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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-01/0017
Felde arbeiten und ihre Kinder mit sich hinaus
auf den Acker schleppen. Mütter auf der Südseeinsel
Borneo hängen sich dazu ein Kinderstühl-
chen mit ihren Kleinen auf den Rücken. Mütter
aus China legen sich auf dem Weg zum Feld ein
hölzernes Joch über die Schulter, an dessen einer
Seite die Wiege mit dem Säugling, an dessen
anderer ein Korb mit einem älteren Kinde baumelt
, so daß sie gleichsam „zwei Fliegen mit
einer Klappe schlagen." Immer polstern die primitiven
Völker die Trage liebevoll mit Gräsern,
Moosen, Blättern, Rinden oder Fellen; Muscheln,
bunte Stfrine, Perlen, Samenkörner, Farben,
Schnitzereien verzieren die Hülle.

Welche Liebe zu ihren Kindern die Mütter
anderer Völker erfüllt, beweist die „Trauerwiege"
bei vielen Naturvölkern: stirbt ein kleines Kind,
dann wird seine leere Wiege mit schwarzen Federn
gefüllt und zur ewigen Erinnerung an das
Verstorbene an die Wand des Wohnraumes geheftet
.

Erst die Völker gehobener Kulturen lassen
die Kinder grundsätzlich bei der Arbeit zu Hause.
So steht die Wiege mit dem Kleinkind dann in
Deutschland, Österreich und der Schweiz in der
Stube. In Rußland, Finnland, Rumänien, Norwegen
oder Schweden aber hängt sie mit Schnüren
an der Zimmerdecke; bei den Eskimos, den
russischen Tartaren und bei einigen nordaimeri-
kanischen Indianern am Zeltdach; so wie die
Mütter ailler anderen primitiven Völker nach getaner
Arbeit zu Hause ebenfalls die Trage mit
dem Kind an einem Baumast im Freien oder an
der Decke der Hütte, des Zeltes befestigen.

Heute aber verdrängt der Kinderwagen bei
allen Völkern der Welt, die die europäische Zivilisation
übernehmen, die alten Formen der Wiege
, so daß die Erinnerung an die Wiege von einst
überall wohl bald Träume von einer besseren
„guten alten Zeit" sind.

Diese „gute alte Zeit" war zwar im Grunde
genommen auch nicht „besser" als die Gegenwart
, schenkte aber doch den Menschen besinnlichere
Tage als unsere von moderner Hast durchpulste
Welt. Daher entfalteten sich die Kräfte des
Gemüts damals vielleicht freier als heute, und
das tägliche Leben der Vergangenheit verklärt
sich deshalb für unsere Augen mit einem romantischen
Schimmer. Dieser Schimmer ergießt sein
Licht auch auf die Wiege, bald das Möbelstück
einer für uns völlig fremden, fernen Zeit.

3udjbe|predjungen

„Dr Schwarzbueb". Solothurner Jahr- und Heimatbuch
1967. Herausgegeben von Albin Fringeli. 46. Jahrgang.
Preis Fr. 2.80. Jeger-Moll, Druck und Verlag AG,
4226 Breitenbach.

„Man liest ihn von der ersten bis zur letzten Zeile, und
man freut sich überdies an den prächtigen Illustrationen"
Zahlreiche Leser werden auch dem neuen „Schwarzbueb"
dieses uneingeschränkte Lob spenden. Vom „Volkstümlichen
" bis zum „Modernen" ist wohl alles vertreten, das
nicht bloß der kurzlebigen Mode verpflichtet ist. Über
die Massenmedien und ihre Wirkung auf die Landjugend
ist die Rede. Dann berichtet uns der Herausgeber über die
kulturpolitische Lage des Kantons Solothurn. Albin Fringeli
erzählt aber auch über die Geschichte einzelner Dörfer
, über neue Kirchen, über das Jubiläum der Tonwarenfabrik
Laufen, über den Heimatdichter Klaus Groth, den
Sänger Edmund Wyss und über die hervorragende farbige
Reproduktion einer Seite des mittelalterlichen Meßbuches
aus Beinwil. Von den Monatsbetrachtungen bis
zum Totenkalender und der Bücherschau stoßen wir immer
wieder auf frohe Überraschungen. Natürlich fehlen
auch die tüchtigen Mitarbeiter des „Schwarzbueb" nicht:
Dieter Fringeli ist mit Mundartgedichten — in neuer Form
— vertreten. Wir lesen Gedichte von Beat Jäggi, Josef
Reinhart, Carl Baumgartner (t), Aufsätze von Adolf Merz,
Cäsar Burkhardt, Kiemenz Arnold, Prof. Paul Stintzi,
M.Dietschy, Otto Kaiser, Emil Wiggli. Es ist nicht übertrieben
, wenn wir dieses Jahrbuch als ein kostbares
Schatzkästlein bezeichnen. Daß sich der Leserkreis von
Jahr zu Jahr weiter ausbreitet, ist begreiflich. Wer den
„Schwarzbueb" einmal kennen gelernt hat, möchte ihn
nicht missen. Er hält mehr, als was wir von ihm erwarten
. Es ist heute kaum mehr ein Buch erhältlich, das uns
zu einem so niedrigen Preis so viel Schönes und Gutes
schenkt. Auch die neueste Ausgabe des reich illustrierten
Kalenders wird seine alten Liebhaber nicht enttäuschen
und wiederum neue Freunde gewinnen. —n—

