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Der Name Straßburg ist eine Verpflichtung,
nicht für Revanche, Nationalismus oder Separatismus
; er sollte das Symbol für Völkerverständigung
, Toleranz und Freundschaft sein. Wir
möchten in der Verleihung des Hebelpreises an
Professor Dr. Lefftz einen Fortschritt in der
Duldsamkeit gegenüber stammeseigener Bräuche
und Sprache sehen; eine Hoffnung, daß sich
Verständigung und Freundschaft zwischen den
beiden Ufern festigen und zur tragfähigen Brücke
werden. „Ich heiße euch hoffen .."
I
Annerose Frenzel, Neuenburg:
Der diesjährige Hebelpreis ging turnusmäßig
ins Elsaß und wurde Professor Dr. Lefftz zugesprochen
. Daß dies so geschehen konnte, wird
alle Kenner der Materie mit tiefer Freude erfüllt
haben, zeigt es doch, daß der Gedanke der völkerverbindenden
Kraft des Alemannentums langsam
an Boden gewinnt. Man hat den Eindruck, als
erstarke nun verheißend das Europa der Volksgruppen
(rEurope des Ethnies) im Bewußtsein
der Völker.
Die natürliche Dreifach-Klammer, mit der
das Alemannentum im Dreiländereck die drei
Grundpfeiler Europas: Deutschland, Frankreich
und Italien über die Schweiz zusammenhält, muß
deshalb gepflegt und gestärkt werden.
So steht der diesjährige Hebelpreis für Josef
Lefftz da wie ein Wegzeichen für eine neue
Europa-Straße, auf der die Pflege der ange--
stammten Art nicht mehr die Pflichten der gegebenen
Staatszugehörigkeit verletzt.
Dieser Gedanke findet sich auch in R. Cartiers
Buch „19 mal Europa." Der Verfasser, der sich
durch seine Unabhängigkeit gegenüber eingewurzelten
Vorurteilen einen Namen gemacht hat,
sieht das Elsaß wie es ist. Für ihn ist die Sprachgrenze
dieselbe wie vor tausend Jahren, der
Dialekt, den man in Hagenau oder Colmar hört,
deutsch, und das Französische, wenn es dort
gesprochen wird, ein Französisch mit deutschem
Akzent. „In einem nicht mehr zerrissenem, sondern
befriedetem, vereinigtem Europa könnte sich
dieses Land wieder ganz auf seine Eigenart besinnen
und sein eigenes Leben führen, das weder
ganz deutsch noch ganz französisch ist. Solange
der unbarmherzige Streit der Nationalitäten in
Europa wütete, wurden festgefügte Vaterländer
gefordert. Ein förderiertes Europa wird keine so
straffen Bande mehr benötigen und eine weitestgehende
Entfaltung des Volkscharakters ermöglichen
."
Zu Cartiers „nicht ganz deutsch" muß auch
eine Eigenschaft des Elsässischen gerechnet werden
, die Joseph Lefftz neben seinen hohen Verdiensten
als Volkskundler — wie mir scheint —
ganz besonders zum Träger des Hebelpreises
prädestinierte. Ich meine seine (noch bodenständige
) Fähigkeit, seinen Stoff mit einem bei uns
großenteils erstorbenem Wortschatz viel mehr
über Herz und Gemüt als über den Verstand
seinen Lesern nahe zu bringen.
Abgeriegelt durch die Sprachgrenze im Westen
und die politische im Osten bildeten das
Elsaß und Lothringen geradezu ein Staubecken
altertümlichen Sprachgutes und Brauchtums.
Neue Lieder hatten in den deutschen Ländern
den schönen, alten Volksgesang in die Randgebiete
abgedrängt, wo er als hartnäckig bewahrtes
Erbe weiterlebte — noch die Mutter unseres
Preisträgers führte ihr handgeschriebenes Liederbuch
! Ihr Sohn geht nun als der Vollender der
elsässischen Volksliedersammlung in die Literaturgeschichte
ein. Ihm ist als dem letzten in einer
langen Reihe von elsässischen Liedersammlern
nach einem aufopferndem Forscherleben im
hohen Alter das Glück zuteil geworden, das
5-bändige Werk herausgeben zu können. Schon
der erste Band hatte als ein Denkmal sangesfroher
Vergangenheit wider Erwarten in breitesten
Volksschichten großen Erfolg. Die erstaunlich
hohe Zahl von elsässischen Subskribenten spricht
eine beredte Sprache. In de? Dankansprache nach
der Verleihung des Hebelpreises konnte Prof.
Dr. Lefftz berichten, wie seine Treue zum Werk
in jahrzehntelangem Wirken in allen Schichten
der Bevölkerung Gegentreue geweckt habe.
Selbst in Kleinstädten sind heute Volksliederabende
sehr gut besucht. Doch hören wir ihn
einmal selbst, wie er, sichtlich tief bewegt in
Hausen zur Festversammlung sprach: „Es gab
im Wandel unserer Grenzlandgeschichte üble
Nachkriegswehen und dürre Zeiten, wo der geistige
Grundwasserspiegel im Elsaß bedenklich
tief absank. Da mußte die Heimatforschung der
seelischen Verkümmerung und der inneren Leere
entgegenarbeiten, da hatte es wenig Zweck,
trockene, überspitzte Gelehrsamkeit falb und
duftlos wie in einem Herbarium aufzusammeln.
Da mußten sprudelnde Gesundbrunnen der Heimatliebe
und Heimatfreudigkeit gegraben werden
, da mußte labendes Wasser gehortet werden
zum Überstehen der großen Dürre, um Kraft und
Saft zu neuem Wachstum zu gewinnen."
Welcher andere deutsche Gelehrte bediente
sich heute zur Schilderung seines Wirkens des
Wortschatzes aus der bäuerlichen Bewässerungstechnik
? Wir hören von „bedenklich abgesunkenem
geistigen Grundwasserspiegel", von „labendem
Wasser, das gehortet werden muß, um die
Dürr zu überstehen", vom „Graben sprudelnder
Gesundbrunnen der Heimatliebe." Das sind Töne,
die bei uns verstummt sind. Wie verarmt unser
Gegenwarts-Deutsch ist, hören wir an der Prosa,
die Joseph Lefftz schreibt. Wer unter uns bringt
es heute noch fertig, das Wort „niedlich" anders
als in kindertümlichem Zusammenhang zu gebrauchen
? Er kann es, weil seine Sprache noch
ganz fest im Muttersprach-Boden verwurzelt ist.
Aus seinem wohl schönsten Werk „Die Brunnen
im Elsaß" mögen einige Abschnitte einen Eindruck
von der anschaulichen Innigkeit seiner
Sprache geben:
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