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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1967-12/0011
Otto Ernst Sutter, Gengenbach:

ttbzmbilhzt

i.

Deutschland — deine Schwaben

Von Thaddäus Troll, dem Verfasser zahlreicher
, geschliffener, humorgewürzter Beiträge in
Tageszeitungen und Zeitschriften, ist jüngst bei
Hoffmann und Campe in Hamburg ein Buch erschienen
: „Deutschland — deine Schwaben." Eine
amüsante Lektüre! Amüsant, weil der Autor seine
Landsleute1 nicht im landläufigen Sinn verherrlicht
, sondern in ihrer ganzen unverfälschten Lebenstüchtigkeit
schildert. Die Schwaben werden
nicht im Glorienschein eines erlesenen Volksstammes
sondergleichen vorgeführt, erscheinen
vielmehr im Licht ihrer menschlichen Eigenart
und ihrer Schwächen. Sie so zu zeigen, wie sie
in diesem Band Thaddäus Trolls gekennzeichnet
werden, würde einelm Nichtschwaben kaum gelingen
, dafür freilich bös angekreidet werden. ..

Erinnert wird der Leser an die schwäbischen
Bauern wie an die schwäbischen „Herren", an die
unbequemen Untertanen wie an die Stillen im
Lande und natürlich auch an die vielen großen
Geister, auf die jenes bekannte Wort geprägt
wurde, das der Württemberger gern zitiert:

Der Schelling und der Hegel,
Der Schiller und der Hauff:
Das ist bei uns die Regel,
Das fällt uns gar nicht auf.

„Schwäbischer Sex" kommt nicht zu kurz.
Schwäbischer Wein und schwäbische Küche! und
das „Wirtschäftle" machen den Lesenden gelüstig»
sie selbst wieder einmal erproben zu können.
Doch mag es bei diesen paar Hinweisen bleiben —
nur eine Kostprobe aus dem köstlichen Buch mag
hier verzeichnet stehen:

„Der Großvater ist gestorben. Er war kein
Schwabe, denn sein Lebtag hat er dem Herrgott
einen guten Mann sein lassen und ihm die Zeit
gestohlen. Er wird verbrannt. Seine schwäbischen
Nachkommen besinnen sich, wie man wenigstens
die Asche nutzbringend verwenden könnte — da
kein winterliches Glatteis — Pietät hin, Pietät
her, streu den Großvater! — sich als Zweck anbietet
, schlägt die Schwiegertochter vor: „Sei
Lebdag hot er nix do. Deant mer sei Äscha en
d'Oieruhr, (Eieruhr), no muaß er jetzt wenigstens
no ebbes schaffa!"

Es sei erlaubt* an den kurzen Hinweis auf das
Buch Thaddäus Trolls einige schwäbische Erinnerungen
des Schreibers dieser Zeilen anzuknüpfen.
Während des Jahres 1955, das ich, einbezogen in
Aufbau und Betreuung der Baden-Württembergischen
Landesausstellung, in Stuttgart verbrachte
, hatte ich bei freundlichen Schwaben Quartier
gefunden. Der Herr dies Hauses war tagsüber im
Büro. Ich bekam ihn kaum zu Gesicht, doch erzählte
mir seine gesprächige Gattin mit besonderer
Vorliebe von seinen Liebhabereien. Als er im
Sommer sich im Urlaub befand, erfuhr ich» daß
er an der italienischen Riviera die Ferien verbringe
, aber unglücklich darüber war, daß er bei

der holden Weiblichkeit nicht das Interesse fand,
auf das er gerechnet hatte. Sie habe, so erzählte
mir die Strohwitwe, durchaus nichts dagegen,
wenn ihr Mann Anschluß fände und setzte mir
zugleich auseinander, wie es etwa dazu kommen
könnte. Während sie, die mir das Frühstück gebracht
hatte, zur Tür sich wandte, drehte sie sich
noch einmal um: „Besser er find't koine — no
spart er Geld!"

Als ich einmal vor der ersten Morgendämmerung
aufstehen mußte, um den frühsten Zug nach
Ulm zu erreichen, wo ich in Sachen der Beschik-
kung der Ausstellung mit der Stadt zu verhandeln
hatte und das elektrische Licht anknipsen wollte,
flammte dieses nicht auf. Ich schlüpfte in den
Morgenrock, um zur Schlafzimmertüre des Ehepaars
neben der meinen zu schleichen und: dort
zu klopfen. Doch schon erschien der Hausherr:
„Gell's Licht brennt net. Sie habet vergesse der
elektrisch Ofe abzschalte. I hab's ghört am Zähler
." Ich machte geltend, das täte ich oft einmal.
Wärme im Zimmer und frische Luft von draußen
seien nach meinem Geschmack. Und außerdem
bezahlte ich ja den Strom über einen eigenen
Zähler. Darauf der Hausherr: „Mer kann au für
fremde Leut' spare."

*

Unvergeßlich übrigens ist mir die wahrhaft
unermüdliche Arbeit der Handwerksleute, die am
Aufbau der Ausstellung beteiligt waren. Auf meinen
Vorschlag war mit dem damaligen baden-
württembergischen Wirtschaftsminister, Dr. Veit,
darüber gesprochen worden, wie es gehalten werden
solle, weinn die -Arbeiter im Hinblick auf den
festgelegten Eröffnungstermin eine Erhöhung der
tariflichen Löhne fordern sollten. Aus vielfachen
Erfahrungen, die ich bei Messen und Ausstellungen
gemacht habe, schlug ich einen etwaigen Zuschlag
bis zu 20% der festen Vergütung vor.
Allein, niemand verlangte einen solchen Zuschlag,
dafür griffen die Handwerker aller Sparten, je
mehr es dem Anfang der Schau entgegenging,
desto intensiver zu ...

Mir fiel dabei ein, daß Heinrich Hansjakob in
seinen Reiseschilderungen den „tüchtigen Schwaben
" mehrfach Lob spendet. ..

*

Während ich gelegentlich eine Gruppe hoher
Beamter durch die historischen Ausstellungssäle
der vielleicht etwas zu breit geratenen Schau
schleuste — solche Gäste zu führen, war übrigens
unerquicklich, weil die Herren häufig nicht
zuhörten, sondern sich in Privatgespräche verloren
— sprach mich ein bäuerlicher Besucher an,
um sich zu erkundigen, ob er für die Gesellschaft,
mit der er nach Stuttgart gekommen sei, auch
eine solche Führung erbitten könne und was sie
koste. Ich erklärte, sie koste nichts, und ich würde
mich freuen, ihn und seine Mitbürger zu führen.
Gleichzeitig vereinbarte ich Zeit und Treffpunkt
mit ihm. Am Nachmittag zur ausgemachten Stunde
standen etwa 40 Frauen und Männer am Eingang
zur ersten großen Halle. Sie waren aus ei-

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