Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-05/0006
auf dem Fußweg über Mauchen ist es eine Viertelstunde
näher, so ging er, um auf dem langen Weg eine Viertelstunde
zu ersparen, über Mauchen.

Hebel kennt sich in der Gegend aus, das merkt man.

Zweimal also spricht Hebel in seinem Werk von Müllheim
. Aber er meint nicht den Ort, nicht das Dorf
Müllheim. Er meint die Post. Das ist die Posthalterei mit
Wirtschaft an der Bundesstraße 1 von Basel nach Frankfurt
, der jetzigen Bundesstraße 3; die spätere Alte Post,
nach der die Alte-Post-Straße in Müllheim benannt ist,
das heutige Euromotel. Hier wurden zu Hebels Zeiten
die Pferde gewechselt. Hier konnten die Reisenden ihre
in der Postkutsche durchgeschüttelten Knochen ordnen
und sich bei Speis und Trank für die auf sie wartenden
Strapazen stärken. Wenn Hebel von Karlsruhe, seiner
Wirkungsstätte, in seine Heimat fuhr, das Wiesental,
dann aß er in der Post in Müllheim zum letztenmal zu
Mittag. Und umgekehrt, kam er aus den Ferien, von
Lörrach oder Basel, wo er die Kutsche bestiegen hatte,
so fing in Müllheim der Magen zu knurren an, und man
nahm erst einmal etwas zu sich. Denn man reiste
gemächlich in jenen Tagen.

*

Die erwähnten Stellen sind aber nicht alles, was
Hebel über Müllheim geschrieben hat. Wer sich die Mühe
macht, Hebels Briefe durchzulesen, etwa in der schönen,
von Wilhelm Zentner herausgegebenen Gesamtausgabe
(Verlag C. F. Müller, Karlsruhe), der stellt fest, daß Müllheim
darin 15mal vorkommt; nicht gerechnet die Anschriften
. Die Erwähnungen, nie an wichtiger Stelle, nur
immer so nebenher, reichen vom Jahre 1796, als Hebel
36 Jahre alt war, bis 1824, zwei Jahre vor seinem Tode,
über einen Zeitraum von 28 Jahren. Wir wollen sie näher
ansehen.

Bleiben wir zunächst einmal bei der Post an der
Landstraße.

Wir erfahren, daß Hebel im April 1799 dort ein Mittagessen
einnahm. Er schrieb Ende April an Gustave
Fecht, seine Freundin in Weil: In Müllheim, wo ich
über Mittag war, erblickte ich Ihren guten H. Onkel,
der eben über die Matten kam von einigen Männern
begleitet um vermutlich einen Spatzirgang zu machen.
Ich sprang geschwind vom Essen hinaus, um ihn zu
begrüßen, worauf derselbe mit mir in das Wirthshaus
gieng, und bis zu meiner Fortreise bey mir blieb. Ich
kann Ihnen nicht sagen, wie angenehm mir dieses war.
Der gute Herr Onkel, das war ein Bruder von Gustaves
Mutter aus der Familie Kißling. Hebel hatte sich wohl
einen guten Fensterplatz gesichert, daß er den Herrn
so bald entdeckte.

Am 5. November 1802 reimte er für Karl August
Gysser, Rechnungsrat bei der Schätzungskommission in
Müllheim und nebenbei Amateurdichter: Ihr trinket
urig Poesie in lange Züge, z'Müllen an der Post. Tausig
Sappermost, isch sei nit e chospire Wi! Die Verse kommen
holpernd daher. Sie klingen wie eine Vorübung
zur ersten Strophe von Der Schwarzwälder im Breisgau.
Auch ist die Rechtschreibung nicht so ausgefeilt wie in
der endgültigen Fassung (vgl. sei, Wi). In der Tat schrieb
Hebel im Jahre 1802 den größten Teil seiner alemannischen
Gedichte, und er arbeitete sie immer wieder um,
bis sie ihm endlich gefielen. 1803 erschienen sie im Verlag
Macklott in Karlsruhe. Mit den zitierten Zeilen tun
wir einen Blick in des Dichters Werkstatt.

