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A.Bseu, Kanäem: ^cc me fokalen ?uftän5e tri hm ^arFgtäflec ÖifentoecFen im 18.7at)cty.
Wir machen uns heute sehr oft ein falsches
Bild vom Leben unserer Vorfahren. Entweder
war es die „gute alte Zeit" — aber in Wirklichkeit
möchte doch keiner unter solchen Verhältnissen
leben. Oder aber man glaubt, daß damals
Lohnkämpfe und soziale Einrichtungen weithin
unbekannt waren. Werfen wir deshalb einmal
einen Blick in die Verhältnisse der Arbeiter im
größten Industriebetrieb früherer Zeiten in unserer
Gegend, die Markgräfler Eisenwerke.
Um es kurz zu sagen: gingen die Werke gut,
dann wollte die Regierung die Werke selbst betreiben
; ging es aber bergab, dann suchte man
Geldgeber in der nahen Schweiz, denen man dann
zeitenweise die Werke überließ, bis sie eben
wieder florierten. So übernahm der „berühmte
Handelsmann" Achilles Leissler in Basel 1704
vom Markgrafen Karl die Eisenwerke in Hausen
, Kandern und Badenweiler mit einem Inventarwert
von 27404 Gulden, obwohl Kandern
ohne Drahtzug und ohne Kunsthaus war. Unter
Leissler nahmen die Werke einen erfreulichen
Aufschwung: die Produktion stieg von 8676 Zentner
auf 13 702 Zentner im Jahre 1718. Leissler
war ein fortschrittlicher Arbeitgeber, der seine
Leute gut bezahlte. Trotzdem der Markgraf an
Leissler noch 32 000 Gulden schuldig war, übernahm
er 1718 die Werke wieder in eigene Regie.
Natürlich ging der Geldbedarf des Markgrafen
nicht zurück. 1721 lieh er bei der Witwe des Bankiers
Ochs in Basel 16 000 Gulden. Diese Frau
Ochs muß eine sehr geschickte Geschäftsfrau gewesen
sein trotz ihrer 15 Kinder. Sie lieh dem
Markgrafen wiederholt Geld, und bald erreichte
ihr Guthaben 70000 Gulden; dafür sicherte sie
sich die Einnahme der Kanderner Papierfabrik
und den Vertrieb des Markgräfler Eisens in der
Schweiz.
Der Absatz in der Schweiz war um jene Zeit
sehr schlecht. Bei dem niedrigen Stand der französischen
Valuta konnte man gegen die Konkurrenz
nicht an. Man riet deshalb den Landeskindern
, die 1722 auf Pfingsten ausgelernt hatten,
sie sollten zunächst .auf die Wanderschaft gehen.
Von 73 Erzknappen legte man 19 ab. Statt durch
9 Pferde, 3 Maulesel und 24 Esel sollten die Erz-
fuhren durch 5 Pferde, 2 Maulesel und 21 Esel
besorgt werden. Nachdem Baden die Werke wieder
seihst übernommen hatte, gingen die Löhne
zurück. Als alle Beschwerden der Arbeiter nichts
halfen, suchten sie auf andere Art etwas zu erreichen
: Sie stellten möglichst viel Eisen her,
schmiedeten aber das Eisen nur mangelhaft. Und
bald kamen die Klagen aus der Schweiz. Die Löhne
wurden erhöht. Darüber ist nicht zu vergessen
, daß jedes Jahr eine Reihe von Wochen wegen
Wassermangel oder Frost nicht gearbeitet
werden konnte.
