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Ludwig Kahn, Basel:
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(Fortsetzung.)
Um ein Bild der wirtschaftlichen Lage der
Juden in Sulzburg um diese Zeit zu gewinnen,
ist es nicht uninteressant, auf folgende Tatsache
hinzuweisen. Als im Jahre 1727 das Land anläßlich
der Vermählung des Erbprinzen einen „Beitrag
" von 100 000 Gulden aufzubringen hatte,
zog man auch die Juden hierzu bei. Sämtliche
Ämter hatten die Befugnis, eine Erhebung der
Vermögen der Juden zur Bestimmung der Unterlagen
auszuführen. Für Sulzburg lauteten die
Meldungen (17):
Moses Weil (der reichste Jude von Sulzburg
) besaß
und ein Haus im Werte von
Lehmann Levi besaß
Moses Weil, der obgenannte, hatte ferner
und ein Haus im Werte von
Emanuel Levi besaß
und ein halbes Haus im Werte von
Jakob Rieser besaß
Bärle Wolf besaß
Marx Dreyfus besaß
Marx Bloch besaß
und ein halbes Haus im Werte von
für Müllheim lauteten die Zahlen
Emmendingen „
Eichstetten
Ihringen
91
2200 Gulden
300
200
800
183
530
87
150
200
150
225
87
Total 5112 Gulden
6225 Gulden
4800
1500
1875
sodaß Sulzburg wohl durch den Besitz des Moses
Weil als nicht arme Gemeinde angesehen
wurde.
Das Jahr 1727 war aber auch für Sulzburg
insofern von Bedeutung, als in diesem Jahre der
für das Oberland gewählte Rabbiner David Kahn
aus Alt-Breisach seinen Wohnsitz nach Sulzburg
verlegte. David Kahn's Vater, Jakob Kahn, war
bereits Rabbiner in Rappoltsweiler (Ribeauville)
bei Colmar. In Ribeauville, Sitz eines Rabbinates
seit dem 13. Jahrhundert, wurde David Kahn um
1670 geboren. Er wohnte später in Winzenheim
bei Colmar und wurde von da nach Alt-Breisach
berufen. 1721 unterschrieb er gemeinschaftlich
mit Josef Günzburger, Handelsjud zu Alt-Brei-
sach, Beschlüsse wegen des israelitischen Friedhofes
in Emmendingen.
Über die Vorgeschichte der Ernennung des David
Kahn zum ersten Rabbiner in Sulzburg wird
in den im Bad. Generallandesarchiv Karlsruhe
aufbewahrten Akten — die wichtigste Quelle für
die Geschichte der Juden in Sulzburg — folgendes
berichtet (18): Unterm 14. Mai 1720 teilte
der obengenannte Handelsjude Josef Günzburger
zu Alt-Breisach an den „durchlauchtigsten Fürsten
" mit, „die Juden der Herrschaft Hochberg
und Badenweiler wünschten schon lange einen
Rabbiner zur Unterrichtung in der jüdischen
Lehre und den Gesetzen und zur Schlichtung der
Judenhändel." Er, Günzburger, könne den Juden
17) Akten GLA 74/3768 Baden-Generalia: „Die bey des Herrn Erbprinzen
hochfürstl. hohe Vermählung auf die gesambte Judenschaft gelegte ex-
traordinary Bey Steuer."
18) GLA Abt. 74/3728 Baden-Generalia Hochberg, Röttelen, Badenweyler-
Judensachen: „Die Bestallung eines Rabbiners (David Kahn) in der
Markgrafschaft Hochberg und deren Herrschaft Röttelen und Badenwey-
ler" 1720-1731, ferner Abt. 115/202.
mit einem solchen „subjecto" aushelfen und der
Markgraf möge David Kahn zu Alt-Breisach zum
Rabbiner der oberländischen Judenschaft ernennen
. Die „Bestallung" (Wahl) zum Sulzburger
Rabbiner erfolgte dann im Jahre 1727. Rabbiner
Kahn verlegte im selben Jahre seinen Wohnsitz
nach Sulzburg, wo er im Mai 1744 das Zeitliche
segnete. Über das Wirken Rabbiner Kahn's fanden
sich keine urkundlichen Belege, zumal alle
Akten des jüdischen Gemeindearchives Sulzburg,
die vielleicht wertvolle Aufschlüsse über sein
Wirken gegeben hätten, verschollen und damit
der Forschung entzogen sind. Aber auch anläßl.
des Brandes 1769 in der alten Schule in Sulzburg,
in dem das Stadtarchiv untergebracht war, mögen
Dokumente über das Wirken David Kahn's
verloren gegangen sein.
Im Gegensatz zu David Kahn sind wir über
dessen Sohn, dem nachmaligen Landrabbiner
Isaak Kahn, Sulzburg, ausgiebiger orientiert, vor
allem darüber, was seine Tätigkeit als Nachfolger
seines Vaters im Rabbinat der Judengemeinde
Sulzburg anbetrifft. Isaak Kahn, geboren nach
1710 — das genaue Datum seiner Geburt ist aus
den Akten nicht ersichtlich, da die Juden damals
nicht zur Führung von Zivilstandsregistern verpflichtet
waren — verlebte seine Jugendjahre in
Alt-Breisach. Im Jahre 1736 schloß er den Bund
der Ehe mit Schönle (Jeannette) Weil, der Tochter
des oben angeführten Moses Weil, des „reichsten
Juden von Sulzburg", wie er in den Akten genannt
wird. Moses Weil, geboren 1688 in Stühlingen
, war der Bruder des Nathaniel Weil (1687
bis 1769), des berühmten und angesehenen Oberlandrabbiners
von Karlsruhe, dessen Ahnen bis
ins 13. Jahrhundert zurückreichen (19). Die Bedeutung
des in Sulzburg wohnenden Moses Weil,
des Schwiegervaters von Isaak Kahn, geht auch
daraus hervor, daß er seit 1728 „Judenschutz-
geldeinnehmer" war, d. h. Verrechner und Ab-
rechner der Gemeinschaftsgelder (Steuern und
Schutzgelder), die von der oberländischen Judenschaft
für $ie Regierung aufzubringen waren.
Er war auch Silberlieferant des Markgrafen, besaß
2 Häuser in Sulzburg. Moses Weil hat einmal
gesagt, nachdem das Gehalt seines Schwiegersohnes
auf die Gemeindemitglieder umzulegen
war, daß er von sich allein aus den dritten Teil
des Gehaltes seines Schwiegersohnes bezahlen
müsse (20).
Schönle Weil erhielt eine schöne Mitgift von
ihrem Vater: 1450 Gulden bar, 500 Gulden in
Kleidern und 500 Gulden in Schmucksachen, eine
für die damalige Zeit bedeutende Brautgabe. So
ist es zu verstehen, daß Isaak Kahn nach seiner
Verheiratung im Jahre 1736 sich nach Frankfurt
am Main begeben konnte, um sich in jüdischen
Studien zu vervollkommnen. Frankfurt am Main
hatte seit dem Mittelalter eine bedeutende Rab-
19) Leopold Löwenstein: Nathanael Weil, Oberlandrabbiner in Karlsruhe,
Frankfurt am Main 1898, Seite 5 und Ernest B. Weill: Weil - de Veil.
A Genealogy 1360-1956, Scarsdale-New York 1957, Privatdruck.
20) GLA 115/202.
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