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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-01/0004
Hebel in der Karlsruher Presse

Josef M. Fieser: gfo §UüttüangtC \T\ VWPP^VQ

Johann Peter Hebel überlieferte die bekannte Anekdote der Nachwelt

Auch heute noch ist die Geschichte vom „tapferen
Rekruten", der auf einsamem Posten 12 angreifende1
Franzosen abwehrte und in seiner Einfalt
der Meinung war, er habe es mit ein und
demselben Angreifer zu tun, in Furtwangen und
Philippsiburg unvergessen. Über 200 Jahre sind
seit jener Episode auf den Wällen der alten
Reichsfeste Philippsburg vergangen und kein Geringerer
als Johann Peter Hebel war es, der dem
Rekruten aus dem Schwarzwald ein unsterbliches
Denkmal setzte.

1819 erschien die Kalendergeschichte zum erstenmal
im „Rheinländischen Hausfreund" und
wurde bald landauf, landab bekannt. Später wanderte
sie in viele Gedichtsammlungen und Lesebücher
, bis sie ab 1836 von der dichterischen
Form Karl Simrocks unter dem Titel „Der
Rekrut von Philippsburg" mehr und mehr verdrängt
wurde. Gottlob haben wir diese Art deis
„Furor teutonicus" heute überwunden, so daß
wir uns an der Wärme und Herzlichkeit, am
lächelnden Humor und der tiefen Menschlichkeit
der Hebeischen Erzählkunst von Herzen freuen
dürfen.

Selbstverständlich hat eine solche Erzählung
immer wieder Interessenten gefunden, die sich
darum bemühten, die historische Wahrheit zu
finden, Hebel selber teilt zu Beginn seiner Kalendergeschichte
mit, daß sich die Episode im
Jahre 1734, also zur Zeit des Polnischen Erbfolgekrieges
, zugetragen habe. So sehr man aber Geschichtswerke
jener Zeit im Blickpunkt auf den
Rekruten von Philippsburg durchstöbert, nirgends
wird einem nähere Kunde über die Tat oder gar
über die Person des einfachen Rekruten. Auch
nicht die breit angelegte Heimatgeschichte von
Hieronymus Nopp aus dem Jahre 1881 zeigt eine
Spur auf, obwohl die erwähnte Belagerung Phi-
lippsburgs durch die Franzosen aufs genaueste
beschrieben ist. Auch Nachforschungen in Furt-
wangen, der Heimat des tapferen Rekruten, haben
keine Ergebnisse gezeigt. Anfragen beim Heeresarchiv
in Wien verliefen ebenfalls ergebnislos,
da Namenisilisten der Reichstruppen erst aus der
2. Hälfte des 18. Jahrhunderts vorhanden sind.

Möglicherweise könnte Johann Peter Hebel
die Geschichte vom Rekruten bei einem Besuch
in Philippsburg selbst vernommen haben. Als es
im Verlauf der Französischen Revolution zu Auseinandersetzungen
zwischen Frankreich und
Österreich/Preußen kam, bezogen die Kaiserlichen
ein Feldlager bei Philippsburg. Nach einer
Notiz in der „Karlsruher Zeitung" Nr. 94 wurde
das Kriegslager „von sehr vielen Neugierigen
stark und täglich besucht." Unter diesen Neugierigen
befand sich denn auch J. P. Hebel. In einem
Brief an Gustave Fecht schrieb er 1792 nämlich
u. a. .. „Dafür erzähl ich Ihnen etwas Artiges,
das ich im Lager zu Philippsburg gesehen habe.
Das Lager wurde nicht eher bezogen, als bis die
Ernte aus dem Felde war. Ein einziger Acker
stund noch da, der nicht konnte geleert werden,
weil er mit Grundbirn besetzt war. Um ihn zu
schonen, wurde bei der Errichtung der Zelten
darauf Bedacht genommen, daß er zwischen zwei
Reihen kam. Alles lief zwar hinüber und herüber,
aber keine Staude war ausgerissen, keine zertreten
!" Und. der „Kalendermann" fährt in seinem
Briefe fort: „Ist es nicht ein artiger Anblick, mitten
in einem Lager einen angebauten, geschonten
und gleichsam in militärischen Schutz genommenen
Acker anzutreffen und die Sicherheit des
Friedens und die Anstalten des Krieges so nahe
beieinander zu finden? Ich mache es mir zur
Pflicht, zur Ehre der Kaiserlichen, diesen schönen
Beweis der Menschlichkeit, so ich kann, bekannt
zu machen!"

Die Vermutung liegt nahe, daß der Dichter
bei seinem Besuch in Philippsburg auf die Geschichte
vom Rekruten gestoßen sein könnte,
waren zu jener Zeit doch noch genug Leute am
Leben, die davon zu erzählen wußten!

„BNN", Nr. 282, 2.12.1967 — Spiegel der Heimat

Erich Theodor Hock:

ftebelgefcWcWe für ©otoietFinbei:

Wer kennt nicht Hebels launige Erzählung
vom „Seltsamen Spazierritt", aus der man erfahren
kann, daß es unmöglich ist, es allen Leuten
recht zu tun? Im ersten Augenblick mag uns
überraschen, daß wir diese Geschichte in russischen
Kinderbüchern, Schulbüchern, sogar in einer
Anthologie für Russischlernende finden, die
in einer gewaltigen Auflage über die ganze Welt
verbreitet ist. Zwar steht sie da nicht in Hebels
Wortlaut, und auch der Name unseres alemannischen
Dichtersf bleibt ungenannt. Nun hat ja, wie
man weiß, Hebel die Fabel auch nicht selbst erfunden
; trug er doch seine Stoffe von überall zusammen
, wenn sie ihm nur zusagten. Aber in
Hebels Fassung ist die Geschichte nun einmal berühmt
geworden. Und so ist es nicht schwer, zu
erklären, wie sie nach Rußland gelangt ist. Schon
zu Lebzeiten Hebels wurden viele seiner Gedichte
und Erzählungen übersetzt und gern gelesen.

Nicht nur am Zarenhofe, wo zwei süddeutsche
Prinzessinnen — die Kaiserin Elisabeth, eine
Badnerin, und die Kaiserin-Mutter, eine Würt-
tembergerin —, Literatur und Kunst pflegten.
Der Nationaldichter Puschkin, der sich erst über
Hebels „Provinzialismus" mokierte, hat später
die „klassische Einfachheit" der Hebeischen Dich-

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