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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-01/0005
tungen gerühmt. Eine ganze Reihe russischer He-
bel-Uberisetzer läßt sich nachweisen, der weitaus
bedeutendste unter ihnen ist aber Puschkins
Lehrmeister Wassilij Shukowskij, der mit vielen
deutschen Dichtern seiner Zeit — auch Goethe —
persönlich bekannt und befreundet war, dar in
meisterhaften Nachdichtungen seinen Landsleuten
die deutsche Romantik erschlossen hat. Er verbrachte
seinen Lebensabend in Baden-Baden, wo
er auch starb, und in Karlsruhe hat er\ einen Teil
seiner Werke gedruckt.

Auch Leo Tolstoj gehörte zu Hebels Bewunderern
. Er sagte einmal: „Hätte Rußland nur
einen Hebel, es würde ihn mehr lieben und fleißiger
lesen, als dies die Deutschen tun." Tolstoj
hat einige Geschichten Hebels für seine Lesebücher
eigens ins Russische übersetzt, und in seinem
Herrensitz Jasnaja Poljana kann man in der riesigen
Bibliothek noch seine Hebelausgabe sehen
(die dreibändige Gesamtausgabe in einem Band
von 1853, gedruckt in Karlsruhe). Tolstoj hat sie
von einer Reise mit nach Hause gebracht, und
zahlreiche Bleistiftnotizen zeugen von einer sorgfältigen
Lektüre.

Wir dürfen mit einiger Sicherheit annehmen,
daß die moderne Bearbeitung des „Seltsamen
Spazierritts" auf eine ältere Übersetzung der Geschichte
ins Russische zurückgreift. Man kann
aber auch vermuten, daß der sowjetische Dichter,
der sie in neuer Gestalt bietet, aus dem Original
kennt, — als Übersetzer Heines hat er gezeigt,
daß er die deutsche Sprache beherrscht. Sein Name
ist Samuil Marschak (1887 — 1964). Bei uns
kennt man ihn wenig, aber in Rußland ist er, besonders
auch als Kinderdichter, sehr berühmt
und beliebt. Seine Popularität geht daraiuf zurück,
daß er abseits der hohen Politik sich mit den kleinen
Freuden undl Leiden des Alltags befaßt, daß
er freundlich, verständnisvoll und guter Laune
ist, daß er eine außerordentliche Fähigkeit besitzt,
in scheinbar einfachster Form alles angenehm
und lustig zu sagen. Seine Einfachheit ist bei
näherem Hinsehen aber recht kunstvoll, denn je

mehr sich der- Dichter in Assonanz, Rhythmus
und Wortwahl auf ganz wenige Elemente beschränkt
, desto schwerer macht er es sich. Mar-
schaks Sprache ist volkstümlich, sie „geht ein";
was man einmal gehört hat, behält man gleich
auswendig. Auch fehlt nie eine Prise unauffällige)
nützliche Beiehrang, die unverbindlich angeboten
wird!. Man sieht — er hat allerlei mit Hebel
gemein.

Marschak hat seine Vorlage versifiziert und
auch sonst einige Details frei behandelt. Dennoch
erscheinen die Veränderungen als geringfügig,
und vielleicht hätte Hebel — lebte er heute —
ähnlich empfunden und geformt. Unsere Verdeutschung
versucht, die formalen Elemente zu erhalten
, erhebt aber nicht den Anspruch, mit der
großartigen Einfachheit und Geschlossenheit des
Originals, mit der Kunst seiner Redewendungen
und Klangeffekte zu konkurrieren.

Der Müller, der Junge und der Esel

Ritt auf dem Esel ein Müller die Straß.
Hinter ihm trottet sein Bübchen fürbaß.
Schau bloß, —> so sagen die gaffenden Leut,

— Bübchen muß laufen; sein Alter, der reift.

Unerhört so was! Und unmöglich so was!
s' Bübchen muß laufen; sein Alter, der reift!
Ab steigt der Alte, will gehen zu Fuß,
Weil jetzt der Junge bequem sitzen muß.

— He du — ein Wand'rer sich einmischt und schreit:

— Mußt, Alter, laufen, weil's Bübchen gern reit'?
Unerhört so was! Und unmöglich so was!

Vater muß laufen, und 's Bübchen, das reift!

Vater und Junge schnell sitzen jetzt auf.
Beide schleppt Eselein, müd' wird sein Lauf.

— Pfui doch, so schimpft da erneut ein Passant,

— Doppelte Last man dem Esel aufband!

Unerhört so was! Und unmöglich so was!
Doppelte Last man dem Esel aufband. —
Ab steigen beide und gehn nun zu Fuß:
Vater den Esel jetzt schleppen muß.

Jeder, der 's sieht, ans Köpfchen sich schlägt:

— Schaut bloß, e i n Esel den a n d e rn dort trägt!
Unerhört so was! Unmöglich so was!

Schaut bloß, ein Esel den andern dort trägt.—

Aus den „BNN" entnommen.

, Gengenbach: ßm ^ZM^tUlQ DH HÖÜt)elm OÖ^üftV

Am 20. Januar jährt sich der Geburtstag des
Dichters Wilhelm Schäfer zum hundertsten Mal.
Der Sohn einer Handwerkerfamilie wuchs im
oberhessischen Dorf Ottrau auf, das dem Schwelmer
Landstrich zugehört. Als Lehrer, zu dem er
in Düsseldorf ausgebildet worden war, unterrichtete
Wilhelm Schäfer bis 1896 an Volksschulen in
Vohwinkel und Elberfeld, zugleich indessen früh
schon als Schriftsteller, erfolgreich sich versuchend
.

In der Reichshauptstadt, in der damals ein
überreiches literarisches Leben am Zuge war, wodurch
Wilhelm Schäfer mächtig sich angezogen
fühlte, sah er sich vor allem durch Richard1 Dehme
! gefördert, die Freundschaft des bereits anerkannten
Dichters genießend. Aufenthalte in Paris,
in der Schweiz und in Tirol weiteten Wilhelm
Schäfers Gesichtskreis. Seßhaft für längere Zeit
wurde er am Rhein, erst in Braubach und später

in Vallendar, wo er den „Verband der Kunstfreunde
in den Ländern am Rhein" ins Leben
rief. Diese Vereinigung, die rasch sich zu entwik-
keln vermochte — auch der diese Zeilen der Erinnerung
Aufeichnende gehörte zu ihr — verfügte
über zahlreiche Mitglieder in der ehemaligen
Rheinprovinz, in Westfalen, im Hessischen,
in der Pfalz, an der Saar, in Baden, in Württemberg
wie im Elsaß und in der deutschsprechendiefn
Schweiz. Die gleichzeitig gegründete Zeitschrift
„Rheinlande" verhalf vielen jungen Künstlern,
Malern, Bildhauern, Schriftsteller u. a. zu erster
Geltung.

Von Vallendar verzog Wilhelm Schäfer nach
Hofheim im Taunus und von hier nach Ludwigshafen
am Bodensee, wo er beinahe drei Jahrzehnte
lebte, bis er am 19. Januar 1952 die Augen
schloß.

Die Feder Wilhelm Schäfers war beinahe un-

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