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den, „ich brauche gottlob nicht gleich am Anfang
dabei zu sein."
So kam der 1. August 1914, ein Samstag. Am
Vorabend war der Kriegszustand erklärt worden,
an diesem Tage sollte die Mobilmachung überall
angeschlagen werden. In der Frühe suchte ihn
ein Freund in seiner Wohnung auf; er traf ihn
trostlos und mit verweinten Augen. Auf die Frage
, , was geschehen sei, zeigte Mayer auf den
großen Reitersäbel, der an seinem Bett lehnte:
„Dieses Mordinstrument wurde mir vergangene
Nacht in die Hand gedrückt. Durch Halmziehen
wurde ich dazu bestimmt, einen Patrouillenritt
nach Frankreich durchzuführen. Mußte
mir so etwas passieren! Aber glauben Sie mir,
von diesem Ritt werde ich nicht mehr lebend zurückkehren
."
Auf die Bemerkung des Freundes: „Na, so
schlimm wird es bestimmt nicht sein", entgegnete
Leutnant Mayer: „Glauben Sie mir, ich komme
nicht wieder, denn man geht nicht ungestraft
nach Frankreich."
Noch am selben Tag mußte er sich bei seinem
Truppenteil melden. Diesier lag, wie alle Mülhau-
ser Regimenter, in der Nähe der französischen
Grenze, das Jägerregiment im Hügelland des
Sundgaues, unweit des Largtals. Leutnant Mayer
brachte die Nacht in Bisel zu; am folgenden Morgen
brach er mit sechs Soldaten zum befohlenen
Patrouillenritt auf. Es waren lauter Freiwillige.
Einer derselben, der Gefreite Heintze, im Laufe
eines späteren Gesprächs darüber befragt, warum
er sich freiwillig zu dieser Patrouille gemeldet
hatte, erklärte: „Weil Leutnant Mayer ein feiner
Kerl war und weil ich nicht wußte wohin es
ging." Zweck des Patrouillenritts war das Auskundschaften
der militärischen Lage jenseits der
unweiten Grenze.
Auf Grund einer Verfügung der französischen
Regierung waren die französischen Truppen, um
jeden Grenzzwischenfall zu vermeiden, zehn km
von der Grenze zurückgezogen worden. Es war
deshalb nicht zu verwundern, daß die deutsche
Patrouille über Niedier-Sept unbelästigt in französisches
Gebiet eindringen konnte.
Es ist ein welliges, zum Teil bewaldetes Gelände
, wo beim Bach der Suarcine der Grenzstein
stand. Dort soll der Gefreite Heintze, wie
er später aussagte, den Leutnant auf die Tragweite
des Patrouillenritts aufmerksam gemacht
haben, worauf dieser erwiderte, es sei Befehl.
Die Straße führt durch eine Hügellandschaft
zur ersten französischen Ortschaft, Courtelevant.
Die sieben Reiter konnten von weitem beobachten
, wie Uniformierte, wohl Grenzbeamte, den
Dorfeingang verbarrikadierten. Leutnant Mayer
befahl deshalb, das Dorf zu umgehen. So kamen
sie nach Faverois, das sie im Galopp durchquerten
, und weiter, ohne jeden Zwischenfall, nach
Joncherey. In einiger Entfernung dieses Dorfes
beschreibt die Landstraße eine scharfe Biegung,
in die ein Feldweg einmündet. Dort stand damals
und vielleicht heute noch ein einzelnes Bauerngehöfte
. Hier sollte sich, ungefähr 10 km von der
Grenze entfernt, das blutige Vorspiel des 1. Weltkrieges
abspielen.
Iii Joncherey lagen Soldaten des 44. Infanterieregiments
aus Montbeliard sowie des 11. Dragonerregiments
aus Beifort. Die Ortschaft erstreckt
sich längs der Straße Beifort — Delle und
zweier anderer Straßen, die eine in Richtung Faverois
. Caporal Peugeot hatte 4 Mann unter seinem
Befehl; 3 waren im Haus Docourt, dem eben
erwähnten Bauernhaus, untergebracht, der 4.
stand Posten auf der Anhöhe über der Straße in
der Nähe des Hauses. Die Soldaten benützten die
freien Augenblicke zum Schreiben von Briefen,
die sie dem eben angekommenen Briefträger mitgaben
. Gegen 10 Uhr holte die Tochter Doncourt,
Frau Nicolet, Wasser aus einer gefaßten Quelle
auf einer benachbarten Wiese nahe der Straße,
als sie fremde Soldatenhelme in den wogenden
Getreidefeldern am Waldrand „les Coupes" bemerkte
. Bestürzt rannte sie zurück und schrie:
„Die Preußen sind da!" Im selben Augenblick
hörte man den Posten rufen: „Aux armes, aux
armes" (zu den Waffen!) Als Leutnant Mayer das
hörte und sah, wie der Wachtposten alarmiert
wurde, faßte er Säbel und Pistole, gab dem Pferd
die Sporen, ritt mit verhängtem Zügel auf den
Posten los, warf ihn in den Graben und galoppierte
in Richtung Joncherey davon.
Caporal Peugeot ergriff sofort seine Waffe,
sprang aus dem Hof auf die Straße, legte, sein
Gewehr an und schrie: „Halte, halte!" Leutnant
Mayer feuerte 3 Pistolenschüsse auf ihn ab, Caporal
Peugeot gab seinerseits Feuer, beide waren
tödlich verletzt. Mayer fiel vom galoppierenden
Pferd ungefähr 150 m weiter auf die Straße,
wo er liegen blieb, Caporal Peugeot wankte gegen
das Haus und sank unter der Türe tot zusammen
.
Von allen Seiten ertönten nun Gewehrschüsse,
die deutsche Patrouille, die ihren Leutnant verloren
hatte, sprengte davon; drei Reiter flüchteten
in den benachbarten Wald, die drei anderen
ritten im, schnellsten Galopp davon, aber als sie
von einem zweiten Posten unter Feuer genommen
wurden, mußten sie sich ebenfalls in den Wald
zurückziehen. 3 Pferde waren zu Tode getroffen,
die Reiter verbargen sich im Gehölz, zwei mit
Namen Platt und Grigio wurden gefangengenommen
und am selben Abend nach Beifort gebracht
. Den 4. August wollte sich der dritte Reiter
mit Namen Peters, nachdem er lange im Wald
umhergeirrt war, gefangen geben, wurde aber
durch einen französischen Soldaten schwer verwundet
und in das Spital Viellard nach Delle gebracht
, wo er von seinen Verletzungen genas.
Der 4. Mann der Patrouille blieb unauffindbar.
Der Reiter Hilbring und der Gefreite Heintze
konnten, dank der bewaldetten Landschaft, die
Grenze erreichen und nach Dammerkirch entkommen
. Heintze gab später eine ungenaue
Schilderung des blutigen Zwischenfalles.
Gaporal Peugeot wurde zwei Tag^ nach dem
Drama in der Familiengruft in Etupes beigesetzt.
Leutnant Mayer wurde den 3. August in Jonche-
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