http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1968-05/0018
zurückreichenden Adelsarchivs, das besonders für die Geschichte
des badischen Frankenlandes von großer Bedeutung
ist, konnte begonnen werden. Außerdem wurde
der sehr umfangreiche und gleichzeitig aufschlußreiche,
schriftliche Nachlaß des Reichs- und Landtagsabgeordneten
Adolf Geck in Offenburg, der 1942 starb, dank der außerordentlichen
Unterstützung der Landesregierung für
das Generallandesarchiv erworben. Der Nachlaß enthält
zahlreiche Originalschreiben sozialdemokratischer Politiker
an Adolf Geck, u. a. von August Bebel. Neben anderen
Zuweisungen erhielt die Freiburger Außenstelle auch ein
Depositum der Baronin Mechthild v. Mentzingen in Hugstetten
.
Ferner wurden durch Ankauf einige Karten und Handschriften
u. a. von Hans Thoma erworben. Desgleichen
konnnten photographische Reproduktionen von Listen
badischer Kriegsteilnehmer an den napoleonischen Kriegen
in Spanien u. a. angekauft werden. Erfreulicherweise
erhielt das Generallandesarchiv auch eine große Anzahl
von Geschenken archivalischer Art. Die Sammlung verfilmter
Archivschätze konnte erweitert werden.
In der Berichtszeit erschien das Wappenbuch des Landkreises
Rastatt (Bearbeiter: Dr. Zier und Regierungsoberamtmann
Fütterer) sowie das Wappenbuch des Landkreises
Tauberbischofsheim (Bearbeiter: Dr. Zier und Regierungsamtmann
Kastner). In Vorbereitung befinden sich
Wappenbücher für die Landkreise Donaueschingen, Emmendingen
und Freiburg. Die Wappenbücher, die zustimmende
Würdigungen in der Fachpresse erfahren, begegnen
lebhaftem Interesse auch in der Öffentlichkeit. Wiederum
hat das Generallandesarchiv auch bei Fragen der
Verleihung des Rechts zur Führung von Wappen und
Flaggen begutachtend mitgewirkt. An eine ganze Reihe
von Städten wurde das Recht zur Führung von Wappen
bzw. Flaggen verliehen.
Die Pflege der Archive der Gemeinden erfüllt noch immer
nicht ganz die Wünsche des Generallandesarchivs.
Immerhin konnte wieder für eine Reihe von Gemeinden
das jeweilige Archiv geordnet werden.
Nach wie vor wurden das Büro für Militärdienstzeitbescheinigungen
und die Abteilung für Spruchkammerakten
in Anspruch genommen. An einer Reihe von Ausstellungen
war das Generallandesarchiv gleichfalls beteiligt,
so an der „Internationalen Polizeiausstellung" in Hannover
, an der „Alfred-Mombert-Gedächtnisausstellung" in
Karlsruhe, an der Ausstellung „700 Jahre Radolfzell" u. a.
Wiederum kann von zahlreichen Führungen und Archivbesichtigungen
berichtet werden.
Staatsarchivdirektor Dr. Paul Zinsmaier wurde auf Antrag
der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg
zum Honorarprofessor ernannt. Staatsarchivdirektor
Dr. Facius, der, wie berichtet, die Außenstelle des
Generallandesarchivs in Freiburg übernahm, kam vom
Staatsarchiv Ludwigsburg.
Die Dienstbibliothek des Generallandesarchivs erfuhr
im Jahr 1966 700 und im Jahr 1967 1246 Bände Zugang.
Die verschiedenen Werkstätten für Restaurierung und
Buchbinderei wie für Photographie waren wieder stark
beschäftigt. Vor allem die Herstellung von Photographien
wichtiger Urkunden und Akten hat sich wiederum sehr
bewährt. Die Verfilmung der wesentlichen Abteilungen
des deutschen Volksliederarchivs in Freiburg wurde abgeschlossen
. Die Verfilmung der Bestände des Haus- und
Staatsarchivs ist neu aufgenommen worden. Verständlicherweise
konnte der ungemein reichhaltige Bericht des
Generallandesarchivs hier nur sehr knapp und kurz wiedergegeben
werden. Ohne Frage hat das Generallandesarchiv
durch die Zurückgewinnung des ganzen Gebäudes
nach Abzug des nordbadischen Oberschulamtes die Möglichkeit
erhalten, seine Schätze wieder so unterzubringen
, daß sie für wissenschaftliche Zwecke sich voll ausnützen
lassen. Otto Ernst Sutter
Sorgenbereitende Durlacher Hintersassen
Hintersassen? Es mag heute gewiß nicht wenige Leute
geben, die sich von einem Hintersassen keine rechte Vorstellung
machen können. Die Definition „Bürger zweiter
(oder untergeordneter) Klasse" trifft zwar nicht ganz zu,
mag aber für diese Zeilen als Erklärung des Wortes erlaubt
sein. Ehedem haben in vielen Städten und Städtchen
die Hintersassen der jeweiligen Stadtverwaltung
meist erhebliche Sorgen bereitet — so auch im alten Durlach
, das seit 1938 zur Stadt Karlsruhe gehört. Im neuesten
Heft (Nr. 1, Jahrgang 1968) der von dem Familienforscher
Albert Köbele in Grafenhausen bei Lahr herausgegebenen
„Badischen Volkskunde" veröffentlicht
Ernst Schneider, den ein hohes Maß erfolgreicher Emsigkeit
und historischen Spürsinns auszeichnet, als Sonderheft
, herausgegeben mit Unterstützung der Stadtverwaltung
Karlsruhe, „Beiträge zur Bevölkerungsgeschichte
von Durlach: Durlacher Hintersassen 1664 bis 1800." Aus
seiner Schilderung mögen hier einige kurze Abschnitte
zitiert werden, die erkennen lassen, wieviel Sorge der
alten Durlacher Stadtverwaltung ihre Hintersassen bereiteten
.
