http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-03/0004
Dr. Werner Fischer, Meßkirch.
Von 3 (Munft) bfe ? (notöeö)
Übernamen bei Hebel
Jeder von uns verwendet gern Übernamen, Spitznamen
, Spottnamen, sofern sie anderen gelten und nicht
uns. Gut, daß wir selten oder nie hören, wie andere uns
nennen. Man denkt sich Übernamen aus, oder sie fallen
einem ein, weil man jemanden necken will, weil man ihn
heimlich hintenherum verkleinern möchte, sich über ihn
lustig macht oder ihn haßt. Es gibt Ortschaften, in denen
jeder Einwohner zwei Übernamen hat: einen öffentlich
und auch ihm bekannten und einen heimlichen. Wer einen
Menschen mit Namen nennt, bekommt ihn in den Griff.
Adam gibt einem jeglichen Vieh und Vogel unter dem
Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen (1. Mose
2). Rumpelstilzchen ist nur so lange gefährlich, als niemand
seinen Namen kennt.
Ein auffallender Charakterzug Hebels war sein Humor.
Wer in seinen Briefen liest, wie er mit Freunden beim
Weine saß und fröhliche Feste feierte, kann sich gut vorstellen
, daß dabei manches Witzwort fiel und mancher
Wortwitz und daß mancher Anwesende und noch mehr
Abwesende einen neuen Namen erhielten. In Hebels Erzählungen
finden wir nicht viele Übernamen: Adjunkt,
die Schwiegermutter, der rote Dieter, der Steindoktor. In
seinen Briefen tauchen mehr auf; da machte Hebel aus
seinem Herzen keine Mördergrube. Die wichtigste Quelle
für Übernamen bei Hebel ist für immer versiegt: der
Dichter selbst. Aber was ihn überdauert hat, seine Gedichte
, Erzählungen und Briefe, gibt uns eine Vorstellung
davon, wie fröhlich, verschmitzt und witzig Hebel sein
konnte. Wir brauchen nur darauf zu achten, wie er andere
Menschen nennt.
Die Übernamen folgen hier in alphabetischer Ordnung.
*
Der Adjunkt wird zum erstenmal in Briefen vom
Januar 1810 an Henriette Hendel erwähnt: Riedlingers
Tochter wird Ihnen geschrieben schwer zu lesen seyn. Der
Adiunkt hats hauchdeutsch übersetzt für das Journal des
Luxus und d. Moden. Und er fügt hinzu: sehr treu, etwas
nachlässig. Im Kalender stellt Hebel in Des Hausfreunds
Vorrede zum Neujahrswunsch von 1811 den Lesern vor:
Was aber die zwei Gehilfen betrifft, so hat der Hausfreund
angenommen, erstlich einen braven Adjunktus, der schon
weit in der Welt herumgereist ist, in Paris, in Amsterdam
und in München. Der geneigte Leser wird ihn bald kennen
, wenn er ihn sieht. Denn er ist hochgewachsen und
breit, trägt statt der Schnallen Schnüre an den Beinkleidern
, hat eine schwache, leise Stimme, versteht alle Sprachen
(der Hausfreund zwar auch), und in seiner Kindheit
müssen die Schutzpocken noch nicht sehr in Schwung gewesen
sein. Im Schatzkästlein folgt auf das obengenannte
Stück eines, das Zwei Gehilfen des Hausfreunds überschrieben
ist. Darin erklärt Hebel den Lesern, daß er den
Bezirk diesseits des Rheins in zwei Provinzen geteilt
habe und der Adjunkt der Statthalter der unteren Provinz
sei. Adjunkt ist ein veraltetes Wort für den Gehilfen
eines Beamten, überhaupt einen jungen Beamten, entsprechend
dem heutigen Referendar. Von 1811 an tritt immer
wieder der Adjunkt im Kalender auf, er wird zu
einer der stehenden Figuren darin, so in Des Adjunkts
Standrede im Gemüsegarten seiner Schwiegei'mutter (wo
er einen botanischen Vortrag hält), in Der fremde Herr
(wo er einen Angeber entlarvt), in Baumzucht (wo er vom
Kirschenessen schwarze Lippen hat und sich das Liedlein
vom Kirschbaum vorsingen läßt), in Der schwarze Mann
in der weißen Wolke (1812), in Des Adjunkts Standrede
über das neue Maß und Gewicht, in Morgengespräch des
Hausfreunds und seines Adjunkts (1814). Zwei Erzählungen
stammen vom Adjunkt, Der listige Kaufherr (1811)
und Die Probe (1814): Dies Stücklein ist noch ein Vermächtnis
von dem Adjunkt, der jetzt in Dresden ist.
