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ihm nur lässig die Zeit boten und sich auf kein
Schwätzchen mit ihm einließen. Das ärgerte den
sonst freundlichen und gesprächigen Moosteufel.
Er nahm wie David seine totsichere Steinschleuder
und schoß nach der herausschauenden Gut-
tere, bis es Scherben gab; und wenn eines der
Rosse plötzlich hochging oder nach hinten ausschlug
, so hatte ihm der Moosteufiel einen Kieselstein
unter den langen Schweif geschossen.
Kurz vor Dunkelwerden machte er Feierabend
, holte sich ein paar Forellen aus der
Murg, und auf dem Heimweg nahm er noch
einen Hasen mit, wenn ihm gerade einer vor die
Füße lief oder sich im „Strickle" verfangen hatte.
Den Namen Moosteufel hatte er, der eigentlich
Eckert hieß, daher, weil er im sogenannten Moos
bei Hottingien in einem alten Strohhaus wie ein
Einsiedler hauste. Er hatte eine rechtschaffene
Frau, aber sie hielt es nicht bei ihm aus, ging
mit den Kindern fort und ließ ihn allein wirtschaften
. Ging er über Land, klemmte er sich
die Hotzenflinte unter den Arm. Ohne dieses
„Möbel", wie er den altväterlichen Schirm
nannte, unternahm er keine Reise. Fast sein
ganzes Leben lang hat er im Murgtal Steine geklopft
und hat ihm die wilde Murg ihr Lied
gesungen. In seinen alten Tagen verließ er das
Haus im Moos und zog nach Hänner hinunter,
wo er auch sein Leben beschloß. Aber wie alle
die Wälderoriginale lebt der Moosteufel weiter
in den Dörfern auf dem Wald als der Waldgeist
vom Murgtal.
II.
Der Fürst von Herrischried - Stehle
*
Viele Hotzenwaldwanderer haben ihn noch
gekannt, den „Stehli - Fürst", der ein eingefleischter
Junggeselle und in seinem Reich sein
unumschränkter eigener Herr war. Zu seinem
Besitz gehörte ein großer Hof, neben dem ein
kleineres Häuschen, das sogenannte „Liebdig-
hüüsli", stand. Beide waren mit Stroh gedeckt,
das schutzbietend bis zu den Stubenfenstern, auf
der Wetterseite fast bis zum Boden herunter
reichte. Ein Kamin hatte das alte Hotzenhaus
nicht, dafür aber in der rußgeschwärzten Küche
einen Rauchfang, die Hürde, in der die Speckseiten
zum Räuchern aufgehängt wurden. Der
Rauch fand durch die Rauchlöcher im Dach den
Weg ins Freie.
Zu Haus und Hof gehörten umfangreiche Felder
und Wälder, und der Stehli - Fürst, — so
wurde er im Volksmund genannt, denn eigentlich
hieß er Johann Arzner —, schaltete und
waltete, wie es ihm paßte. Er war ein recht
kluger Kopf, ein Sinnierer und Grübler, ein
rechter Bauernphilosoph, der über den Dingen
stand. Außer in seiner unverfälschter Wäldersprache
konnte man sich auch französisch mit
ihm unterhalten. Er ließ sich, wie man so sagt,
nichts weißmachen und nichts vorschreiben, war
zeitlebens konservativ bis auf die Knochen und
freiheitsliebend wie ein rechter Salpeter er.
Für den Fortschritt der Technik und die
Neuerungen, die ihm das Arbeiten einfacher und
das Leben bequemer gemacht hätten, hatte er
nichts übrig. Was er brauchte oder „verheit" war
in Schopf, Stall und Scheune, machte und flickte
er selbst. Dafür hatte ja ein findiger Kopf den
praktischen „Schniedesel" erfunden, auf dem
man basteln und schnefeln konnte. Mit Motorrädern
und anderen „Teufelschärre", mit denen
die Menschen über ddie Straßen fuhren, Krach
machten und dazu noch Gestank verbreiteten,
konnte sich der Stehli-Fürst, der die beschauliche
Ruhe liebte, nicht befreunden.
In der Wälderstube stand ein mächtiger Kachelofen
und daneben die zweistöckige „Chouscht".
Im Herrgottswinkel hing ein altes, aus Lindenholz
geschnittenes Kreuz, hinter dem ein Büschel
Ähren steckte. Als großer Tierfreund hielt sich
der Stehli-Fürst ein paar Kanarienvögel, die ihm
singend Antwort gaben, wenn er ihre Namen
rief. Mit einem leisen Pfiff lockte er seine übrigen
Hausbewohner, die Meerschweinchen, aus
ihren Schlupfwinkeln. Im selbstgebastelten kleinen
Futtertröglein bekamen sie ihr Futter. Einen
saftigen Rübenschnitzel erhielten sie als Extrazugabe
, wenn sie ihm auf sein Locken hin um
die Füße herumwuschelten. Sie waren ganz vertraut
, versuchten, an ihm hochzukrabbeln und
liefen ihm nach durch Stuben und Kammern,
Schopf und Stall. Mit den Kühen unterhielt er
sich wie mit Menschen und sie verstanden ihn
wohl besser als diese. Die täglichen Eierlieferanten
hatten ihr Gätterle unter dem Küchentisch.
Sie waren so zutraulich, daß sie ihm oft auf
Kopf und Schultern flogen, wenn er sie fütterte.
Der Stehli-Fürst besorgte alle Hausarbeit
allein, er kochte für sich und seine Viecher, hat
sich sein Brot gebacken, die Wäsche gewaschen
und geflickt, und trotz aller Haus- und Feldarbeit
fand er immer noch Zeit zum „disch-
geriere". Kam ein „Dunderwetter" über das
Ödland und machte ihm das Heu naß, sagte er
nur: „Des isch it schlimm, de Herrgott, macht's
naß und macht's au wieder trochen!" Der Fürst
hatte Zeit und ließ sich nicht aus der Ruhe
bringen.
Am Werktag, der für ihn Schafftag von morgens
bis abends war, legte er keinen besonderen
Wert auf sein Äußeres. Doch am Sonntag stieg
er in den hölzernen Brunnentrog, der im Brunnenschopf
stand und nahm ein Bad. Dann zog
er frische Wäsche an, bürstete seinen stolzen
schwarzen Schnurrbart, setzte sein kleines Hütchen
auf und ging der sonntäglichen Hausarbeit
nach.
Eines Tages nahm der hartgesottene Junggeselle
eine weibliche Hilfe auf. Es war die
Theres, die Tochter vom „Moosteufel". Während
des letzten Krieges ist der Fürst so bescheiden
und still, wie er gelebt hatte, heimgegangen. Die
Hotzenwald- und Naturfreunde, die lange Jahre
seine Nachbarn waren, denken gern an vergangene
Zeiten und den originellen Stehli-Fürst
in Herrischried-Stehle zurück.
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