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im ersten Weltkrieg die Front sich durch das
obere Kaysersberger Tal zog, blieb Kaysersberg
verschont, zahlte aber im Winter 1944/45 schweren
Tribut.' Kaysersberg war seit dem 14. Jahrhundert
Sitz der gleichnamigen Reichsvogtei, die
die verschiedenen Reichsbesitzungen bei Colmar
zusammenfaßte. Auf der Burg saß der Reichsvogt
; die Vögte gehörten meistens elsässischen
Adelsgeschlechtern an. Unter den Reichsvögten
war wohl Lazurus von Schwendi, der Sieger über
die Türken, der hervorragendste. Die Burg
wurde 1632 von den Schweden zerstört. Von
derselben stehen noch ein runder Turm mit besonders
dicken Mauern, ein Teil eines Eckturmes
und die Umfassungsmauern, die sich, wie schon
gesagt, rings um die Stadt fortsetzen.
, Die Kaysersberger Talbahn, die das Städtlein
mit Colmar seit dem Jahre 1885 verband, eine
schmalspurige Dampfstraßenbahn, gehört seit
Jährzehnten der Vergangenheit an und ist durch
Busbetrieb ersetzt worden. Manches gelungene
Intermezzo wußte man von dem Bimmelbähnle",
in dem man leicht „seekrank" werden konnte und
dessen Lokomotive im Aufwärtsfahren Wolken
von Rauch und Dampf ausspie.
Berühmte Kaysersberger
Den Namen des Städtleins trägt in der Geschichte
der berühmte Straßburger Münsterprediger
Dr. Johannes Geiler von Kaysersberg. Er
selbst war nicht hier geboren, sondern zu Schaffhausen
(1445), doch stammten seine Eltern aus
dem Städtlein. Nach dem frühen Tode des Vaters
als Stadtschreiber von Ammerschweier, — er
wurde auf der Jagd von einem Bären tödlich verwundet
, — wurde Geiler in Kaysersberg beim
Großvater; erzogen, wekhalb er selbst an dem Namen
„von Kaysersberg" Zeit seines Lebens hielt.
Er studierte in Freiburg und war schon mit
22 Jahren Dekan der dortigen philosophischen
Fakultät.
Dann kam er nach Basel zum Studium der
Theologie und Philosophie, kehrte aber wieder
nach Freiburg zurück, wo er 1477 Rektor wurde.
Die größten Ehrungen schlug er aus; er wurde
Münsterprediger in Straßburg und blieb es während
über drei Jahrzehnten. Rücksichtslos geißelte
er die Mißstände in Kirche und Gesellschaft,
und von weither strömten seine Zuhörer herbei,
um seinen Worten zu lauschen. Am Fuße der für
ihn errichteten spätgotischen Münsterkanzel wurde
er 1510 bestattet.
Albert Schweitzer berichtet in seinem Werk
„Aus Kindheit und Jugendzeit", er sei stolz in
Kaysersberg, der Geburtsstadt Geilers, im Januar
1875 geboren zu sein. Das evangelische
Kirchlein, in dem Vater Schweitzer als Pastor
wirkte und in dessen erstem Stock er mit seiner
Familie wohnte, steht am oberen Ausgang des
Städtleins und trägt eine Gedenktafel an den berühmten
Sohn des Elsaß und Weltenbürger.
Schweitzers Vater wurde schon bald nach der
Geburt seines Sohnes nach Günsbach im Münstertal
versetzt, aber Albert bewahrte stets eine
große Anhänglichkeit an das Städtlein, in dem er,
Das Museum und die Burg
wie er schreibt, in einem „guten Weinjahr" zur
Welt gekommen war! Vor kurzem wurde in der
historisch gewordenen Wohnung ein Allbert-
Schweitzer-Museum eröffnet.
Aus Kaysersberg stammte auch Mathäus Zell
(1477 — 1548), der erste Reformator in Straßburg
, der ebenfalls Rektor in Freiburg war. Er
hatte mit noch andern Gleichgesinnten versucht,
den Protestantismus hier einzuführen, allein der
Plan mißlang, nicht zuletzt durch die Haltung
des Magistrats. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts
, als man die Textilindustrie hier einheimisch
machte, ließen sich einige Protestanten hier nieder
. Sie besaßen eine Privatschule, an der auch
Schweitzers Vater unterrichtete, doch war die
Pfarrei eine Diaspora und ist es heute noch.
Kaysersberg war auch die Heimat des- bedeutenden
Humanisten Hieronymus Gebwiler, der
nach seinen Studien in Breisach dozierte, später
Leiter der Schlettstadter Lateinschule, dann der
Straßburger Domschule, zuletzt der1 Hagenauer
Pfarrschule wurde und in dieser Stadt im Jahre
1545 als geschätzter Historiograph und pädagogischer
Schriftsteller starb.
Ein Rundgang durch Kaysersberg
Kaysersberg, das man am besten von der
Oberstadt ausgehend besichtigt, gefällt durch die
reizende Landschaft, die bewaldeten Höhen, die
sonnigen Rebhalden, das sich hier der Ebene zu
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