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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-01/0014
Hermann Muser, Freiburg: jfyfo ttXXXMMt^fi 5C6 ^FtaUFgCäfleClanÖeÖ \\\ ÖEC JtDeitEH

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Einleitung

Wann der Begriff „Musterländle" entstanden
ist, wird wohl nicht ganz exakt zu beistimmen
sein. Auch eine genaue Abgrenzung des ausgezeichneten
Gebietes ist nicht möglich. Wir sind
jedoch zur Annahme berechtigt, daß das „Mark-
gräflich-Baden-Durlaehische-Oberland" mit djen
Landigrafschaften Sausenburg und den Herrschaften
Rötteln und Badenweiler, mit der Art und
Weise, wie die Landwirtschaft dort betrieben
worden ist, seinerzeit dazu beigetragen hat.

Der hochfürstliche Darmstädtische Regierungsrat
und Professor in Gießen Johann August
Schlettwein hat hierüber in seinen Darstellungen
der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb des
Zeitraums vom 30jährigen Krieg bis zum Ende
des 18. Jahrhunderts berichtet. Seine Untersuchungen
dienten weniger der Erlangung abstrakter
, historischer Erkenntnisse, sondern vielmehr
zu Erörterungen und Begründungen der Steigerung
des Wohlergehens von Menschen und Bürgern
in allen Verhältnissen. Als Grundlage hierfür
wurde allein die landwirtschaftliche Produktion
betrachtet, von der nach damaliger Anschauung
alles andere Gewerbe abhängt.

Von Schlettwein wurde hierüber ein umfangreiches
Material mit Ernteergebnissen und dem
Bewirtschaftungsaufwand in den Jahren 1752 —
1769 gesammelt und ausgewertet. Es berührt uns
heute in eigenartiger Weise, wenn wir sehen, daß
Schlettwein sich bemühte, dabei die Produktivität
der landwirtschaftlichen Erzeugung nach den
gleichen rationalistischen Prinzipien festzustellen
, wie dies noch heute geschieht. Seine Be>-
schreibung der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
ergeben mit detaillierten Angaben für diese Epoche
eine Darstellung, wie sie für die Wirtschaftsgeschichte
des Landbaues äußerst selten ist.

Schlettwein handelte nach dem Prinzip der
damals herrischenden Wirtschaftstheorie der Phy-
siokraten, wenn er fast beschwörender Weise
folgendes bekundet: „Die Vergrößerung des wahren
reinen Ertrags der Grundstücke ist die wichtigste
Angelegenheit des Menschen und Bürgers
in diesem Leben. Davon hängt die Bevölkerung
der Länder und die Vervielfältigung der Freuden
d'er Menschen einzig und allein ab." Er stellt im
Zusammenhang damit fest, daß der Kulturzustand
der Staaten, und damit ist wohl die Ertragsfähigkeit
des Bodens gemeint, von den Regierungsverfassungen
abhängt. Seine zuverlässigen
Daten sollen den Beherrschern der Völker zur
„Verbesserung des Nahrungsstandes und zur Erhöhung
des Glückes der menschlichen Gesellschaft
dienen."

Es ist in Weinbaugemeinden allgemein bekannt
, daß Markgraf Karl Friedrich zur Förderung
des Landbaus die Gutedel-Sort^ eingeführt
und damit die Qualität des Weines verbessert hat.
Er hat auch Anweisungen über Kultur und Pflege
der Reben, sowie der Ackerkulturen erfassen.
Bei letzteren betraf dies den Kleebau in seinen

Anfängen und den Kartoffelbau. Verdienstvolle
Männer, die seine Bemühungen unterstützten,
wurden mit Orden und Ehrenzeichen ausgezeichnet
.

Durch Abschaffung vielerlei Accisen, Abgaben
und Zölle sorgte der Markgraf in Verbindung
mit der Förderung der Produktion des
Landbaues auch für einen unbeschwerten Handel
und Wandel mit den Produkten. Als Grundlage
für die Abgaben an den Staat galt hinfort nur
noch die Schätzung des reinen Ertrags, von welchem
in der Regel der „Zehnte" oder dessen
Wert eingezogen wurde.

Beide Maßnahmen förderten die Produktion
des Landbaus. Die Regierung ist in der Erwartung
wohl nicht enttäuscht worden, hiermit auch
höhere Einnahmen für den Staat zu erzielen.

Wie die Formen der Landnutzung und die
Methoden der Bewirtschaftung damals nach Darstellungen
Schlettweins ausgesehen haben, soll
nachstehend im wesentlichen aufgezeigt und erläutert
werden.

Betriebsformen

Das Ackerland wurde nacheinander als Winterzeige
, Sommerzeige und Brachzeige, also in
der sogen. Dreifelderwirtschaft bewirtschaftet.
Die Winterzeige wurde mit Dinkel angesät, die
Sommerzeige mit Gerste. In der Brachzeige sollte
sich zur Erhaltung der natürlichen Fruchtbarkeit
des Bodens der Acker ausruhen und erholen. In
ihr wurden jedoch zur Deckung des eigenen Bedarfs
Lewat (Raps), Hanf, Bohnen und Kraut angebaut
. Langsam fanden im Verlauf des 18. Jahrhunderts
auch die Kartoffeln und der Klee einen
Platz in der Brachzeige. Wir wissen heute, daß
die meisten dieser Kulturen — besonders der
Klee, die Bohnen und der Raps durch ihr tiefes
Wurzelwerk, Welches im Boden zur Humusbildung
dient — keineswegs die natürliche Fruchtbarkeit
mindern, sondern eher verbessern. Entsprechende
Erfahrungen mag man auch damals
schon gemacht haben.

Das Grünland spielte eine besonders wichtige
Rolle. Die Wiesen wurden höher eingeschätzt als
das Ackerland. Bei der Kennzeichnung eines reichen
Mannes steht in Hebels Gedicht „Der Statthalter
von Schopfheim" neben Geld an zweiter
Stelle der Besitz von Wiesen. („Rieh isch richer
worden an Geld, an Matten und Hochmuet"). Dies
läßt sich nur erklären mit der Bedeutung der
Viehhaltung und des Stallmistes, der damals zur
Versorgung des Ackerlandes und der Reben als
einziges Düngemittel zur Verfügung stand.

Neben Äckern und Wiesen wurde auch schon
lange im Markgraflerland der Weinbau betrieben
. Wegen guter Einnahmen aus diesem Betriebszweig
wurde der Weinbau aufs neue von
der Regierung gefördert. In manchen Gemarkungen
sind damals neue Rebgewanne eingerichtet
woredn. Nach den Gewannamen ist anzunehmen,
daß es sich dabei oft um die Urbarmachung von
Gelände für den Weinbau handelte. Als Beispiele
hierfür Werden angeführt: „Im neugefundenen

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