Schon früh finden sich Belege dafür, daß
kranken Arbeitern ein bescheidener Zuschuß gegeben
wurde. 1718 verfügte Markgraf Karl
Wilhelm, daß auf sämtlichen Markgräfler Bergwerken
vom Gulden Arbeitslohn 1 Kreuzer einbehalten
und in die Armenbüchse gelegt werden
müsse, damit man den Arbeitern und ihren Hinterbliebenen
eine Beisteuer zahlen könne. (Ein
Gulden hatte 25 Schilling oder 15 Batzen; 1 Batzen
hatte 4 Kreuzer oder 10 Rappen). Den einen
Schlüssel zur Kasse hatte der Faktor in Kandern,
den andern der Pfarren von Kandern in Verwahrung
. Mit der Zeit stiegen die Ausgaben, aber
nicht die Einnnahmen. Wir lesen beispielsweise:
außer Arbeit stehen Franz Fritz, Leutermeister,
79 Jahre alt, 36 Jahre beim Werk, 10 Jahre zu
Oberweiler und 4 Jahre zu Hausen, gereist
5 Jahre, genießt ein Gnadengeld von 1 fl 30 kr pro
Zahltag. Aber 1753 wurden diese Sätze herabgesetzt
; noch schlimmer war die Anordnung, daß
neue Renten nur bewilligt werden durften, wenn
ein bisheriger Bezieher aus dem Genuß ausschied.
Im folgenden Jahre wurde verfügt, daß Witten
und Waisen überhaupt keine Zahlungen irfehr
erhalten sollten. Sie sollten künftig, soweit Platz
vorhanden, Wohnimg im Laborantenhaus, d. h.
in den vom Werk erstellten Arbeiterwohnhäusern
, erhalten. Seit 1790 mußte bei Neubewilligungen
der Rat des ältesten Arbeiters gehört
und seine Zustimmung oder sein Widerspruch
vermerkt werden.
1766 mußte die Schmiede in Kandern wegen
Wassermangels 19, in Oberweiler gar 24 Wochen
feiern, während in gewöhnlichen Jahren in Kandern
nur sechs Wochen ausgesetzt werden mußte.
Begreiflicherweise entstand unter den Arbeitern
große Not. Man bewilligte ihnen deshalb außer
den sonst üblichen Feiergeldern wöchentlich einen
weiteren Gulden, und zwar je hälftig aus der
Bergwerksbüchse und der Faktoreikasse. Die
Ausgaben waren verschiedenster Art. 1779 erkrankte
der Bergw'erkszimmermann an Fleckfieber
. Da er nicht im Dienst, sondern „auf gewöhnliche
Art" erkrankte, hielt man die Bergwerkg-
büchse nicht für zahlungspflichtig. Schließlich
übernahm man aber doch die Hälfte der 56 fl
Kosten und bewilligte ihm überdies 12 fl aus dem
Landalmosen. 1796 wurde die Faktoreikasse gerügt
, weil sie in zwei Fällen 21 fl bzw. 24 fl 45 kr
Entschädigung bezahlt hatte für Schweine, die
während der Bucheinmast in Erzgruben gefallen
waren. Für verunglückte Pferde wurde im allgemeinen
nur ein Viertel des Wertes vergütet. 1777
bewilligte man einem alteil Bergknappen wöchentlich
15 Kreuzer, obwohl er früher weder
sparsam noch fleißig gewesen war. 1798 gewährte
man einem 80 Jahre alten Bergknappen
endlich ein Gnadengehalt, während man sonst
Arbeitern, die nur noch teilweise arbeitsfähig
waren, in wesentlich jüngeren Jahren neben dem
Arbeitslohn Gnadengehalte bewilligte, die dann
freilich nicht so hoch waren wie bei gänzlicher
Arbeitsunfähigkeit.
Hermann Baier, dem wir diese Angaben verdanken
, meint: „Daß die Bergwerksbüchse ihfe
Aufgabe nur unvollkommen erfüllen konnte,
wird nach dem Gesagten nicht verwunderlich erscheinen
. Ganz abgesehen von mißbräuchlicher
Verwendung der Gelder war der Aufgabenkreis
im Verhältnis zu den Beiträgen viel zu groß. Daß
sie segensreich wirkte, braucht man aber deswegen
doch nicht zu bestreiten."
Tl
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