Bruno Epple „Dinne und Düsse" Rosgarten-Verlag Konstanz
, DM 7,50.

Es gab bisher nur wenige, die die Bodenseemundart zu
dichterischer Gestaltung verwendeten. Wir denken an
Hermann Sernatinger, den Radolfzeller Pfarrer, dann an
Karl Sättele aus Rielasingen, sowie an den Konstanzer
„Seenas", von denen einiges bekannt ist. So muß auch
an Eduard Presser gedacht werden, der 1894 „Gedichte
aus dem Höhgau" drucken ließ; auch die „Redensarten"

von Karl Moll, dem Bürgermeister von Meersburg, gehören
zu dem wenigen, das der Bodensee in seiner Mundart
bisher verlauten ließ.

Vor einigen Monaten erschienen im Rosgarten-Verlag
Konstanz alemannische Gedichte von Bruno Epple mit
Titel „Dinne und Düsse", schön verziert mit Linolschnitten
von Curth Georg Becker. Nicht nur dieses Äußere,
sondern auch der Inhalt überrascht mit seiner Qualität.
Es zeigt sich, daß die alemannische Dichtung seit Hebel
und Burte doch noch andere Wege gegangen ist, ja daß
sie, ohne ihren besonderen Charakter zu verlieren, ein
Stück weiter gekommen ist. Der 1931 in Rielasingen geborene
Dichter besingt Landschaft und Leben am See
und dies in seiner liebenswürdig hüpfenden Sprache, die
auf eine freundliche Art den Einfluß des Schwäbischen
überdeckt. Der Dichter liebt das strenge Gerüst der Form.
Das sehen wir zum Beispiel im Gedicht „Im Grillehus",
wo die Strophenenden mit dem Strophenanfang in den
ersten Worten übereinstimmen. Formal schön wirkt auch,
wenn „So en Dag, hosch des scho gsäeh?" jeweils den ersten
Vers jeder Strophe bildet. Interessante Reimfolgen,
wie überhaupt der Reim bei Epple, üben eine eigenartige
und sehr musikalische Wirkung aus. „Hont si gseet" klingt
wie eine Totenmesse. Da wird in knappen Worten von
Sarg, Tod, Beerdigung gesagt, aber in einer Weise, die an
alte Wehklagen erinnert. Dreimal hören wir „tot", fünfmal
den Reim auf „.. eet." Schon diese Monotonie der
Reime geben dem kleinen, knapp gesetzten Gedicht Größe
und Erhabenheit. Doch es ist nicht nur der Reim, der uns
fesselt. Die in der alemannischen Sprache so typischen,
natürlichen Daktylen, wie sie seit Baums „Johr us Johr ii"
(1948) kaum wieder zu hören waren, machen die Bilder
greifbarer und die Musik der Sprache wohlklingender.
Flunkeret, gitzigätzelig, duckeret sind Beispiele solcher
Art. Auch ungereimte Verse kommen vor und zeigen, daß
es auf moderne Weise auch ohne Reim geht. Die „Bildle
vum See" wirken wie Skizzen oder Aquarelle und zeugen
davon, daß von jeher die Malerei am See zu Hause war,
wie sie aber auch auf das Maltalent des Dichters verweisen
.

Bruno Epple beweist mit seinen alemannischen Gedichten
vom See „Dinn und Düsse", daß die Mundart auch
heute noch in gebundener Form zu uns zu sprechen vermag
, und daß sie in der Hand eines echten Dichters alles
sagen kann. Jeder Freund unserer Sprache darf auf die
weitere Entwicklung dieses jungen Dichters gespannt sein.

Hubert Baum

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