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gen dadurch charakterisiert, daß im kolonialen Osten
weiträumigere, nicht von einer historischen Tradition
überlastete und daher einheitlichere Staatengebilde
entstanden, die den politisch zerkrümelten Westen
überflügelten und die entscheidenden Schritte zur
Aufrichtung eines gesamtdeutschen Staates taten. Diese
Entwicklung ist aber nicht erst im Osten in Erscheinung
getreten, wir können sie auch in Altdeutschland
feststellen, wo sich der Unterschied zwischen Alt- und
Ausbauland in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht
ebenso klar erkennen läßt. Durch die Gewinnung
von Neuland und dessen politische Organisierung
konnte aber auch ein anderer Gedanke zur Durchführung
gelangen, der der Begründung der Herrschaft
auf das Land, auf die Fläche, nicht mehr auf die Herrschaft
über Personen, auf den Personenverband. Die
Vogtei aber war das Mittel, durch das die zumeist
geistlichen Grundherrschaften für die weltliche Politik
erfaßt worden sind. Im Ausbauland waren die Verhältnisse
nicht so eng, es gab nicht soviele konkurrierende
Gewalten, die sich gegenseitig am Aufstieg behinderten
, dort gab es auch nicht den Streubesitz, sondern
es waren fast immer größere Bezirke, die gleichmäßig
einer Grundherrschaft unterstellt waren. Es gibt aber
kaum einen zweiten deutschen Staat, in dem so früh
und mit solcher Folgerichtigkeit der Aufbau eines
Staates in modernem Sinne durchgeführt worden wäre
wie hier von den Zähringern.
Man kann von einem Staat wohl nur dann sprechen,
wenn er wenigstens im Innern die Verwaltungsautonomie
besaß. Eine solche kam nach deutscher Auffassung
grundsätzlich dem Herzog, aber noch nicht
dem Grafen zu. Grafen haben sie nur dort erreicht,
wo sie politisch vom Herzogtum unabhängig wurden,
wo es von Haus aus kein Herzogtum gab oder wo es
aus irgendeinem Grunde zerstört worden ist, wo sie
also selbst die Stellung der Herzoge erreichten. Sol-
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