Hinter dem Adjunkt verbirgt sich Christof Friedrich
Koelle. Er wurde 1781 in Stuttgart geboren und kam 1809
als württembergischer Legationssekretär nach Karlsruhe.
Da er literarisch interessiert war und schriftstellerte,
wurde er bald mit Hebel bekannt und befreundet. Koelle
wurde 1812 Legationsrat in Dresden und amtierte 1817 —
1833 als württembergischer Geschäftsträger in Rom. Er
steuerte zu der 1843 erschienen Ausgabe der Werke Hebels
ein Lebensbild des Dichters bei und starb 1848.
Adjunktin: siehe Schwiegermutter.
Afternetoreck: siehe Netoreck.
Der alte Knab im Schaf war ein wohlhabender
Küfer aus Basel, Johann Rudolf Stickelberger (1749 —
1826), ein stadtbekanntes Original. Er wohnte im Haus
zum Schaf an der Rebgasse und spazierte jeden Mittag
um 1 Uhr nach Weil, um ein Schöpplein Markgräfler zu
trinken. Hebel malt im Brief vom 30. Oktober 1823 an
Gustave Fecht aus, wie er sich in Hausen einrichten wolle,
wenn er die Mittel dazu hätte, und wie er sie täglich besuchen
würde: Im Winter wohnte ich in Basel, an dem
Sanhans (Santehans, St. Johann), damit ich immer hinüber
schauen) könnte, und käme alle Tage wie der alte Knab
im Schaf. Solche Exemplare sollten nicht ausgehen.
Archinetoreck: siehe Netoreck.
Den B a m m e r t erwähnt Hebel in seinen Briefen über
einen Zeitraum von 34 Jahren. Er schreibt Ende Mai 1792
an Günttert: Der Bammert (i muß ichs chlage) wird tägli j
Liederlicher, füler, versoffener — 's isch nümme z'lebe, \
's isch nümme z'gschire mit em. Und er jammert seitenlang
seiner Tabakspfeife nach, die der Bammert nicht
hergeben will. 1805 (an Gustave Fecht im April) berichtet
Hebel von einem Besuch beim Bammert. Und noch in einem
der letzten Briefe Hebels, im Juli 1826 an Gustave
Fecht, wird der Bammert genannt: Der Bammert ist auf
einige Tage von Mannheim hier. Er ist noch der alte. Wir
denken auch miteinander an die guten Weiler, an die Lebenden
und die Heimgegangenen. Doch weiß er nicht, daß
ich an Sie schreibe, obgleich er mir grad gegenüber logirt.
Lange Zeit wußte niemand, wer sich hinter dieser Bezeichnung
verbarg. Ein Bammert ist ein Feldhüter, ein
Bannwart. Die Lörracher Freunde um Hebel bildeten einen
Kreis, der sich eigene Riten, eigene Heiligtümer und
eine eigene Sprache schuf: die Proteusergemeinde. Den
Kern bildeten der Vogt, der Stabhalter (das war Hebel)
und eben der Bammert. Bei ihm mußte es sich um einen
Mann handeln, der in Lörrach schon mit Hebel bekannt
war, später im Unterland lebte und zeitlebens in Freundschaft
mit Hebel verbunden war. Im Markgräfler Jahrbuch
1939 hat Wilhelm Zentner nachgewiesen, daß nur
August Welper der geheimnisvolle Bammert sein kann.
2
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-03/0004