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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-06/0005
„Geheimnisvoll steigt aus dem Mutterboden
in den Brunnen und Brünnlein etwas Entzückendes
auf, das sich nicht dem ersten Blick
hingibt, aber dafür auch dem zehnten noch ruhig
standhält." — „Brunnen sind wie alte Leute. Sie
wissen viel und gemütvoll zu erzählen, aber nur
langsam offenbaren sie in traumhafter Versonnenheit
ihr reiches Erleben wie eine große Schau
von innen heraus." — Und weiter: „Es entsteht
eine strömende Berührung mit dem atmenden
Mutterboden, den der Mensch wie die Pflanze
als Lebensgrundlage benötigt. Unsichtbares offenbart
sich da geheimnisvoll im sichtbaren Bilde
und weckt eine merkwürdige Freude und Behaglichkeit
." Dies ist die geschmeidige, empfindsame
Sprache unserer Romantiker und zugleich lebendigstes
Gegenwartsdeutsch. Doch lesen wir noch
eine letzte Probe aus den „Brunnen im Elsaß".
Hier steht gegen das Ende das Wort „niedlich",
man schmecke es da einmal in seinem Zusammenhang
rundherum ab — welch eine Fülle von
Duft und Farbe — nichts Rosa-Niedliches ist zu
erspüren!

„Muntere Laufbrünnlein und hie und da auch
einfach gefaßte Wasserlöcher und Zisternen laden
allenthalben zu kühler Rast und Labung. Mensch
und Vieh stillen sie an Weg und Steg das Durstverlangen
. Samt und sonders sind sie köstliche
Beispiele von Geschick und Sparsamkeit ländlicher
Gebrauchsanlagen. Oft sind die Quellwasser-
iöcher nur mit Steinplatten überdeckt oder mit
Brettern umjgeben, oft sind niedliche Brunnenstuben
und Brunnenhäuslein errichtet, welche
die Quellfassungen schützen, die rinnenden Wässerlein
sammeln und die Röhrenleitung speisen."

In diesen Tiextproben wird dem Lesenden
beglückend offenbar, daß hier ein Meister der
Sprache am Werke ist, der, wie Hebel, aus der
urwüchsigen Ganzheit, aus der seelischen Mutterschoß
-Wärme seine Kraft bezieht. Man beachte
einmal die selbstverständliche Sicherheit, mit
der in diesen Texten Wasser als Fließendes, Verbindendes
, Befruchtendes immer auch die Symbolkraft
des Geistigen in sich trägt und überzeugend
durchklingen läßt.

Ein Land, in dem solche Sprache lebendig ist,
hat Gesundbrunnenkräfte für ganz Europa zu
geben, wenn man sie zu empfangen und zu
nutzen weiß!

So steht nun unser Hebelpreisträger vor uns:
klein, gedrungen, ein versonnener elsässischer
Bauernsohn, der Rutengänger Joseph Lefftz, der
mit seinem Bauern-Spürsinn die verschütteten
Quellen und die mit den steinernen Deckeln des
Hasses versiegelten Brunnen seines elsässischen
Volkstums auffand und freilegte. Dem brunnengrabenden
Volkskundler, der still und treu seinen
Weg ging, trotz aller Widerstände, ihm gilt
unser Gruß.

II

Regierungspräsident Dichtel, Freiburg:

Liebe Hebelfreunde!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Vielfältig und bunt ist die Palette der Ereignisse
, an denen ich als Regierungspräsident teilnehme
. Eines der schönsten Feste ist jedoch das

Hebelfest im Wonnemonat Mai. Bitte verzeihen
Sie, wenn ich dies so offen und persönlich sage.
Ich berufe mich auf keinen geringeren als denjenigen
, dessen Geburtstag wir heute feiern,
nämlich auf Johann Peter Hebel. Er hat gesprochen
, wie es ihm um's Herz war. Hochtrabende
Worte waren ihm verhaßt. Er sprach zu allen wie
von Freund zu Freund. Ich sage Ihnen daher
schlicht und einfach, ich freue mich, daß ich
heute als Hebelfreund unter Hebelfreunden sein
darf. Ich bin dankbar, daß die im letzten Jahr
ausgesprochene Verlängerung meiner Amtszeit
um ein Jahr mich in die Lage versetzt, heute im
Auftrag des Herrn Kultusministers einen Hebelpreisträger
zu ehren. Eine besondere Freude ist
es mir, daß dies ein Mann aus dem benachbarten
Elsaß ist.

Es ist mir immer ein besonderes Anliegen
gewesen, zu den Menschen unserer Nachbarländer
ein freundschaftliches Verhältnis zu pflegen.
Besonders trifft dies auf das Elsaß zu. Hat doch
gerade dieses Land durch die nicht immer freundlichen
Begegnungen der beiden benachbarten
Nationen schwer zu leiden gehabt. Wenn sich in
der Geschichte zwar nichts rückgängig machen
läßt, so kann man aber doch daraus lernen und es
künftig besser machen. Der Geist Hebels hilft
uns dabei. Hebel war keine Persönlichkeit, an
der sich die Geister schieden. In seinem Zeichen
fanden sie zueinander. Ihm war gegeben, Brük-
ken von Mensch zu Mensch zu schlagen, zu einen
und nicht zu trennen, zu versöhnen und nicht zu
entzweien. Als hervorragender Sohn des alemannischen
Volkes weist er mit seinem Wesen auf
eine Möglichkeit, vielleicht eine Aufgabe des alemannischen
Volkstums hin, die Nationen zu verbinden
. Es ist daher nicht von ungefähr, daß die
ersten Anfänge europäischer Einigungsbestrebungen
in Straßburg ihr Zentrum gefunden
haben. Die alemannische Wesensart, die in Hebel
ihren beredten Ausdruck fand, kann in diesen
Bestrebungen dank ihres über die Grenzen reichenden
Volkstums zu einem fundamentalen
Baustein werden. Voraussetzung dafür ist, daß
dieses Volkstum lebendig bleibt.

Ich darf heute einen Mann ehren, der sich um
das alemannische Brauchtum im Elsaß besonders
verdient gemacht hat. Dem Vorschlag des Preisgerichts
folgend hat der Herr Kultusminister
entschieden, den Hebelpreis an Herrn Professor
Dr. Joseph Lefftz aus Straßburg zu verleihen.

Herr Prof. Lefftz, ich darf Ihnen heute dafür
danken, daß Sie dieses alemannische Brauchtum
aufgezeichnet und gepflegt haben. Mit dieser
Pflege eines bodenständigen und somit echten
Kulturgutes legen Sie nicht nur ein Bekenntnis
zu Ihrer Heimat ab, sondern tragen auch ein
Erbe weiter, das die alemannischen Menschen
ungeachtet aller Grenzen verbindet.

Wenn man Ihr Leben und Ihr Werk betrachtet
, so fallen gleich mehrere deutliche Parallelen
zu Hebel auf.

Auch Sie stammen aus der Landbevölkerung.
Sie kommen sozusagen unmittelbar aus dem Urgestein
eines gesunden, erdverbundenen Volkstums
. Sie sind zu höchstem Lehramt in der
Hauptstadt Ihrer Heimat gelangt. Wie Hebel sind

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