Wieder ist es der Wein, den Hebel erwähnt. Er muß
ihm gemundet haben* Vom Essen in der Post schreibt
Hebel nichts. Es war wohl nicht erwähnenswert. Aber
der Wein hat es ihm angetan. Ob es Müllheimer Wein
war? Pfaffenstückle, Schafweg, Nüßle? Wir wissen es
nicht. Nur das ist sicher: wenn Hebel an Müllheim
dachte, fiel ihm zunächst die Post ein (1799 an Gustave
Fecht, 1802 in den Versen, 1808 in der Erzählung, 1810
an Henriette Hendel); und wenn er an die Post dachte,
dann schmeckte er den Wein, den er dort getrunken
hatte.

Noch einmal erinnerte sich Hebel der Post in Müllheim
: Am 20. Januar 1810 schrieb er an Henriette Hendel
, die Schauspielerin, die 1808 in Karlsruhe des Dichters
Herz erobert hatte, für die er schwärmte, die er
zur Schwiegermutter des Adjunkten im Rheinländischen
Hausfreund machte und der das Schatzkästlein
des Rheinischen Hausfreundes gewidmet ist: Ich führe
Sie nach Freyburg in die Stadt, nach Müllheim an die
Post, und wie der Teufel den Heiland auf einen (nicht)
hohen Berg, zeige Ihnen alle Kirchtürme des Wiesenthals
und seine Herrlichkeit, und falle nieder, ich vor Ihnen,
und bete Sie an. Das biblische Bild enthüllt mehr, als es
verhüllt. Viel von der Leidenschaft des Fünfzigjährigen
für die um zwölf Jahre jüngere umschwärmte Künstlerin
spricht aus diesen Zeilen. Hebel lehrte sie die Aussprache
der Mundart, sie rezitierte die alemannischen Gedichte,
und sie spielte einmal auf ihr freundschaftliches Verhältnis
an, als sie bei einer öffentlichen Deklamation von
Hebels Gedichten, mit einem spitzbübischen Blick auf
den Kirchenrat in der vordersten Reihe, eine kleine
Änderung vornahm: Ime chleine Huus wandlet ii und
uus, gell, de meinsch, i sag der, wer? 's isch kei Sie, es
isch en Er, ime chleine Huus.

Schon in Der Schwarzwälder im Breisgau findet
sich Müllheim, genauer: die Post in Müllheim, in eindrucksvoller
Umgebung: Schloß Bürgeln, Staufen, die
Stadt Freiburg. In dem Brief an Henriette Hendel wird
es verklärt: Müllheim steht zwischen Freiburg, der
Stadt, und den Herrlichkeiten des Wiesentals. Das sind
also, meint Hebel, im Südwesten die drei ausgezeichneten
Punkte, die man guten Freunden zeigt, die man
gesehen haben muß: Freiburg, wo Hebel sich um eine
Pfarrstelle beworben hatte und wo er gern seinen
Lebensabend beschlossen hätte; die Post in Müllheim
mit einem Essen, das Viertele dazu (oder zwei) nicht zu
vergessen; und das geliebte Wiesental, seine Heimat.
Wirklich, mehr konnte die Posthalterei in Müllheim
nicht verlangen, und sie hat das für die Werbung kräftig
herausgestellt.

So viel über die Post an der Landstraße.

Vom Dorf Müllheim wußte Hebel nichts zu schreiben.
Ihm ist darin nichts aufgefallen. Nur einmal in seinen
Briefen gab er einen Eindruck wieder. An Karl Christian
Gmelin, seinen Kollegen am Gymnasium, der in Badenweiler
geboren wurde und in Müllheim die Lateinschule
besucht hatte, berichtete er am 6. November 1796':
Auggen und Müllheim hatten von der Straße herauf bis
in die Mitte beider Dörfer beträchtlich gelitten. Worum
geht es? Ende 1796 mußte sich die Armee des französischen
Generals Moreau vor den nachdrängenden Österreichern
zurückziehen. Unter Plündern und Zerstören
wälzte sich das Heer in Richtung Hüningen, wo eine
Notbrücke errichtet wurde. Am 25. Oktober gingen die
Franzosen über den Rhein. Aber die Österreicher, die

4


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-05/0006