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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-11/0006
strakte Wünschen im Spätjahr 1801. Damals bekommt
Hebel eine anscheinend erreichbare Landpfarrei in den
Blick: Ottoschwanden. Im Oktober 1801 schreibt Hebel
an seine Vertraute dieser Jahre, an die Jungfer Gustave:
Hebel: In Emmendingen beschloß ich nun auch einmal
einen Besuch anderer Art zu machen und einem Karls-
ruher Freund und Schulkameraden, der seit dem Sommer
als Pfarrer in den Bergen von Ottoschwanden steckt, zu
erscheinen. Ich wünschte, daß Sie diese Gegend selber
sähen, die ich nicht beschreiben kann. Anderthalb Stunden
von Emmendingen, bergein und -auf verbreitet sich
nah am Himmel über unzählige Hügel und Tälchen hin,
drei Stunden weit im Durchschnitt eine Pfarrei von 2 000
Seelen in lauter vereinzelten Höfen. Man muß zu dem
was man sieht, zu dem romantischen Anblick der Höfe,
zu den niedlichen Partien von Obst- und Tannenbäumen
neben und untereinander, zu den grün bewachsenen Hügeln
und unbewachten Herden darauf, zu den fernen
und nahen Begrenzungen von Wald und noch höheren
Bergen auch noch die Phantasie und gute Meinung ein
wenig zu Hilfe nehmen, um die Gegend recht interessant
zu finden; nämlich man muß sich das Innere der Wohnungen
, was man nicht sieht, als den Sitz stillen Friedens,
einer unverdorbenen bäuerlichen Menschenklasse des
ländlichen Wohlstandes und einfacher patriarchalischer
Sitten denken ...

Sprechet 1: So sieht Hebel Ottoschwanden und den bäuerlichen
Menschenschlag. Man ist erstaunt, Hebel hier im
Gefolge des Naturschwärmer ä la Rousseau oder gar schon
romantisch erhoben zu finden. Und doch lebt in dieser
Schilderung des Ländlichen und damit auch in Hebels
Wunsch nach der Landpfarrei recht eigentlich die verschwärmte
, unnatürliche Empfindsamkeit des späten 18.
Jahrhunderts. Indessen hat Hebel neben der zeit- und
herkunftsgebundenen Sentimentalität einen nüchternen
Sinn. Und der läßt ihn gerade am Beispiel des Otto-
schwandener Pfarrers ziemlich deutlich sehen, daß eine
Landpfarrei für einen Städter, wie Hebel einer geworden
ist und der Ottoschwandener Pfarrer einer war, nicht
viel taugt. Der Brief bekennt das denn auch und fährt —
zunächst freilich noch im Wunschdenken auf die Landpfarrei
hin — erst positiv, dann abschwenkend fort:

Hebel: So erschien mir die Gegend, und ich wünschte mir
die feste Gesundheit des Pfarrers daselbst, um mich einst,
wenn mein Maß in Karlsruhe gar voll ist, um Ottoschwanden
zu melden und dort, geschieden von der Welt und bis
auf wenige sie vergessend zu leben, zu wirken und zu
sterben. Aber denken Sie sich einen geborenen Karlsruher
dahin mit seiner Frau, die beide bisher eine Stunde
von Karlsruhe lebten, und bei ihrem Aufzug zum ersten
Mal über Rastatt hinauskamen. Sie wurden fast närrisch
bei meinem Anblick, und ich glaube ihnen durch meinen
Besuch soviel Freude gegeben zu haben, als ich auf meiner
ganzen Reise selber genossen hatte, was doch viel
gesagt ist...

Sprecher 1: Knapp vier Jahre später, im Frühjahr 1805,
öffnet sich eine neue Möglichkeit für Hebel, zu einer
Pfarrei im Oberland zu kommen: Die Pfarrei Schopf heim,
• zu der das Dorf Hausen gehörte, war zu besetzen. Es kann
kein Zweifel darüber bestehen, daß Hebel die Pfarrei
hätte haben können. Am 19. Mai 1805 schreibt er an
Freund Hitzig:

