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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-08/0007
binerschule,. die viele Studenten an sich zog und
die auch „Jüdische Universität" genannt wurde.
Im Jahre 1738 kehrte Isaak Kahn wieder nach
Sulzburg zurück. Am 24. Juli 1742 wurde er auf
Betreiben seines einflußreichen Schwiegervaters
Rabbineradjunkt seines Vaters David Kahn und
am 26. Mai 1744 nach dem Ableben seines Vaters
dessen Nachfolger im Rabbinat von Sulzburg.

Es ist interessant und für die damalige Zeit
charakterisierend, wenn man in den Akten die
„unterthänigste Supplique" (Bitte) des Rabbiners
David Kahn liest, sein Sohn möge in den Schutz
von Sulzburg aufgenommen werden (21), (12. April
1736) gegen Bezahlung des gewöhnlichen
Schutzgeldes. Unterm 10. Juli 1736 berichtet
Amtmann Saltzer dem „Durchlauchtigsten Markgrafen
", dem er das Gesuch unterbreiten mußte,
daß „Sulzburg mit Juden angefüllet seye. Ist
nun Höchst Demselben zuwider, die Zahl dieses
Volkes zu vermehren, so stehet es bey Deroselben
Belieben, die welche herein zu kommen-verlangen
, abzuweisen oder anzunehmen"(22). Dem Gesuche
wurde schließlich nach langem Hin und
Her stattgegeben, nachdem der Vater des Petenten
, Rabbiner David Kahn, dem „Durchlauchtigsten
Markgrafen, Gnädigsten Fürsten und Herrn"
versichert hatte, daß sein genannter Sohn und
zukünftiger Rabbiner:

1. „einen sehr vermöglichen Schwiegervater
habe, der ihm für Eigen-Haus-
Erkauf behilflich sein werde."

2. „keinen Handel, weder mit Waren noch
etwas anderes treibe" (somit war die
Furcht der Konkurrenz unbegründet)

3. „stich pure allein auf das Studieren leget
, und auch von mir schöne Mittel in
das Land bringt, von seinem Schwiegervater
auch ein ziemliches Ererbet,
aus welchem er sich genug treulich,
ohne jemanden einen Abbruch zu tun,
erhalten kann."

(Schriftstück vom H.November 1736)

Rabbiner Isaak Kahn — er wird in einer Zuschrift
„Wol Würdig Hochgelahrter, insbeson-
ders Hoch zu Ehrender Herr Ober-Rabbiner"
angeredet — entfaltete in Sulzburg eine verdienstvolle
Tätigkeit, wenngleich seine Besoldung
nur 30 Gulden im Jahre betrug und ihm
die israelitische Gemeinde diesen Betrag nach
drei Jahren noch schuldig war (23).

Wir müssen uns über die Stellung des Rabbiners
in diesen Zeiten folgendes vor Augen halten:
Die Juden einer Stadt bildeten im Mittelalter
und noch spät bis ins 18. Jahrhundert nicht nur
eine Religionsgemeinschaft, deren Mittelpunkt
die Synagoge war, sondern in kommunaler und

21) GLA Abt. 229 Judensachen Sulzburg: „Unterthänigste Supplique an
Ihro hochfürstl. regierenden Herrn Markgrafen zu Baden-Durlach von David
Kähnen, des Juden Rabbiners zu Alt-Breysach meinen' Sohn Isaac in den
Schutz nach Sulzburg gegen Bezahlung des gewöhnlichen Schutzgeldes
gnädigst aufzunehmen", 1736.

22) ebenda GLA 229

22) vgl. hiezu auch: „Aus der Geschichte des Dorfes Vögisheim. Jüdisches
Schicksal vor zweihundert Jahren", das einen ähnlichen Fall bringt („Die
Markgrafschaft" Nr. 6 und Nr. 7 1955).

