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möchten wir unsere Leser und Freunde in der Heimat, im Elsaß und der Schweiz und draußen
in der weiten Welt recht herzlich grüßen. Unser Gruß und unsere Wünsche sollen ebenso allen
unsern Mitarbeitern gelten und unsern getreuen Gönnern und Inserenten, die durch ihre verständnisvolle
Unterstützung unsern Dienst an der Heimat mit ermöglicht haben.
Wir wünschen frohe Festtage, für 1968 Gesundheit, Glück und Segen und Frieden.

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Redaktion und Verlag
Konstantin' Schäfer

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sonderen die Wesensart seiner Bewohner, dabei
auch Goethe huldigend. Die Frankfurter hätten,
so fügte er ein, von eh und je gewußt, mit Dichtern
und zumal mit Philosophen gut umzugehen.
Dann gab er die folgende — vermutlich von ihm
ausgedachte — Anekdote zum besten:

„Schopenhauer ist ungefähr 1831 nach Frankfurt
gekommen. Er freundete sich mit unserer
Stadt am Main an. Täglich speiste er zu Mittag
im „Englischen Hof" auf der Zeil. Dort las er auch
die „Times", die Zeitung, von der er behauptete,
nur wenn man sie lese, sei man vor Unwahrheiten
gesichert. So blieben die Dinge bis etwa 1850.
Da wurde Schopenhauer der ständig wachsende
Umtrieb im „Englischen Hof" unerträglich. Der
„Deutsche Bund" war nach Zusammenbruch der
Achtundvierziger Bewegung wieder ins Kraut geschossen
. Im „Englischen Hof" spielten die Gesandten
und Diplomaten und Repräsentanten der
deutschen Länder — in Frankfurt hatte ja der
Deutsche Bund das, was er für ein Parlament
hielt, seinen Sitz — eine immer lebhafter und
lauter sich gebärdende Rolle. Arthur Schopenhauer
fühlte sich beim Lesen der „Times" empfindlich
gestört. Bei einem ihm bekannten
Frankfurter erkundigte er sich, ob es nicht einen
öffentlichen Lesesaal gebe, in dem man in Ruhe
Zeitung lesen könne. Man empfahl ihm, in den
Bürgerverein — Binding, der sein Vergnügen am
Frankfurter Dialekt hatte, sagte, „Berscher-
veroin" — einzutreten. Der Bürgerverein halte
eine gute Bibliothek und einen gemütlichen Leseraum
. Kurz entschlossen, meldete sich Schopenhauer
im Bürgerverein als Mitglied an. Nun war
um 1850 der Philosoph schon eine weltberühmte
Gestalt. Aber den Frankfurtern hatte er offenbar
bis jetzt noch keinen besonderen Eindruck
gemacht. Sie beurteilten den Menschen vor allem
nach seinem Geldbeutel. Justament, als in der
nächsten Vorstandssitzung die Neuanmeldungen
zur Sprache kamen, sagte der Präsident, es habe
sich noch Einer angemeldet, der heiße Schopen-
heuer oder Schopenhauer oder so ähnlich und ob
jemand den Mann kenne. Da meldete sich ein
Mitglied zu Wort und erklärte, den Schopenhauer
— so heiße er nämlich, nicht Schopenheuer und
nicht Schopenhauser, sondern Schopenhauer —
den könne man nicht aufnehmen, der glaubt nicht
an Gott. Der Präsident war von dieser Auskunft
sichtbar betroffen und schien zu überlegen, was
er erwidern wolle — da meldete sich ein zweiter
Redner und bemerkte, das stimmt, daß der Mann

nicht an Gott glaubt — aber dabei handelt es sich
um das Geschäft des Mannes. Alle atmeten erleichtert
auf und einhellig wurde die Aufnahme
Schopenhauers in den Bürgerverein beschlossen."

Binding aber von hellem Beifall umbrandet,
sagte: „Wie soll man sich in einer so toleranten
Stadt nicht wohl fühlen!"

Auch eigene anekdotische Erlebnisse erzählte
Binding im Freundeskreis gern und vor allem
unvorstellbar fesselnd — mag sein, es ging dabei
ein wenig um Dichtung und Wahrheit. Eine Begegnung
mit dem Leiter des Finanzamtes in
Sprendlingen — obwohl Buchschlag, wie bereits
gestreift, unmittelbar vor den Toren Frankfurts
lag, war es in Hessen steuerpflichtig — schilderte
Binding unsagbar köstlich. Er war aus dem Bürgermeisteramt
auf seinen Wunsch ausgeschieden.
Rechtzeitig hatte er seine Steuererklärung abgegeben
. Da wurde er vom Finanzamt vorgeladen.
Der Regierungsrat, der oberste Beamte des
Finanzamts, zu dem man ihn führte, empfing den
Dichter betont reserviert. Ob Herr Rudolf G. Binding
annehme, das Finanzamt glaube ihm, daß
er als Schriftsteller wirklich nur die bescheidene
Summe verdient habe, die in seiner Erklärung
angegeben sei? Binding lächelte — er konnte bezwingend
lächeln — und erwiderte in aller Ruhe,
er würde sich freuen, wenn er höhere Einkünfte
hätte angeben können. Der Regierungsrat wies
auf die Beiträge Bindings hin, die im Feuilleton
der „Frankfurter Zeitung" von Zeit zu Zeit erschienen
. Binding: „Auch die Frankfurter Zeitung
hat sich noch nicht soweit erholt, daß sie fürstliche
Honorare zahlen kann." Der Regierungsrat:
„In allen Buchhandlungen sind in den Auslagen
Bücher von Ihnen zu sehen." Binding noch gelassener
: „Ja, sehr verehrter Herr Regierungsrat,
Ihnen und mir wäre mehr damit gedient, wenn
meine Bücher, anstatt in den Schaufenstern der
Buchhandlungen auf den Bücherbrettern unvorstellbar
vieler Leser stünden." Frostig wurde
Binding entlassen. Aus eigener Machtvollkommenheit
hat dann das Finanzamt den Betrag der
Einkünfte, freilich in recht bescheidenem Umfang
erhöht. Binding ließ es dabei bewenden. Im
nächsten Jahr aber, als er wieder nach Sprendlingen
gebeten wurde, nahm er sich vor, den Herrschaften
im Finanzamt den Meister zu zeigen.
Allein, die Dinge liefen völlig anders, als Binding
befürchtet hatte. Man empfing ihn außerordentlich
höflich. Der Herr Regierungsrat floß ordentlich
über von Freundlichkeit und Entgegenkom-

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