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HebeU ... wer nur Ja sagen darf, um Stadtpfarrer und
Universitätsprediger in Freiburg zu sein, das bin ich. Ist
mir so etwas an der Wiege gesungen worden? Steht so
etwas im Bohnenlied? Die Stelle ist mir angeboten. Sie
können denken, wieviel ich in beide Wagschalen zu legen
habe, wie es an mir zieht und zurückhält. Ich wollte
mich augenblicklich auf die Post setzen und hinaufreisen,
um mich droben, zu entscheiden, aber das Wetter ist gar
zu stürmisch. Unterdessen schwanke ich unentschlossen
hin und her wie ein Uhrenperpendikel. Wenn man mir
Zeit läßt bis zu den Weihnachtsferien, wenn sich bis dahin
das Wetter bessert, wenn ich gesund bin, so reise ich
doch hinauf und schaue mit eigenen Augen und komme,
wenn es auch nur auf eine Stunde wäre, nach Weil. Aber
schön wäre es, wenn Sie auf den möglichen Fall, daß ich
nicht fortkäme oder mich früher erklären müßte, sich fein
zusammensetzten, geheimen Rat hielten, und mir recht
bald ein Conclusum zuschickten, was ich tun soll.
(Forts, folgt)
Dr. Walther Reimer, Memmingen:
6ine //atomare*
Vertiefte Würdigung von J. P. Hebels Werk -
und Persönlichkeit schließt heute die Erkenntnis
ein, daß „Hebel kein Idylliker ohne Augenmaß
ist und daß man ihn nicht zu harmloser Gemütlichkeit
verzeichnen darf." Mit diesen Worten
fand es sich in einer Pressebesprechung des Buches
„Hebeldank — eine Huldigung in Sieben
Reden" zutreffend formuliert.
Für die Spannweite seines Wesens zwischen
einer heiter belebenden, stets auf reines Menschentum
gewendeten und glaubensstarken Gemütstiefe
einerseits und demgegenüber einem
Leidwissen, das ihn zwar tapfer sich bewähren,
doch auch wohl einmal bangen läßt, scheinen uns
zwei seiner Alemannischen Gedichte besonders
kennzeichnend zu sein. Sie gelten beide der vom
Dichter heimatlich geliebten Stadt Basel; es mag
sich lohnen, sie hier einander gegenüber zu stellen
.
Lesen wir da zunächst einmal wieder das an
Frau Meville gerichtete Gedicht „Erinnerung an
Basel", dessen Herzlichkeit und schlichte Lebensfülle
immer wieder neu beglückt, so viel sich auch
inzwischen in der ihrerseits turbulent gewordenen
, geschichtsträchtigen und kernhaften Stadt
am Oberrheinknie gewandelt haben mag:
Z'Basel an mim Rhi
jo dort möchti si!
Weiht nit d'Luft so mild und lau,
und der Himmel ist so blau
an mim liebe Rhi!
In der Münsterschuel
uf mim herte Stuehl
magi zwor jetz nüt meh ha,
d'Töpli stöhn mer nümen a
in der Basler Schuel.
(Mit den „Töpli" meint er die „Tatzen", also die
Ohrfeigen des gestrengen Herrn Lehrers — doch
weiter):
Aber uf der Pfalz
alle hüte gfallts.
O wie wechsle Berg und Tal
Land und Wasser überall
vor der Basler Pfalz!
Uf der breite Bruck
für si hi und zruck,
nei, was sieht me Herre stoh,
nei, was sieht me Jumpfere goh
uf der Basler Bruck!
Eis isch nümme do;
wo isch's ane cho?
's Scholers Nase, weie weh!
Git der Bruck kei Schatte meh
wo bisch ane cho?
V\[\on bei f>ebel
(Hier erinnert Hebel an ein seinerzeit stadtbekanntes
Basler Original, an den Buchbinder
Scholer, der mit einer besonders langen Nase begabt
gewesen sein soll. — Weiter im Text):
Wie ne freie Spatz
uffem Petersplatz
fliegi um und's wird mir wohl
wie im Buebekamisol
uffem Petersplatz.
Uf der gruene Schanz
in der Sunne Glanz,
woni Sinn und Auge ha,
lachts mi nit so lieblig a
bis go Sante Hans.
(Hier meint er die Sankt Johannis-Kirche):
s'Seilers Rädli springt;
los, der Vogel singt.
Summervögeli jung und froh
ziehn de blaue Blueme no,
alles singt und springt.
Und e bravi Frau
wohnt dort ussen au.
'Gunnich Gott e frohe Muet,
nehmich Gott in treui Huet,
liebi Basler Frau!
Dies ist fraglos ein mit leichter Hand geschriebenes
Gedicht zu guter Gelegenheit — eine
freundliche Schöpfung aus Heimatverbundenheit,
Jugendtraum und auch leiser Courtoisie, wenn
es auch wohl das Basel jener fern gewordenen
Zeit in seiner Ganzheit kaum erschöpft. Wir
möchten es indessen gewiß nicht missen — eben,
weil diese Reinheit des ausgesagten Empfindens
so wohltut! Da will es gar scheinen, als läge es
darüber gleich einem zarten Hauch von jenem
Bekenntnis zum „Ewigen Basel", wie es der
ranghohe Schweizer Dichter Emanuel Stickel-
berger in seiner Holbein-Trilogie dem großen
Bildner in die Seele gelegt hat. Dazu hier ein bemerkenswerter
Satz aus der Feder von Professor
Max Huber in seinem Geleittext zum zwölften
Bande der gesammelten Werke Stickelsbergers:
„Sein (also Holbeins) Heimatgefühl, das hier
wohl dasjenige des frei schaffenden Dichters ist,
kommt in überwältigender Kraft und Tiefe in
der Vision des „Ewigen Basel", die von keinem
Pinsel und Zeichenstift erfaßbar ist, zum Ausdruck
. Die Erlösung der sehnsüchtig harrenden
Kreatur vom Fluche der Nichtigkeit und Vergänglichkeit
ist hier wohl erstmals als auf das
geschichtlich Gewordene, an dem unsere Seele
hängt, ausgedehnt empfunden. Außer Jerusalem
und Rom hat sonst keine Stadt diesen Beinamen
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