Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3366,go-1946/48
Le Messager du Rhin: Almanach pour 1946
Colmar, 1946.1945
Seite: 39
(PDF, 29 MB)
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LE MESSAGER DU RHIN

39

Am 5. Mai kapitulieren die Armeen Nord- und Westdeutschlands
sowie die in Holland und Dänemark stationierten
deutschen Armeen. Das ist der Zusammenbruch
! Am 7. Mai, um 2 Uhr 41, empfängt General
Eisenhower in einer kleinen Schule in Reims die beiden
Emissäre des sterbenden 3. Reichs, die Generäle Modi
und Friedberg. Welch ein Weg von Rethondes in diese
kleine Schule in Reims, in kaum 5 Jahren zurückgelegt!
Die beiden Generäle bieten die bedingungslose Kapitulation
an. Modi fügt hinzu: « Diese Kapitulation liefert
Deutschland und das deutsche Volk in die Hände
der Sieger aus ». Tags darauf, während General Leclerc
auf Hitlers Adlernest in Berchtesgaden die Trikolore
hißt, kündet feierliches Glockengeläute in aller Welt
die Waffenstreckung Deutschlands und den kommenden
Frieden. Es war ein Jubel ohnegleichen auch im Elsaß.
Wieder prangte überall der bunte Fahnenschmuck, wieder
erscholl die Marseillaise, die Jugend tanzte... endlich
Frieden, Frieden!

In Europa nur, allerdings, denn im fernen Osten
toben die schweren Kämpfe weiter.

Mitte Mai! In San Francisco sitzen sie am grünen
Tisch und schmieden die Pläne der künftigen Gestaltung
der Welt! Auch H. Bidault sitzt dabei, denn
Frankreich ist als 5. Großmacht anerkannt worden. Am
25. Mai wird das OKW aufgelöst. Dönitz und seine
Offiziere begeben sich an Bord der «Patria». Sie kehren
als Gefangene zurück. In Frankreich aber ruft General
de Gaulle das Volk zur Friedensarbeit auf. Steigerung
der Produktion, Kampf dem Schwarzhandel und
Strukturreformen, das sind die großen Ziele seiner Politik
für die nächste Zukunft. Kaum sind die Kanonen
in Europa verstummt, beginnt in Syrien das alte Ränkespiel
von neuem. Manifestationen gegen Frankreich!
England interveniert und fordert von Frankreich... die
Zurückziehung seiner Truppen. Und? Sie werden selbstverständlich
von englischen Truppen ersetzt. Seither
sind keine Manifestationen in Syrien mehr... « Frieden,
aber welch ein zerbrechlicher Frieden », mahnt die weise
Stimme in Rom und in Washington ergänzt Präsident
Truman : « In einer ausgehungerten Welt kann es keinen
dauernden Frieden geben ».

Ein Beschluß der alliierten Militärregierung: Deutschland
wird in vier Zonen aufgeteilt. Ungefähr um die
gleiche Zeit übernimmt H. Paira, ein Sohn Riquewihrs,
die Nachfolge des H. Fonlupt-Esperaber als Prefet von
Colmar. Für das Elsaß wird die Lohnregelung bekannt
und die Kaliminen nehmen die Arbeit wieder auf. In
Paris übergibt General de Gaulle dem großen Strategen
Eisenhower das Schwert Napoleons, während in Straßburg
H. Bollaert als Commissaire regional de la Repu-
blique eingesetzt wird. Im Jubel der Begeisterung und
im Beisein Generals De Lattre de Tassigny feiert Colmar
die Liberation. Während in San Francisco die
Charta der Vereinten Nationen, die Friedensgarantie
der Zukunft, wie es heißt, unterzeichnet wird, wird in
Frankreich der Gelehrte Georges Claude, Erfinder der
V-Waffen, wegen Verrats zu lebenslänglicher Haft verurteilt
. Große Freude im Finanzministerium : der am
4. Juni begonnene und nun zu Ende geführte Notenumtausch
ergab für den Staat einen Reingewinn von

50 Milliarden. Mancher Kriegsgewinnler hatte es eben
vorgezogen, das Zuviel an unehrlich erworbenen Scheinen
ins Feuer zu werfen statt sie... der Justiz zuzuspielen
. Eine Maßnahme die die Hauseigentümer einigermaßen
befriedigte: die Mieten werden zwischen 10
und 25% erhöht. In St-Sulpice wird Mgr Weber zum
Bischof geweiht.

