrieb er an Gmelin: „Aber diesen Sommer
kommen Sie doch? Es haben sich alle Anemonen
und Veroniken (Veronica-Ehrenpreis) und
Draben (Draba-Felsen- oder auch Hunger-Blümchen
) etc. verschworen,, keine Knospe aufzutun,
bis Sie wieder da seien..." Im November des
gleichen Jahres bestürmt Hebel Gmelin, der
noch immer sich in Ansbach aufhält, endlich an
die Heimkehr zu denken: „Ich sehne mich herzlich
, teurer Freund, Sie und Ihre edle Gattin
wieder zu sehen und frohe Abende bei Ihnen zuzubringen
. Kommen Sie bald, eh* ich gehe. Mich
gelüstet täglich mehr nach einer guten Pfarrei.
Ich habe im Oberland einige Pflanzen gesehen,
die mir noch fehlen (im Herbarium). Seitdem
habe ich keine Ruhe mehr hier. Muß denn absolut
Frieden sein, eh' Sie kommen? ..."
Für Karl Christian Gmelins „vortreffliche"
Flora Badensis, deren Druck sich immer wieder
verzögerte, rührte Hebel schon vor ihrem Erscheinen
eifrig die Trommel. Er feierte sie als ein
„vaterländisches Werk". Und als die vier Bände
endlich zur Auslieferung kamen, schrieb der
Dichter an viele Freunde und Bekannte, er habe
vom Verleger einen erheblichen Vorzugspreis
für die Gmelin'sche Flora zugestanden erhalten
und werde alles daran setzen, diese Vergünstigung
auch für die anderen Liebhaber der Botanik
zu erwirken.
Gerne ließ, wie schon erwähnt, Hebel seinen
immer präsenten Humor auch in Bezug auf die
Botanik spielen, so wenn er an Freunde in Straßburg
schreibt, es gebe neben ihm noch einen
einzigen Botanikus in Karlsruhe, den Kurfürst
(also den bisherigen Markgraf und späteren
Großherzog), „der sich aber nicht selber damit
abgibt, sondern seine Stelle durch den Hofrat
Gmelin versehen läßt". Daran schließt eine besonders
köstliche Betrachtung sich an: „Man
sollte nicht glauben, daß Karlsruhe so wenig
Botaniker habe, da doch die Botanik selber so
begünstigt wird, daß außer den botanischen Gärten
noch mehr als 50erlei Pflanzen des Feldes
auf dem Marktplatz und in allen Gassen wild
wachsen, was sich sonst in großen und volkreichen
Städten nicht wohl ausführen läßt ..."
Es würde sich, so hebt der Dichter noch hervor,
sehr lohnen, dieser Karlsruher Pflanzenwelt
eine besondere, mit Kupferstichen ausgestattete
Flora zu widmen.
Auch unter den 151 gereimten Rätseln Hebels
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