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Dr. Robert Feger:
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(Fortsetzung.)
Sprecher: Soweit zunächst Hebels Maximen zur literarischen
und katechetischen Gestaltung eines Bibelgeschichtsbuches
. Man wird, hat man in Schmids Biblischer
Geschichte gelesen, den meisten Beanstandungen Hebels
gerne beistimmen. Indessen zeigen die nächsten Sätze
dann wieder, woran Hebel den Hauptanstoß nahm: Daran,
daß Schmid Katholik war. Er fährt nämlich fort:
Hebel: Wir haben vielleicht nicht recht getan, daß wir
den Versuch einer Bibelgeschichte von der Hand eines
Katholiken zum Lehrbuch unserer protestantischen Schulen
gewählt haben... Der ganze lutherische Bibeltext ist
aus dieser Bibelgeschichte bis auf die letzte Spur verschwunden
, und ich spreche hier mein Geständnis aus,
daß alles, was mit Worten der Bibel gesagt werden kann,
mit keinem andern gesagt werden sollte. Sie sind nicht
nur lebendig und kräftig, auch noch in Luthers Übersetzung
. Sie sind auch für eine große Menge die einzige
Bürgschaft für die Wahrheit und Heiligkeit der Geschichte
, und das Volk glaubt so leicht etwas anderes zu hören,
wenn es das Nämliche nimmer mit den nämlichen Worten
hört. Wenn aber der Bibeltext in Luthers Wort nimmer
gut ist, so machen wir's auch nimmer besser...
Sprecher: Das ist alles sehr schön, jedoch nicht ganz logisch
. Hebel setzt Bibeltext gleich Lutherübersetzung. Das
geht nicht an. Zum andern: Wenn Luthers Bibelübersetzung
katechetisch praktikabel erschienen wäre, weshalb
bedurfte es dann einer literarisch durchgeformten
Bibelgeschichte aus neuerer Hand? Hebel wird sich in
seinen eigenen Biblischen Geschichten ebenfalls ganz
wesentlich über den Bibeltext hinausbegeben. Hebels
Argumente sind einleuchtend, gewiß, und etwas ist immer
an ihnen. Schade, daß er dieses Gültige in seinen
Argumenten immer wieder suspekt macht oder entwertet
durch sein stets wiederkehrendes Hauptargument:
Daß Schmid Katholik sei. Das stereotype Immer-wieder-
Beiziehen dieser Tatsache klingt nach Ressentiment.
Hatte Hebel die Affäre mit der Kalendergeschichte „Der
fromme Rat" noch nicht verwunden? Oder konnte er sich
aus Prinzip nicht mit dem katechetischen Produkt eines
Katholiken befreunden? Wie dem auch sei, Hebel fährt
sehr aufschlußreich fort:
Hebel: Dagegen will ich auf eine wirkliche Nebensache,
als aber eine Hauptsache wäre, aufmerksam machen:
Wenn wir diese biblische Geschichte in unsern protestantischen
Schulen einführen, so legen wir das Geständnis
ab, daß wir in der protestantischen Kirche nichts ebenso
Gutes haben und nichts Besseres machen können, und
tun uns daran Unrecht...
Sprecher: Das ist die Meinung Johann Peter Hebels zu der
Biblischen Geschichte von Christoph von Schmid. Eine
ablehnende Meinung. Zu der Bearbeitung des Buches
durch den Kirchenrat Ewald sagt Hebel direkt nichts, —
Hebel: — aus Achtung für den Genius, der in ihm waltet,
und für seine schriftstellerischen Verdienste namentlich
im Fach der religiösen Geistes- und Herzensbildung, —
Sprecher: — doch bemängelt er an dem ganzen Verfahren
grundsätzlich, daß überhaupt an eine Überarbeitung
eines Buches durch einen Zweiten gedacht werde, denn
— so sagt er, —
Hebel: — wenn der erste Verfasser, falls er seinem Unternehmen
gewachsen war, und der zweite Herausgeber
desselben in allen Ansichten, Tendenzen, Grundsätzen
hinsichtlich der Materie und Form bis auf die Orthographie
hinab einig sind, so hat eigentlich der zweite an
dem Werk des ersten nichts zu verändern und zu verbessern
. Sind sie es aber nicht, wie es auch der Katholik und
der Protestant, der Schriftsteller für katholische Kinder
zunächst und der Überarbeiter für protestantische Schulen
, der Schriftsteller für ein jüngeres Alter und der
Überarbeiter für ein späteres nicht sein können, so liegt
es vielleicht in keines Menschen Vermögen mehr, zu verhüten
, daß nicht bald die Grundsätze des einen, bald des
andern hervorschillern und die Haltung schwankend
werde. Einzelne gewagte Meinungen, nicht genug begründete
Urteile, nicht genug gewählte Worte lassen sich
an ihrem Ort, wo sich der Schriftsteller vergaß, durchstreichen
und verbessern. Die Gesichtspunkte und Grundsätze
aber, die der Schriftsteller nimmt, werden höchstens
in der Vorrede ausgesprochen. Im Text leben und weben
und spielen sie durch das Ganze und alle seine Teile und
geben ihm seinen Charakter, oft seine Eigentümlichkeit
und lassen sich so leicht nicht wieder auslaugen...
Sprecher: Diese Schwierigkeiten alle würden sich aber
noch vermehren, meint Hebel weiter, wenn der Überarbeiter
— wie es im Falle des Kirchenrats Ewald zutraf —
seine Arbeit neben einem Hauptberuf leisten solle und
nur jeweils kurze Augenblicke wechselnder Gestimmtheit
für die zusätzliche Aufgabe zur Verfügung habe. — Nachdem
Hebel so alle möglichen Gründe, glaubhafte und gewaltsam
herbeigezogene, aufgeführt hat — und immer
wieder aufgeführt hat, möchte er zum Schlüsse wenigstens
formal wieder einlenken. Indessen klingt es wie
bare Ironie — oder ist vielleicht gar als solche gemeint,—
wenn er abschließt:
Hebel: Bei all diesen Bemerkungen kann ich die Absicht
nicht haben, die Wahl des Schmidtischen Buches geradezu
vereiteln zu wollen ...
Sprecher: Natürlich hatte Hebel die Absicht, die Wahl
des Schmidtischen Buches zu vereiteln. Und er hat sie
vereitelt. Indem er sehr klug stilistische und katechetisch-
praktische sowie solche des konfessionellen Prestiges
vermengte und wirksam in echter Besorgtheit vortrug,—
er, der geachtete Kirchenrat, Schulmann und Dichter,
dessen Worte Gewicht hatten, — brachte das Vorhaben
zu Fall: Ewalds Bearbeitung der Biblischen Geschichte
von Schmidt wurde nicht in den protestantischen Schulen
Badens eingeführt. Sie erschien zwar bald darauf anonym
mit 120 Abbildungen von der Hand eines katholischen
Künstlers. Peter Katz bemerkt hierzu:
Leser: Diese anonyme Biblische Geschichte, frei bearbeitet
nach Christoph Schmidt, mit 120 Abbildungen, ist zu
unterscheiden von den Biblischen Erzählungen mit 200
Abbildungen, zu denen Ewalds Text die Erklärung gibt.
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