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Land am Hochrhein
Schon öfters hatten wir Gelegenheit, auf die erfreulichen
Veröffentlichungen des Jan Thorbecke Verlages
'Konstanz empfehlend hinzuweisen. In letzter Zeit legte
der Verlag einen neuen Band seiner Thorbecke Bildbücher
vor: Land am Hochrhein.
Zwei ausgezeichnete Kenner ihres Sachgebietes schrieben
die begleitenden Texte: Dr. Karl Schib, Schaff hausen
skizziert mit übersichtlicher Prägnanz das geschichtliche
Bild des Raumes von Stein am Rhein bis Basel. Er schildert
die Landschaft in ihrer deutlichen Zweiteilung: den
Teil bis Schaffhausen, der „mit dem ruhig dahinfließenden
Strom einer Verlängerung der Bodenseelandschaft"
gleicht, und den Teil von Schaffhausen bis Basel, gekennzeichnet
durch den Fall, den Laufen und den Höllenhaken
bei Rheinfelden. Den Weg der geschichtlichen Entwicklung
des Hochrheinraumes geben die Überschriften seiner
kurzen Abschnitte zu erkennen: Römer und Alemannen;
Dörfer, Burgen und Klöster; das Emporkommen der
Städte; das Rheintal als Einheit; die staatlichen Gewalten
am Oberrhein und schließlich die moderne Wirtschaft.
Alle Weitschweifigkeit ist vermieden, zu der ein weniger
. eingehender Kenner des Stoffes hinsichtlich dessen Mannigfaltigkeit
versucht wäre; trotzdem ist die unerhörte
Vielfalt des bunten Geschehens in einer Weise dargestellt
, die zur näheren Beschäftigung und zum Besuch
der Landschaft reizt: ein fesselnder Beitrag!
Die kunstgeschichtliche Betrachtung des Raumes schrieb
Frau Dr. Ingeborg Krummer-Sehroth, Mitarbeiterin von
Direktor Dr. Gombert vom Augustiner-Museum Freiburg
und Herausgeberin der im gleichen Verlag 1958 erschienenen
Festschrift für Professor Dr. Noack „Studien
zur Kunst des Oberrheins." Sie schreibt in der Einleitung
zu ihrem Aufsatz „Kunstwerke am Hochrhein" folgende,
die Kunst dieses Raumes bezeichnenden Sätze: „Die
Kunstwerke, denen wir an den Rheinufern, in den Seitentälern
, auf den Waldhöhen über dem Strom begegnen,
sind alle unmittelbar mit dem Land und seinem Geschick
verbunden. Diese Landschaft war aber selbst in
den besten Zeiten ihrer weitreichenden Handelsbeziehungen
nie ein großes Sammelbecken internationaler Strömungen
wie etwa die Ile-de-France, die Toscana oder
der Niederrhein, sie war ein Durchgangsland, und die
Namen der Künstler, die hier tätig waren, sind nur im
Umkreis des Oberrheins bekannt. Dennoch treffen wir
überrascht sowohl in den Städten wie in abgelegenen
Orten auf Werke von vornehmer Größe, zarter Schönheit
, eigenartigem Reiz oder besonderer Geschichte." Es
sind vor allem zahlreiche Kirchen und Klöster, die in
Malerei, Plastik und Architektur Schätze bergen. Doch
auch die Rittergeschlechter waren Förderer der Künste.
Welch reiches Bild städtischer Baukunst fügte besonders
das 16. Jahrhundert der Landschaft ein. Wir reisen in den
fernen Ländern unsres Erdteils umher und wissen nicht,
was für Schätze wir in unsrer unmittelbaren Nähe haben
. Wir haben Grund, beiden Verfassern für diesen
vielleicht schönsten Band der Bildbücherreihe herzlich
zu danken. Ganz ausgezeichnet ist die Auswahl der technisch
vorzüglich wiedergegebenen Bilder, die in großer
Fülle uns eine lebendige Anschauung der Hochrhein-
Landschaft vermitteln. Nicht unerwähnt bleiben darf der
ansprechende Einband. Sehr begrüßenswert ist die schön
gezeichnete Karte auf dessen Rückseite. Man möchte am
liebsten heute noch aufbrechen, den Hochrhein zu besuchen
.
Wir werden in nächster Zeit eine Reihe von Büchern
aus der gleichen Serie vorführen und eine eingehende
Würdigung der vorbildlichen Arbeit des Verlages folgen
lassen.
