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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-06/0007
helfen. Es gab leider Zeiten geistiger Verdüste-
rung und engherziger Verwirrung. Da war es,
weiß Gott, nicht immer leicht, in unbeirrbar auf
Wahrheit und Recht gerichtetem Kurs das Lebensschiff
glückhaft zu steuern, reich beladen
mit Früchten heimatlieber Arbeit, trotz allem!

Da nach Hebels Wunsch, so wie er in seinem
Testament niedergelegt ist, alljährlich an seinem
Geburtstag die Alten sich hier in seinem Heimatsort
gemütlich zusammenfinden und seiner
gedenken sollen, darf ich wohl als alter Mann
und Preisträger seines Namens am heutigen
Festtag auch seiner gedenken. Da schweifen
meine Gedanken zurück in die Jugendzeit und
bleiben an dem entscheidenden Moment meines
Lebens haften. Das war um 1909, als ich im
Straßburger germanistischen Seminar von Professor
Ernst Martin, dem Herausgeber des Wörterbuchs
der elsässischen Mundarten, die Wegweisung
in das Volkstümliche von Hebels, Alemannischen
Gedichten und Hausfreund-Erzählungen
erhielt. Noch besitze ich einige Blätter
jener Seminararbeit, in der ich als mutiger Anfänger
schier unergründliche Geheimnisse von
Hebels Volksdichtungskunst ausschöpfen wollte.
Darüber habe ich oft gelächelt, aber auch herzhaft
gelacht, z. B. beim Lesen humoirvoller
Euphemismen wie: „Die drei Diebe stahlen nicht,
sie kauften nur auf dem Markte am wohlfeilsten
ein" und „Der Zundelfrieder hat bloß von einem
Unbekannten einen Mantel geliehen und unterwegs
eine Uhr an einem Nagel gefunden." Zumeist
verweilte ich aber, ehrfürchtig nachsinnend
, bei dem, was nicht geschrieben stand, aber
mir damals aufdämmerte und in den vergilbten
Blättern spürbar und vernehmbar ist wie der
Herzschlag eines Vögeleins, wenn man es zärtlich
in der Hand hält. Da ist zwischen den Zeilen
unsichtbar zu entnehmen, ein: „Daher komme
ifch, auch das bin ich!"

Was konnte es damals für einen jungen Menschen
Schöneres und Größeres geben, als auf
Hebels Wegspuren der Findung der Lebensaufgabe
nahe zu rücken? Seit jenen tiefreichenden
Hebelanregungen ließ mich die Freude am Volkstümlichen
und Heimatlich-Volkhaften zeitlebens
nicht mehr) los und trieb mich auf die Suche nach
unserem innersten, stammestümlichen Sein. Aus
solcher Eigenständigkeit und Wesensbeizogenheit
erwuchs dann 1912 meine Doktorarbeit über den
volkstümlichen Satirenstil Thomas Murners, deren
Hauptergebnis eine bis heute anerkannte
Ehrenrettung meines viel geschmähten Oberehn-
heimer Landsmanns war. Der wissenschaftliche
Erfolg dieser Erstlingsschrift bewirkte meine Berufung
aus dem Schuldienst in den Dienst der
Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg.
Die Gelehntenlaufbahn war mir damit zugewiesen
und erschlossen, und die Lebensaufgabe hatte
bereits ihre volkstumverbundene Festigung erfahren
; ein unwiderstehlicher Drang trieb mich
fortan zur' Heimatforschung. Einseitigem, enggeschnürtem
Spezialistentum war ich schon damals
abgeneigt.

Mir lag am Herzen, alle Gebiete elsässischen
Volksbrauchtums und elsässischer Kultur- und
Geistesgeschichte zu durchleuchten und in ihrer

inneren Einheit und Eigenständigkeit zu erfassen
. Es gab im Wandel unserer Grenzlandgeschichte
üble Kriegsnachwehen und dürre Zeiten
, wo der geistige Grundwasserspiegel im Elsaß
bedenklich tief absank. Da mußte die Heimatforschung
der seelischen Verkümmerung und der
inneren Leere entgegenarbeiten, da hatte es
wenig Zweck, trockene, überspitzte Gelehrsamkeit
falb und duftlos wie in einem Herbarium
aufzusammeln. Da mußten sprudelnde Gesundbrunnen
der Heimatliebe und Heimatfreudigkeit
gegraben werden, da mußte labendes Wasser
gehortet werden zum Überstehen der großen
Dürre, um Kraft und Saft zu neuem Wachstum
zu gewinnen.

Breitenwirkimg unter Wahrung unbestechlicher
Wissenschaftlichkeit war das Gebot der
Stunde. Es mußten Brücken von den Herzeh der
Gebenden zu den Herzen der Empfangenden
geschlagen werden, wie es Joh. Peter Hebel in
vorbildlicher Weise tat. Dabei mußten Geist und
Herz, Verstand und Gemüt zu einer natürlichen
Einheit zusammengeschlossen werden. Es war
keine leichte Sache, und wir wurden bei diesen
regionalen Bestrebungen von den zentralisierten
und zentralisierenden Behörden nicht unterstützt.
Mut gab uns immer das Goethewort vom „unschätzbaren
" Hebel, der schon zu Lebzeiten
durch manch meisterlichen Brückenschlag von
Herzen zu Herzen liebe Freunde gewann, auch
im Elsaß.

In Straßburg vor' allem hatte Hebel viele
Freunde und gute Bekannte. Der Dichter des
berühmten „Pfingstmontag", Georg Daniel Arnold
und Ehrenfried Stöber waren ihm herzlich
befreundet, ferner die Familien Gottfried Haufe,
Daniel Schneegans und Daniel Weiler, durch
deren Vermittlung Hebel den Maler Benjamin
Zix und den Holzschneider Hegi als Illustratoren
für seine Werke gewann. Und früh schon hat, der
berühmte Straßburger Bildhauer Ohmacht ein
prächtiges Bildnis Hebels geschaffen. Hebels
Briefe an die Straßburger Freunde bergen edelstes
Menschentum und köstliche Idyllen voll Frieden
und heiterer Ruhe.

Er war im ganzen Lande bekannt und beliebt.
Landauf landab erzählte man von ihm Anekdoten
, z. B. in Mülhausen noch lange nach seinem
Tode. Dort war er anno 1818 im „Gasthof zum
roten Löwen" abgestiegen, und nahm auf Einladung
als fremder Gast an einer gerade stattfindenden
Hochzeitsfeier teil. Er ergötzte die ganze
Hochzeitsgesellschaft und verehrte schließlich
den Hochzeitsleuten ein schön gebundenes Exemplar
seiner „Alemannischen Gedichte" zum Angedenken
. Noch im Jahre 1857 schrieb August
Stöber': „Hebel ist nicht nur den Bewohnern jenseits
des Rheins ein Lieblingsdichter, auch uns
Elsässern ist er lieb und wert. Seine Schwänke
ergötzen bei uns alt und jung, seine Lieder und
Idyllen, die ebenso reich an Sinn wie melodisch
in ihrer Form sind, lasen, lesen und werden wir
mit stets neuem Entzücken lesen."

Was kann ich Ihnen, meine Damen und Herren
zum Schluß noch sagen? Mein Herz ist tief
innerlich berührt und vollauf beglückt vom Er-


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