In einer Stadtrechnung von 1692, der ersten nach den
Verwüstungen, die auf Befehl des französischen Königs
Ludwig XIV. am Oberrhein durchgeführt worden sind,
wird unter dem Titel „Exstanzien von Hintersassen" u. a.
vermerkt, daß von manchen Hintersassen zwar kein
Kreuzer mehr zu erhoffen sei, weil sie alle schon längst
teils hinweggezogen, teils gestorben seien, sie aber in der
Rechnung doch nicht ausgelassen sein wollen. Auch in der
Folge werden immer wieder Hintersassen genannt, die
inzwischen nicht mehr erfaßbar waren. Im Jahr 1717 führt
dann der Durlacher Stadtrat „Beschwerde über die allzu
große Menge der sich dahier aufhaltenden Hintersassen
..." Zugleich wird eine „Ausmusterung" der Hintersassen
angeführt. Ernst Schneider hebt hervor, diese
„Ausmusterung" sei deshalb von Wert, weil ihr nähere
Angaben über Herkunft und Familienverhältnisse der
Hintersassen zu entnehmen seien. Einleitend wird hervorgehoben
, die Hintersassen reisten allzu häufig ein und
schlichen so in die Stadt, „darunter aber vieles Volks begriffen
, das fernerhin nicht zu dulden, seien diesselben
bei Strafe von 30 Kreuzern vorbeschieden und mit ihnen
ein Durchgang vorgenommen worden." (Hier ist die Fassung
vom Skribent einigermaßen ins Schriftdeutsche
übertragen worden). Die Aufstellung selbst gibt über die
Zahl der Hintersassen im Jahr 1717 Auskunft. Genannt
werden: Männliche Hintersassen, 123; deren Frauen, 105;
Witwen, 26; ledige Weibspersonen, 27; Kinder, 142; Summa
, 423." Davon sollen aus der Stadt „als schlecht Gesind"
samt den Kindern 140 zu schaffen sein; bleiben noch 282.
Besonders interessant ist nun die Stellungnahme des
Markgrafen Karl Wilhelm, also des Gründers von Karlsruhe
, zu dieser „Ausmusterungsliste." Der Landesfürst
studierte die Bittschrift persönlich und hat sie mit eigenhändigen
Bemerkungen versehen. Einleitend bemerkt
er, daß Leute, die in der Garde gedient haben, nicht abgewiesen
werden dürfen. Manche Abweisung hat der
Markgraf in „bleibt" geändert. Am 8. März 1717 hatte der
Monarch die von ihm gründlich durchgesehene Bittschrift
zurückgegeben; am 20. März wurde die Stadtverwaltung
Durlach beim Markgraf neuerlich vorstellig. Sie macht für
die Berechtigung des von ihr geplanten Vorgehens geltend
, daß durch die große Zahl von Hintersassen „bey gegenwärtigen
Nahrungsklemmen-Zeiten den armen Burgern
in der Stadt als auch auf den benachbarten Dorfschaften
, welche in vorigen Friedenszeiten ihre Nahrung
mit dem Weingartbau und anderen Taglöhnen allhier gesucht
" das Brot vor dem Mund weggenommen werde.
Die Hintersassen schickten täglich ihre Kinder zum Betteln
. „Ungemeiner Feld- und Gartendiebstahl" wurde
durch die Kinder verübt. „Statt daß sie mit dem Handgeschirr
und mit Äxten und Hauen arbeiteten, schaffen sie
sich zum Teil Pferde an, kaufen Güter und schaden so den
Bürgern." Bei vielen von ihnen habe man zu gewärtigen,
daß Kosten für Krankheit und Begräbniskosten aus den
Stadtalmosen bestritten werden müßten. Viele Hintersassen
verbrauchten Brennholz, das sie nicht kaufen, sondern
in den Waldungen holen und diese dabei ruinieren.
Nun, es läßt sich recht wohl denken, daß es kein leichtes
Stück Arbeit war, die Not, die der Stadtverwaltung Durlach
aus den Hintersassen erwuchs, zu meistern. Der Aufsatz
von Ernst Schneider, der zwei Hintersassenverzeichnisse
, eines von 1664 bis 1867 und das andere, beträchtlich
umfangreichere, von 1692 bis 1800, veröffentlichen kann,
gewährt außerordentlich aufschlußreiche Einblicke in die
Gemeindegeschichte der ehemaligen Residenzstadt Durlach
im 17. und 18. Jahrhundert. Es will dem Chronist
scheinen, dem Verfasser gebühre für seine Forschungen
aufrichtiger Dank. Otto Ernst Sutter
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