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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-01/0008
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„Das ligt ehalt iber alle Lilie n

in de Gärte"

Trauer und Hoffnung in den
Sundgau-Gedichten
von Nathan Katz.

Annerose Frenzel, Neuenburg:

?um 75. (Geburtstag von

nattjan Rab

am 24. >öcjembcc 1967

D' Unrüebj in de Nacht

Wennn dter zähe Morgennebel überm Rheintal
sich lichtet, erscheint drüben in der Kette der
Vogesen der Bergrücken mit dem riesigen Kreuz,
der Hartmannsweilerkopf klar wie Spinnweb im
glasigen Dunst. Er streckt den Zeigefinger seines
Ehrenmales weit über die Landschaft am Oberrhein
.

Was aus der Ferne das eindruckvollste Mahnmal
, will beim Besuch der Gräberfelder über das
Faßbare, Begreifliche hinausgehen. Soviel Ordnung
, Ruhm, Ehre und Grandeur! Das macht
stramme Gesichter und baut der Rührung alter
Männer mit Schärpen und Fahnen vor.

Das Eigentliche beginnt in den Grabensystemen
am Hang des Berges, an den einzelnen Gräbern
oder kleinen Gräberfeldern unten im Sundgau
, an einem einsamen Kreuz in den Feldern.

Mänkmol wenn de z* nacht dusse tüesch geh,
De weisen nit, was das isch,
Wu der's Harz im Lib so zämmechrampft:
Wie wenn ebber z'Hilf rieft, isch's iberem Fäll.
Das sin dToti wu kä Rüehj hai unger em Bode.
Alli, wu si verdulbe hai im lange Chrieg,
Un wu jetz vergässe lige
Enaime n im Weisefäll. —

Kein Glanz und Leichenpomp reicht an diese
Dialektddchtung von Nathan Katz. Feuchtigkeit
und Finsternis, der Geruch modernden Laubes
weht aus diesen Versen von zeitweilig erschrek-
kendem Realismus.

D'Ähri zittere n im wite Baan —

O die aremi Seele, wu um ihr churz Läbe grine,

Jungi Büebe, wu färchterlig hai lide miesse,
Un jetz so vergässe dolige. —

Durch die Verleihung des Oberrheinischen
Kulturpreises an Nathan Katz wurde auf den
hohen Wert seiner Dichtung hingewiesen. Doch
damit ist es nicht getan. Wir Menschen am Oberrhein
sollten gewahr werden, welche ausgereifte
Kostbarkeiten deutscher Sprache das benachbarte
Elsaß birgt.

Das sind Werke von später, hoher Reife, die
durch ihre leichte Zugänglichkeit jeden aufgeschlossenen
Leser überraschen und in ihren Bann
schlagen. Da dachten wir immer, nur Hebel habe
das in seiner „Vergänglichkeit" gekonnt: Auf alemannisch
Schauer über den Rücken zu jagen und
die Tiefen der Zeit aufzublättern.

Der Beiche stoht verchohlt, der Blaue au,
as wie zwee alti Thürn,
und zwische drinn isch alles use brennt,
bis tief in Bode abe.

Hebels apokalyptische Schau der fernen Zukunft
ist mild und versöhnlich, weil er — Wu sin
sie? Seig du frumm, und halt die wohl, — weil
er seinem Bild vom Menschen diese letzten
Greuel nicht zumutet. Anders Nathan Katz, dem,
als Elsäßer in beide Weltkriege hineingeboren,
das Äußerste an menschlichem Leid zugeteilt war.
Er befreit sich vom Erlebten und Erlittenem
ähnlich wie der junge Georg Heym sich um die
Jahrhundertwende von seinen quälenden Visionen
von kommendem Tod und Verwüstung in
seinen schaudiervollen Gesängen befreite.

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