23) GLA 74/3735 Baden-Generalia-Judensachen: „Dem Judenrabbiner Isaak
Kahn möge seine rückständige Besoldung entrichtet werden", 1747/1748.

rechtlicher* Beziehung eiiie eigene Gfemeinschjaft
(24). Die Judengemeinde stand, von den städtir
sehen Beamten eximiert, unter eigener Obrigkeit
und vielfach — mit Ausnahme der sog. Malefiz-
Sachen (schwere Verbrechen wie Totschlag) —
unter eigener Gerichtsbarkeit, und dies wohlverstanden
im absolutistischen Polizeistaat. Hier hatte
der Rabbiner als oberster Seelenhirte ein sehr
gewichtiges Wort mitzureden, welch wesentliche
Momente bei der Stellung der Rabbiner irfi
18. Jahrhundert nicht übersehen werden dürfen.
Diese Bedeutung zeigt sich auch auf der 'einfachen
Grabinschrift der Rabbiner David und Isaak Kahn,
deren Eigenschaft als Vorsitzende des Rabbinergerichtes
— hebräisch Av Beth Din — ausdrücklich
erwähnt wird. Die Wahl des Landrabbiners
, der mit den hebräischen und den Landesgesetzen
vertraut sein mußte, unterstand deswegen
der markgräflichen, nicht der örtlichen
Obrigkeit und mußte daher vom Markgrafen
bestätigt werden.

Die im Generallandesarchiv Karlsruhe und
Stadtarchiv Müllheim (25) befindlichen, eigenhändig
niedergeschriebenen Schriftstücke des
Rabbiners Isaak Kahn zeigen eine bedeutende
Fertigkeit in der deutschen Sprache1 und Schrift.
Es liegt etwas Faszinierendes in diesen schönen
schwungvollen Schriftzügen, die vielleicht verborgen
das Rätsel seiner Persönlichkeit offenbaren
. Adolf Lewin berichtet in seiner „Geschichte
der badischen Juden seit der Regierung Karl
Friedrichs 1738—1809", daß Isaak Kahn im Jahre
1784 anläßlich der Geburt eines Enkelsohnes
Karl Friedrichs eine aus Bibelversen in deutscher
Sprache zusammengesetzte Hymne geschrieben
habe. Kahn, der große Gelehrte zu seinen Ahnen
zählte, war selbst Kabbaiist und unter seinen
Zeitgenossen hochgeschätzt. Er hat zu verschiedenen
talmudischen Werken, eine sog. Haskama
geschrieben (gutachtliche Äußerung, die die Verfasser
rabbinischer Werke bei zeitgenössischen
Autoritäten einholten und ihrem Buch vorandruckten
: Approbation), so u. a. zu einem in
Grodno (Polen) im Jahre 1788 erschienenen Werk
von Jakob Kahn (Zera Jakob), das interessante
Aufschlüsse über seine gelehrten Vorfahren gibt.
Kahn hat auch die Friedhofverordnung des alten
jüdischen Friedhofes am Schädelberg in Lörrach
und in Emmendingen (26) nach dem Muster der
für andere jüdische Friedhöfe geltenden Ordnung
entworfen. Als Rabbiner mußte Kahn auch Atte^
ste ausfertigen, wenn ein Mitglied seiner Sulzburger
Gemeinde eine Herabsetzung des Schutzgeldes
verlangte, was in diesem Kriegsjahrhun-
dert gar nicht so selten war. Unterm 18. März
1763 bezeugt er, daß der Schutzjude Marx Bloch
über 70 Jahre alt sei „und wegen seines bruch-

24) vgl. hiezu auch: Fritz Baer: Gemeinde und Lancjjudenschaft. Ein Beitrag
zur Geschichte des jüd. Organisationswesens im Korrespondenzblatt
des Vereins z. Gründung u. Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft
des. Judentums, Berlin 1921, Seite 16 ff.

25) GLA 115/199-202, Brief v. 10. Okt. 1763 u. 26. Juli 1765. Archiv d. Landratsamtes
Müllheim Nr. X Kirchen- u. Religionsgemeinschaften. Die Erbauung
der Synagoge zu Müllheim. Eigenhänd. Brief d. Rabb. Isaak Kahn
v. 29. März 1753 und 9. Mai 1757 u. Stadtarchiv Müllheim Nr. 15 Judensa.-
chen. Handschriftl. Diätenzettel v. 13. Febr. 1753.

26) Julius Schmidt, Kirchen a. Rhein, Bühl 1912, Seite 235.

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