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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-04/0014
parade", der die bekannte Falschbotschaft von
der Ankunft des Kaisers in Straßburg zum Gegenstand
hat, findet nur in der Farce das Ausdrucksmittel
, das der Realität gerecht zu werden
vermag. Ebenso steht sein unveröffentlichtes
Spiel „Das Bildnis der Fujinami" seltsam verfremdet
im Zwielicht zwischen Konkretion und
Abstraktion, eine in fernöstliches Gewand gekleidete
Parabel mit einem echt reinacherischen
Einfall: Die Selbstentmündigung und Selbstzerstörung
durch eine fixe Idee.

Schon der junge Straßburger Lyceist hatte
den Grundsatz aufgestellt und damit seinem
Lebenswerk ein Leitmotiv gegeben, daß jede
Fabel notwendigerweise selbst die Form bestimme
. Typisch für ihn ist auch, daß sich bei ihm
die Grenzen zwischen Erlebnis und Phantasie
verwischen und der von ihm konzipierte Begriff
„Erlebnisphantasie" ihn sein ganzes Leben begleitet
. Er ist auch der Geheimschlüssel zum
Verständnis seiner eigenwilligen, sich durchaus
nicht auf den ersten Blick erschließenden Dichtungen
. Seine „Lebenserinnerungen" sagen das
Endgültige über seinen Lebensweg und die Unerbittlichkeit
seines Ringens aus: Aber auch sie
sind der Öffentlichkeit noch vorenthalten.

Treu blieb ihm — er aber auch ihm — das
Laienspiel, dessen weites, dankbares Feld vor
Jahrzehnten ihm der große Vorkämpfer der
Laienspiel - Bewegung, Rudolf Mirbt, eröffnete
und aus dessen Gefilden er heute nicht mehr
wegzudenken ist.

Bezeichnend für Reinacher ist eine gelegentlich
im Gespräch mit hintergründigem Lächeln
gemachte Bemerkung: „Mein guter Landsmann
Schickele irrte sich wohl nicht, als er zu mir
sagte, daß Paris mir bessere Aussichten geboten
hätte. Aber ich bin eben hierhergekommen und
bleibe auch da!"

Dieses „Da", das ist für ihn der schwäbische
Raum, in den er sich zweimal in seinem Leben
als Flüchtling rettete; das ist für ihn Aichelberg
bei Eßlingen und die Landeshauptstadt, wo er
nun vor Anker gegangen ist. Im Elsaß drüben
heißt der Deutsche ja kurzum „d'r Schwöb", und
darin kommt mehr zum Ausdruck als die bloße
Nachbarschaft, auch mehr als eine Wahlverwandtschaft
. So sehen auch die Schwaben in
dem Elsässer Eduard Reinacher längst einen
Dichter, der zu ihnen gehört.

Hans Matt-Willmatt, Stühlingen:

I.

Der Moosteufel von Hänner, ein
Original vom Hotzenwald

Eine fast sagenhafte Gestalt war der Moosteufel
, der sich im Murgtal, im Reich des Pfaf-
fiensteg-Joggeli, mit Steineklopfen beschäftigte.
Er war ein stämmiger, breitschultriger Mann
und mit seinem Bart eine rechte Rübezahl-Erscheinung
. Er steckte in mächtigen Kanonenstiefeln
, und Hose und Tschoben hatten Generationen
vor ihm einmal bessiere Tage gesehen. An
seiner gewaltigen Uhrkette, die schon mehr
einer vom Grobschmied angefertigten Kette
glich, muß im „Schilletäschle" ein Monstrum von
Uhr gehangen haben, denn man sah, daß die
linke Seite, in der sie steckte, schwer herunterhing
. Uber den Schultern trug er an einem Riemen
eine gefüllte Vespertasche, was man früher
als Brotsack bezeichnete. Der Moosteufel aber
nannte sie „Freßdäsche". Auf dem Kopf trug er
einen mordsgroßen speckigen Schlapphut, der
sicher aus der Zeit der badischen Revolution
stammte und nach seinem Aussehen, er bestand
aus Fetzen und Löchern, stürmische Zeiten hinter
sich hatte. Listige Augen schauten überlegen
aus seinem verwitterten Gesicht, und sein handfester
Stecken hatte zum Draufhauen schon
Generationen überdauert.

Der Moosteufel war aber in seiner gewohnten
Einsamkeit nicht nur Steinklopfer, er war auch
ein leidenschaftlicher Jäger und wußte, wo die

Originale

besten Böcke standen. Das Donnerrohr, einen
alten Vorderlader, hatte er stets griffbereit in
seiner Nähe versteckt. „Wa chan i derfür, wenn
mir die chaibe Böck zulaufe!" soll er gesagt haben
, wenn man darauf anspielte. Sein letztes
Wort war dann: „Halt d( Schnööre, oder. . " und
damit wurden solche Gespräche kurz und bündig
abgebrochen. Mit dem Moosteufel ließ sich
nicht spaßen. Er war vor allem in jüngeren Jahren
ein gefürchteter Haudegen, der, wenn es
ihm gerade drum war, eine volle Wirtsstube
ausräumte. Was nicht rasch genug zur Türe
hinauskam, warf er kurzierhand durch das geschlossene
Fenster hinaus. Wer von seiner Bärenpratze
eine Backpfeife bekam, dem wackelten
die Zähne auf beiden Seiten.

Hellhörig und hellsichtig, wie er gewesen ist,
soll er es vorausgewußt oder sogar gesehen haben
, wenn der Hotzenblitz aus heiterem Himmel
in eine alte strohgedeckte Wälderhütte fuhr. Er
war der Meinung: „Dere alte Chrache dät emol
en warme Rege guet!" oder „Me sött die Chripfe
mit Zündhölzli unterspeere!" Wenn man ihn
nach dem Hotzenblitz frug, sagte er mit tiefer
Stimme, die aus einer anderen Welt zu kommen
schien: „Uf eimol chunnt's, uf eimol isch's do,
uf eimol brennt's, me cha verdaschi nüt defür!"

Von den Bauern, die das Murgtal aus- und
einfuhren und den „Z' Nünikorb" mit vollem
Schlegel unter dem Wagen hängen hatten, bekam
der durstige Moosteufel meist seinen Anteil.
Es gab aber auch solche, die knickerig waren,

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