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öffnende Tal, die alles beherrschende Burgruine,
aber auch durch die pittoresken Straßenbilder
und die alten Fachwerkhäuser, die mit Skulpturen
oder Hausmarken gesdimückt sind. Am oberen
Eingang in das Städtlein, wo früher das Obertor
stand, erinnert ein Kreuzbild aus dem Jahre 1511,
eine ausgezeichnete Arbeit, an eine Sage. In jenem
Jahre, so heißt es, wollten die Bewohner der
unweiten Ortschaft Sigolsheim durch Kaysers-
berg nach der im oberen Tal gelegenen Abtei
Pairis wallfahren und um Befreiung von der Pest
flehen. Die Kaysersberger aber verwehrten ihnen
den Durchgang, und so mußten die Sigolsheimer
ohne Weg und Steg um die Stadt herumziehen.
Da brach aber in derselben plötzlich auch die
Pest aus. Die Kaysersberger gelobten nun feierlichen
Empfang der Sigolsheimer auf der Rückkehr
und hielten mit ihnen eine gemeinsame Andacht
ab. Sogleich erlosch die Pest in beiden Ortschaften
. Zum Andenken errichtete man das
„Pestkreuz" am Obertor. In Wirklichkeit handelt
es sich um ein Jakobuskreuz, denn dieser Apostel
ist unter dem Gekreuzigten angebracht. Wir finden
ihn noch einmal in der Kirche, als ausdruckvolle
Schnitzfigur mit Pilgerhut und Pilgermuschel
aus dem Jahre 1523. Kaysersberg lag an
einer Pilgerstraße nach Santiago di Compostella.
Wohl eine der schönsten Ecken des Städtleins
ist die Partie an der ehedem befestigten Brücke
über die Weiß, auf der eine Marienkapelle steht.
Glücklicherweise konnten die Schäden durch den
letzten Krieg behoben werden; im alten Schmuck
sind die Häuser aus der spätgotischen Zeit und
der Renaissance wieder entstanden, das Badhaus
mit den Schnitzereien des städtischen Baumeisters
Johann Volrat, das Museum, in dem die
schweren, riesigmäßigen Holzschuhe des geheimnisvollen
„Büßers von Kaysersberg" gezeigt werden
. Etwas seitlieh liegt der Oberhof, der einstige
Besitz der Abtei Pairis, ein stattlicher Bau, mit
einer Marienkapelle im spätgotischen Stil. Über
dieser pittoresken Partie an der Weißbrücke
steht die Burgruine auf felsigem Hang und vollendet
das reizende Bild.
Prächtige Häuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert
säumen die zuweilen enge Hauptstraße
ein, aber auch in den Seitengassen steht manch
alter sehenswerte Bau. Ein reizender Brunnen
(1618) in einem Hof ist das Ziel mancher Besucher
. Nicht zuletzt ob der köstlichen Inschrift des
Ratsherren Hüffel, die so ganz in dieses Wein-
städtlein paßt und dem wohl jeder Weinkenner
beipflichtet:
„Drinkst du Wasser in dein Kragen
Über Disch, es kalt din Magen,
Trink massig alten, subtiln Wein,
Rath ich und las mich Wasser sein."
Etwas weiter unten fällt das Rathaus im Stil der
deutschen Renaissance besonders auf.
Die Heilig-Kreuz-Kirche ist eine dreischiffige
Basilika des Ubergangsstils im Mittelschiff, der
spätgotischen Kunst in Chor und Seitenschiffen.
Leider ist der unförmliche quadratische Turm
ein unglückliches Bauwerk desi letzten Jahrhunderts
. Vor der Kirche steht auf einem Brunnenstock
die Figur Konstantins mit dem Kreuz,
Konstantin als bärtiger Herrscher mit der Reichskrone
, die Arbeit des Colmiarer Meisters Hans
Bongartz (1521), der auch den Hochaltar schuf.
Anno 1227, unmittelbar nach der Stadtgründung,
wurde mit dem Bau der Kirche begonnen. Ganz
romanischen Geist atmet noch das Westportal
mit der Darstellung der Krönung Märiens. Die
beiden Engel mit Weihrauchfässern deutet die
Legende also: Kaiser Friedrich Barbarossa begann
den Bau der Kirche, doch ging während, der
Bauarbeiten das Geld aus. Deshalb wollte er die
Krone seiner Gattin versetzen, allein sogleich erschienen
zwei Engel, jeder mit einem vollen
Beutel (die Weihrauchfässer!), und so konnte man
weiter arbeiten. In einer Ecke des Tympanon
hat sich der Plastiker mit Bild und Namen „Cun-
radus" verewigt,
Das Innere der Kirche, in der nur wertvolle
Statuen stehen und alles Kunstlose nach 1945,
anläßlich der Renovierung und der Ausbesserung
der Kriegsschäden entfernt wurde, macht durch
die Raumwirkung und die Architektur einen tiefen
Eindruck. Beherrscht wird das Mittelschiff
durch eine monumentale Kreuzgruppe aus dem
Ende des 15. Jahrhunderts, die sicher durch das
Kreiuz von Nikolaus Gerhart von Leyden auf dem
alten Friedhof von Baden-Baden beeinflußt
wurde. Imposant ist auch der kürzlich renovierte
Hochaltar von Hans Bongartz (1518). Um die
Kreuzszene gruppieren sich 14 polychromierte
und vergoldete Reliefs, die Passion und Auferstehung
Christi darstellend. Einige dieser Szenen
verraten den Einfluß Martin Schongauers. 1622
malte Mathias Wuest die Geschichte der Kreuzauf
findfung und Kreuzerhöhung auf die Rückseite
des Flügelaltars.
Neben kunstvollen Statuen besitzt die Kirche
ein Heil. Grab, dessen Skulpturen der Spätgotik
und der heraufkommenden Renaissance angehören
. Von tiefer Wirkung ist das spätgotische Relief
der „Beweinung Christi" über dem Sakramentsaltar
, vielleicht die Arbeit des Luzerner
Meisters Georg Beringer, sicher das künstlerisch
wertvollste Werk dieses Gotteshauses. Heute ist
nach gründlicher Renovierung diese Arbeit in der
ursprünglichen Schönheit wieder erstanden. Von
den alten Glasmalereien haben sich einige Reste
erhalten, eine Kreuzigungsgruppe, die dem Straßburger
Meister Peter von Andlau zugeschrieben
wird.
Erhalten ist neben der Kirche das Beinhaus,
die Gebeine aber stammen nicht aus der Pestzeit,
sondern von dem aufgegebenen Kirchhof. Über
dem Beinhaus wie vielerorts die Michaelskapelle
mit wertvollen Statuen und Fresken.
Von den „drei Städtlein in einem Tal" ist
Kaysersberg durch Landschaft und Kunstwerke
die. schönste. In diesen Kunstwerken offenbart
sich der Wohlstand der Bewohner, den sie schon
im Mittelalter dem Rebbau verdankten. Er ist
auch heute noch der Stolz der Kaysersberger.
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