Hebel: Daß die Pfarreien vergeben sind, teuerster Zenoides
, das sei Gott geklagt. Nach Müllheim kommt Treu-
tel, nach Schöpfen Sievert. Ich selber sah Müllheim
mit leichtem Herzen vergeben. Nicht so Schöpfen! Das

lag mir schwer und tief darinn, und es schien mir, daß
sich Hofrat Volz alsdann vielleicht auch eher entschlossen
hätte, sich um Lörrach zu melden, wozu ich ihm zusprach,
wie er zu Schöpfen mir. Aber ich scheute — nicht die
Geschäfte, sondern — die Kirche, die ich kenne und mit
meiner Brust und Stimme maß, und die Strapazen, wenn
man seinem Amte Genüge tun will, wie ich möchte. Ort
und Gegend wären mir die liebsten zwischen allen Meridianen
und Paralellzirkeln des großen Erdenrundes, in
unserem Tal und in eurer Nähe! Wie wollten wir das alte
Leben neu angefangen und manches funkelnagelneu darein
gewirkt haben, manches koseseliges! Aber hole der
Henker eins! Als 22jähriger Schulmeister und beilaufender
Fronknecht bald des Pfarramts, bald des Cosisrii
will ich, wenn ich einmal den großen Wanderstecken in
die Hand und den kleinen Bündel auf den Rücken nehme,
nicht einer Schindpfarrei und abermaligen Frondienst,
nämlich einem Spezialat, sondern für das, was noch hin-
terstelliger Zeit im Fleisch ist, einem Plätzlein entgegen-
gehn, wie es ja auch je eines bei euch gibt, wo man ein
geruhiges und stilles Leben führen kann in aller Güte
und Eintracht...

Sprecher 1: Das geruhige und stille Leben, das Hebel in
der Landpfarrei seines Wunsches suchte, hätte er allerdings
in Schopfheim vielleicht nicht gehabt. Eine anno
1804 erschienene „Geographisch-statistisch-topographische
Beschreibung von dem Kurfürstentum Baden" führt
unter dem Stichwort Schopfheim unter anderem folgendes
aus:

Sprecher 2: Schopf heim, eine alte Stadt im Wiesentale,
drei Stunden von Lörrach gelegen, mit einer Kirche, zwei
Pfarrhäusern, einer teutschen und einer lateinischen
Schule, einer Apotheke, 158 Wohn- und 208 Nebengebäuden
und 1034 Einwohnern... Die Kirche ist groß und hat
eine gute Orgel. Es muß jeden Sonntag Vormittag zweimal
darin gepredigt werden, damit sich die große Gemeinde
abteilen kann, denn es gehören die Filialorte
Höfen, Gündenhausen, Langenau, Wiechs, Fahrnau, Eh-
ner-Fahrnau und die Vogtei Raidbach dazu, in welchen
acht Schulen sind. An dieser Kirche sind drei Prediger
angestellt, ein Stadtpfarrer, welcher zugleich Pfarrer in
allen diesen Filialorten und Superintendent der Diözes
Schopf heim ist, welche aus 11 Pfarreien bestehet, und die
sämtlichen Ortschaften des Schopfheimer und Steinener
Viertels, also den größeten Teil der Landgrafschaft Sausenberg
begreift; ein Diaconus, welcher zugleich Lehrer
an der lateinischen Schule und Pfarrer in Hausen ist, und
ein Pf arr-Vikar...

Sprecher 1: In Schopf heim hätte also eine Fülle von Arbeit
auf den neu aufziehenden Pfarrer gewartet. Und ihr
wollte sich Hebel, wie sein Brief deutlich sagt, nicht unterziehen
. Selbst nicht um den Preis, dadurch auch endlich
Pfarrer oder besser Vorgesetzter des Pfarrers von
Hausen zu werden. Aber es war nicht nur die zu erwartende
Arbeitslast, die ihn davon abhielt, diese Pfarrei
anzustreben. Er hatte sich inzwischen in Karlsruhe auch
seelisch angesiedelt. Und er war nicht der Mann, aus eigenem
Entschluß etwas an sich zu reißen, das er haben
wollte, — zumal wo er das Erwünschte nicht so ganz
entschieden haben wollte. Diese Charaktereigentümlichkeit
Hebels zeigt sich im klarsten Licht, als wiederum
ein Jahr später eine sehr ehrenvolle Berufung zur Debatte
steht: Die evangelische Stadtpfarrei in Freiburg im
Breisgau. Hebel hatte nicht selbst um sie nachgesucht,
sondern sie war ihm angetragen worden. Am 3. Dezember
1806 schreibt Hebel an Gustave Fecht:

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