Schon stehen wir mitten im Sommer. Golden leuchtet
draußen das Aehrenfeld. Im ganzen Elsaß löst ein
Fest das andere ab. Stadt, Städtchen und Ortschaft,
niemand will zurückstehen. Man feiert Befreiung. Man
feiert aber auch überall den Quatorze Juillet, zum ersten
Mal wieder nach der fünfjährigen Trennung
vom Mutterlande und deshalb mit besonderem Glänze.
Einige Tage vorher hatte Minister Frenay in Straßburg
dem elsässischen Leiden während diesen Jahren Anerkennung
gezollt, indem er aussprach: «300.000 Elsässer
zahlten der Nazibarbarei ihren Tribut ».

Eine neue Besprechung beginnt. In Potsdam, im
Schloß Sans-Souci, wo einst der Schöpfer des Preußengeistes
, Friedrich der Große, auf seiner prächtigen
Blockflöte die alten Meister spielte, begegnen sich
Churchill, Truman und Stalin. Die « Drei Großen »
bauen ajn Frieden, aber der vierte fehlt, und der vierte
ist Frankreich. Schade! Die Besprechungen werden für
einige Tage unterbrochen. Churchill kehrt nach London
zurück, und Attlee übernimmt seine Nachfolge, denn
inzwischen hatte das britische Volk gewählt und tra-
vaillistisch gestimmt. In Paris steigt ein Monstre-Prozeß
in engstem Raum: Marschall Petain hat sich zu verantworten
. Petain schweigt. Umso mehr reden die Zeugen
Reynaud, Lebrun, Daladier usw. Daladier? Er
steckte in diesem Prozeß die Tomaten, die ihm einige
Monate später im Wahlkampf entgegengeschleudert
wurden. Der müde Greis wird zum Tode verurteilt, seines
hohen Alters wegen aber von General de Gaulle
begnadigt. Ein wenig rühmliches Kapitel der französischen
Geschichte ist damit begraben. Der Vorhang wird
nun auch in Potsdam gezogen. Man hatte sich auf drei
große Punkte geeinigt: die Gründung eines permanenten
Außenministerrates, der die Friedensverträge vorbereiten
soll, das Verbot der Waffenproduktion in
Deutschland und die Erhaltung der deutschen Einheit.
Wiederum ist also ein französischer Traum eben nur
Traum geblieben.

Ein neues Kapitel der Weltgeschichte beginnt. In
Japan platzt die erste Atombombe, eine Großstadt in
Trümmer, Schutt und Asche legend, zwei Tage später
reißt eine andere Atombombe Nagasaki nieder. Die
Welt hält den Atem an. Japan kann nicht mehr. Nach
8 Jahren Krieg mit China, nach 4 Jahren Krieg mit
den Angelsachsen und nach 36 Stunden Krieg mit den
Russen streckt es die Waffen. Jetzt erst ist der Frieden
eingekehrt in der Welt. Doch worüber wird mehr diskutiert
, über das neue Atomwunder oder über die Kapitulation
Japans? Gelehrte rechnen bereits aus, daß die
Atomenergie, einmal auf die Friedenswirtschaft übertragen
, uns herrlichen Zeiten entgegenführen wird. Mit
6 Milligramm Uranium im Motor unserer Limusine
werden wir von Paris nach Konstantinopel und retour
fahren usw. usw. Einstweilen aber flößt uns das neue


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