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nommen; jedenfalls war ihm dies zutiefst schrek-
kende Erlebnis niemals aus der Seele gewichen.
Doch reicht dies für das Ausmaß solcher Leidvision
wohl kaum aus, auch nicht der Gedanke an
die Schauder solcher nächtlichen Wanderung mit
dem Grauen, das mondlich aus alter Burgruine
blinkt. Gewiß war Hebel der Dämonenglaube,
das Geisterwesen, wie es im Volke umging, nicht
unvertraut. Er verschloß seine Augen auch nicht
vor dem Bösen in der Welt, wehrte sich mit dem
ganzen ihm eigenen Lebensernst gegen wirklich
Böses.

Er hat an anderer Stelle einmal einen Traum
geschildert: „Ich sah etwas von der Hölle. Die
Verdammten lagen in der Gestalt heißer Fische
und anderer Seetiere in einem warmen Zimmer
zwischen Buchenblättern. Ich hauchte einen an,
das tat ihm wohl. Er sagte: „Die Luft, die Du
wieder ausatmen mußt, weil sie Dir schon zu
warm geworden' ist in der Brust, die kühlt mich.
So heiß ist es mir." Ich wollte ihm noch mehr
Kühlung zuhauchen, aber er steckte mir den
Kopf mit einem so entsetzlichen Ausdruck des
Wohlbehagens entgegen, daß ich vor Grauen
nimmer länger in seiner Nähe bleiben konnte."

Hebel war Christ in der Gewißheit der Erlösung
. Doch hier, vor der Autorität des Schrecklichsten
in dieser Welt, wie atomare Verwüstung es
in sich birgt, scheint auch das Helfende und Heilende
in Hebels Natur einmal verstummt zu sein.
Gewiß: Er erlebt hier im Gedichte „Die Vergänglichkeit
" eben diese Vergänglichkeit mit der
Vision vom Jüngsten Gericht; einen Krieg der
Menschen untereinander mit so fürchterlichen
Folgen wie denen durch Atomwaffen konnte er

nicht wohl ahnen! Das hier so Erregende, Bestürzende
liegt wohl darin, daß Hebels biblisch
gegründete Vision, in der die Vergänglichkeit
ihren schauerlichstem Triumph feiert, sich* in
ihren greif- und meßbaren dinglichen Einzelheiten
als schlechthin atomare Realität erweist. Das
erinnert auch an einen Satz Hebels in einem seiner
Briefe an Gustave Fecht, wo er schreibt: „Ich
glaube, daß am Jüngsten Tag die Morgenröte
lauter Blitz sein wird und der Donner Schlag auf
Schlag die Morgenwache antrommeln werde und
wie sich die Leute wundern werden, daß es nimmer
Nacht werden will." Weist dieses Wort nicht
auf den Atomblitz hin? Jedenfalls macht Hebels
Aussage über das Jüngste Gericht die Ungeheuerlichkeit
der menschlichen Anmaßung deutlich
, aus eigener Vollmacht es am Tage X zur
Auslösung kommen zu lassen — wie will da sder
Mensch vor Gott solche Verantwortung, die zugleich
die letzte Verantwortungslosigkeit wäre,
nur tragen?

Doch genug! Kehren wir noch einmal zurück
zum „Ewigen Basel!" Zwischen der verklungenen
Idyllik Basels aus Hebels frühen Tagen mit dem
innigen Pathos daseinsfroher Heimatliebe im
ersten Gedichte und der — wie wir zuversichtlich
hoffen und| glauben wollen — für ewig utopischen
Vernichtung der Rheinstadt mit dem
makabren Pathos atomaren Schreckens im Gedicht
von der Vergänglichkeit steht unser „ewiges
Basel", heute mit dem Titel einer „Drehscheibe
Europas", ^Woraus sich das prätentiöse
Pathos diesseitsgläubiger Repräsentanz äußert.

Möge es gültig bleiben — wie heute, so unmeßbar
über das Jahr 2000 hinaus!

Konstantin Schäfer, Neuenburg:

Vorn ^Balten bze Kedjtö

ii

Karl V. und der Neuenburger Rechtsstreit

Um das Jahr 1100 erbaute im Lahntal ein
Graf von Laurenburg die feste Burg Nassau.
Nach dieser Burg führte von 1160 an das Geschlecht
den Namen Grafen von Nassau. Obwohl
oder ge'rade weil dieses Geschlecht keine starke
Hausmacht auf sich vereinigte, wählten die Kurfürsten
im Mai 1292 den Grafen Adolf von Nas-
sau zum König, um der Botmäßigkeit des wegen
seiner Härte und Habgier gefürchteten Allbrecht,
eines Sohnes von Rudolf von Habsburg zu entgehen
. König Adolf mußte bestrebt sein, sich
unter den Fürsten und Städten Freunde zu schaffen
. So verlieh er noch im gleichen Jahre am 23.
Dezember 1292 von Basel aus der Stadt Neuenburg
am Rhein einen umfangreichen Freibrief,
die sogenannten Adolfinischen Privilegien. Mit
ihnen war der Stadt ein Recht eingeräumt worden
, das im Laufe der Jahrhunderte zu einer
Quelle der Streitigkeiten und Gewalttätigkeiten
mit den angrenzenden Gemeinden diesseits und
jenseits des Rheines werden sollte.

Absatz 60 der Privilegien lautet: „Wir schenken1
ihnen auch] alle trockenen Stellen oder Inseln

(Grüner) auf dem Rhein und neben dem Rhein,
die sie bisher im Besitz hatten und die der Rhein
zwischen Belliken (Bellingen) und Grißheimb
(Grißheim) auch fernerhin in seinem Lauf noch
bilden wird."

,>

Da der praktische Wert eines verliehenen
Rechtes auch von der Macht und dem Ansehen
des Spenders abhängt, war es für Neuenburg von
Bedeutung,* daß die Stellung König Adolfs
schwach war. Albrecht hatte dessen Königtum
von Anfang an bekämpft. Um sich eine Hausmacht
zu schaffen, bemächtigte sich König Adolf
von Nassau auf nicht gerade rühmenswerte Weise
Thüringens und Meißens. Er zog sich dadurch
das Mißtrauen der Fürsten und den Unwillen
des Bischofs Gerhard von Mainz zu, der sich in
seinen Hoffnungen auf ein willfähriges Werkzeug
für seine eigenen Machtansprüche enttäuscht sah.
Die Fürsten setzten Adolf von Nassau als König
ab und wählten an seiner, Stelle Albrecht. In dem
folgenden Kampf verlor 1298 Adolf sein Leben.
Neuenburg war mit den Städten auf der Seite des
Königs gestanden. Wohl bestätigte selbst der
neue König Albrecht aus taktischen Gründen

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