„Land am Hochrhein", Bd 56 der Thorbecke Bildbücher,
Jan Thorbecke Verlag Konstanz, Stuttgart 1967, 88 Seiten,
78 meist ganzseitige Aufnahmen, darunter drei farbige,
Halbleinen, 19,80 DM. Konstantin Schäfer
„Wohin gel
„Ein unendlicher Abgrund ist der Mensch"
Augustinus
Noch einmal hat Paul Bertololy, der letzte in deutscher
Sprache schreibende Elsässer, in die Saiten seines über
alle Register verfügenden Instrumentes gegriffen und das
Schicksal zweier Menschen beschworen, das unter dem
einleitenden Motto des Augustinus „Ein unendlicher Abgrund
ist der Mensch" eindeutig beschlossen ist.
Schon immer hat ein Mann der Feder als Meister gegolten
, der es verstanden hat, im Bühnenstück oder
Roman mit zwei oder drei Personen und einem Minimum
an Handlung seine Leserschaft nicht zu langweilen. Auch
dieses Mal ist es dem Dichter Paul Bertololy gelungen,
unter sparsamster Verwendung von Personen seinen
neuen Roman „Wohin gehst du, Maja" zu einer der spannendsten
„Liebesgeschichten'', besser Liebstragödien, auszubauen
.
In einem überdimensionalen Fresko hat Bertololy noch
einmal die Liebe in all ihren physischen und psychischen
Möglichkeiten durchleuchtet. In immer neuen Variationen
, mit immer tiefer lotenden Instrumenten der Sprache
versucht er die zwischen Maria und Eva aufgeteilten
Grundelemente des Weibes auszuschöpfen. Dieser von
seiner Aufgabe geradezu besessene Dichter, die beiden
Formen, in denen das Weib von Anbeginn der Schöpfung
den Mann beunruhigt, herauszukristallisieren, den beiden
Formen ihre letzten Geheimnisse zu entreißen, hat
auch dieses Mal neue Mosaiksteinchen gefunden, die seinem
Riesenfresko „Weib" den Ruf der letzten Form
sichern, die nicht mehr überboten werden kann.
Wen wundert es, daß diesen, der Seelenforschung verfallenen
Dichter die Probleme wie Erinnyen verfolgen
und ihm keine Ruhe lassen! Obwohl diese Probleme in
seinen Standardwerken der letzten Jahre („Im Angesicht
des Menschen", „Majana") einen breiten Raum einnehmen
, kehren sie auch in diesem Romane wieder: die
Selbstvernichtung durch die Technik; das Religiöse als
das Individualistische in jedem Menschen; die dem
Manne vorbehaltene Polygamität („für das Wort Hure
du, Maja?"
gibt es kein männliches Äquivalent"). Aber auch die
Probleme erfahren durch neue Spiegelungen neue Werte
und neue Realitäten. Als Gottfried Benn das Wort prägte
„Die Kunst hat keine Daseinsberechtigung, wenn sie sich
darauf beschränkt, die Realität abzubilden und zwecklos
zu verdoppeln", hat er nicht mit dem stilistischen Zauberkünstler
Bertololy gerechnet, der seine Erkenntnisse
nicht verdoppelt, sondern es versteht ihre Leuchtkraft
prismenhaft facettiert, wie neue Zeugen einer sich vor
unseren Augen verwandelnden Größenordnung wirken
zu lassen.
Ebenso müßig ist es, Paul Bertololy das Recht abzusprechen
, einige seiner Werke „Romane" zu nennen. Indem
er seinen Stoff zu einem Weltbild auszuspannen
weiß, erfüllt er ja gerade die Gesetze der Ästhetik, die
nur dann einem epischen Werk den Titel eines Romanes
erlauben will, wenn es sich in weltbildmäßigen Spannungen
bewegt.
Freilich ist auch der neue Roman nicht frei von jenen
Einlagen, die wie Wehre den freien Fluß seines Stiles
hemmen. Retardierende Passagen mögen ihren Zweck,
die Spannung zu steigern, wohl erfüllen, aber sie dürfen
nicht den Gedankengang zerreißen und vom Geschehen
ablenken. Dies aber tut die (Seite 87 ff.) eingestreute Erzählung
vom Besuch bei seinem Kriegskameraden Haller,
oder tun es in weit höherem Maße die Aphorismen über
den Krieg, die sich über viele Seiten (142 ff.) des Buches
hinziehen. Doch der Leser nimmt diese Abschweifungen
in Kauf und kompensiert sie mit den ausgesprochenen
Vorzügen Bertololyscher Fabulierkunst.
Sind wir auch im allgemeinen der Meinung, die Begleitschreiben
eines Verlages ignorieren zu sollen, so sei
doch im vorliegenden Falle eine Ausnahme gemacht und
der Passus des Waschzettels gerne respektiert, der das
neue Buch des elsässischen Romanciers mit den Worten
ankündigt: „Ein Meisterwerk weiblicher Seelenschilderung
und zugleich ein Bild unserer Zeit von erschreckender
Offenheit und hinreißender Kraft." K. IV. Straub
Roman von Paul Bertololy, Hohenstaufen-Verlag, 7765 Bodman /Bodensee
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