http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-04/0018
frisches Ei hinauf und so wiederholte sich jedes
Jahr dieser Brauch.
Anschließend an das Wohnhaus kam der Futtergang
, dann der kleine Stall für Kuh und
Geißen und schließlich das Tenn. Am unteren
Ende des Hauses befand sich ein Holzschopf, diem
sich der Krautgarten anschloß.
Und heute ist alles nicht mehr. Die Jahre sind
darüber hinweggegangen und mit ihnen die Zeit,
die mit sanften Händen alles zugedeckt, was
einst auf dem Nollien oben gestanden hat. Was
Otto Ernst Sutter, Gengenbach:
Die Habichtskräuter, botanisch Hieracien,
gönnen den Botanikern keine Ruhe — es läßt
sich füglich bezweifeln, ob sich je alle ihre Arten
registrieren lassen werden. Sie zählen zu den
formenreichsten und, wie man zu sagen pfliegt,
kritischsten Gattungen, allenfalls noch von Ru-
bus, der zu den Rosengewächsen gehörenden
Brombeere, in der unübersehbaren Vielfalt der
Erscheinungen, erneicht.
Karl Hermann Zahn, Karlsruhe, eine Kapazität
der Pflanzenkunde am Oberrhein, der in
Hegi's „Illustrierter Flora von Mitteleuropa" die
Kompositen-Gattung Hieracium bearbeitet hat,
sah den „ungewöhnlichen Reiz der Beschäftigung
mit den Hieracien darin, daß sie ein Studium
der Morphologie, also der Gestalt, wie eine
phylodeltische (stammesgeschichtliche) Betrachtungsweise
verlangt." Die Gattung befindet sich
gewissermaßen noch im Fluß, hat ihre Entwicklung
nicht restlos abgeschlossen, hat darum für
den Forscher immer noch neue Beobachtungsfunde
in petto. Von zeitgenössischen Botanikern
hat sich vor allem Professor Dr. Alfred Kraiss
in Frieiburg durch seine umfassenden Hieracien-
Studien hohe Anerkennung erworben. Er veröffentlicht
soeben in dem jüngsten, reichhaltigen,
über 250 Seiten aufweisenden Heft der „Mitteilungen
des Badischen Landesvereins für Naturkunde
und Naturschutz" (Freiburg, Gerberau 32)
eine ungemein große Liste von Hieracium-Arten
aus dem südlichen Schwarzwald und dem Oberrheintal
, die verrät, was für ein hervorragendes
Gebiet diese Landschaften für das Studium der
Habichtskräuter darstellen. Dankbar ist der
Pflanzenliebhaber für das von Kraiss seinem
Beitrag eingefügte Kapitel historischer Pflanzengeographie
, in dem er einen Überblick über
die heimischen Habichtskräuter, also der Hieracien
, des badischen Oberlandes darbietet. Daß
er in diesem Zusammenhang u. a. auch die vortreffliche
Darstellung der Pflanzenwelt der subalpinen
Höhen des Schwarzwalds durch das Ehepaar
Ernst und Maria Litzelmann in Höllstein
(Tal der Wiese) rühmend hervorhebt, ist sehr
begrüßenswert.
Der Name Habichtskraut ist von der wissenschaftlichen
Bezeichnung Hieracium abgeleitet.
Das Wort geht auf das griechische Hierax =
Habicht zurück. Plinius erzählt in seinen naturgeschichtlichen
Werken von einer Sage, derzu-
könnte es uns alles erzählen, jenes Haus; aus den
Zeiten der Reformation, von den Wirrnissen des
schrecklichen Dreißigjährigen Krieges und der
nachfolgenden Franzosenkriege oder den Gefechten
während der Revolution von 1848. Das alte
Heidenhaus hat vieles erlebt in seiner langen
Lebenszeit und ist jetzt selber Geschichte geworden
. Aber der Brunnen raunt noch immer von
damals, man muß ihn nur verstehen, dann kann
man so mancherlei wundersame Dinge hören von
den alten Zeiten . . .
folge der Saft des Krautes, das lebhaft milcht,
die Augen des Habichts schärft. Andere Autoren
führen die Namensgebung darauf zurück, daß
Hieracium angeblich nur auf hohen Felsen wachsen
soll und deshalb nur den Habichten erreichbar
sei! Diese Deutungen sind freilich nur aus
den mythologisch anmutenden Vorstellungen des
Altertums erklärbar.
Ersparen wir uns, etwa bei Hegi nachzuzählen
, wieviel Arten er nennt — es sind mehrere
hundert. Sie voneinander zu unterscheiden, verursacht
selbst geschärftem Fachwissen Mühe. Wie
schon angedeutet, gehört ein jahrelanges Spezial-
studium dazu, sich in dem Wust von Arten,
Unterarten, Varietäten und Formen nur einigermaßen
zurechtzufinden. Für unseren Landschaftsbereich
kommt vorherrschend die Untergattung
Pilosella — pilosus = Haar; pillosellus
= fein behaart — neben Euhieracium in Frage.
Die in der Tat stark behaarten Blätter der Arten
von Pilosella tragen ihr auch den Namen Mausöhrlein
ein, eine Benennung, die sich vielerorts
volkstümlicher Geltung erfreut. Indessen heißt
Hieracium Pilosella auch „Natter-(Noder)kraut",
womit auf die Ausläufer der Pflanze angespielt
wird, „Augenwurz" (als „Sympathiemittel" für
Augenerkrankungen), schwerer oder überhaupt
nicht erklärbar „Dukatenröschen" (Thüringen),
„Nagelkraut" (Rheinland). Das „Milchblüemli"
aber erinnert an die stark milchenden Stengel.
Hieracium Pilosella ist ein ausgesprochener
Trockenheits- und Magerkeitsanzeiger, der auch
dürre Sandheiden in Kauf nimmt. Nährwert hat
das Gewächs keinen. Die Volksarzenei indessen
mißt ihm hohen Wert bei. Tee aus der getrockneten
Pflanze wird beinahe als Allerweltsheil-
mittel geschätzt und verordnet gegen Halserkrankungen
, Bronchialkatarrh, Diarrhöe, Würmer,
Blutverlust, Wassersucht, Augenleiden und manches
andere. Gegen die „Schweine", das „Schwinden
", gemeint ist die Muskelatrophie, empfiehlt
das „Albertus Magnus Büchlein" dieses Rezept:
„Für die Schwendung an Mensch und Vieh grab
Mausöhrlein am St. Johannistag (24. Juni), häng
das Kraut samt der Wurzel an den Hals." Zu den
liebenswertesten Fähigkeiten der Hieracien abe?
gehört, daß sie bis in den späten Herbst hinein
mit ihren niedlichen, gelben Blütenscheiben der
Sonne ihre Reverenz erweisen!
L^abidjtöftäutet: unb hin Önb'
Eine kritische Pflanzengattung
16
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-04/0018