Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3366,go-1946/48
Le Messager du Rhin: Almanach pour 1946
Colmar, 1946.1945
Seite: 42
(PDF, 29 MB)
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42

LE MESSAGER DU RHIN

Fröningen (Sundgau)

dischen Kommandanten auf Schloß Pfirt, den hartherzigen
Erlach. Noch glaubte der Morand den Geschworenen
von Wolschweiler zu hören, wie er in der Stube
daheim die Männer aufgefordert zum Kampf, daß er, der
Bub, jedes Wort in der Kammer daneben vernehmen
konnte:

»Was er will, der von Erlach? Neue Kriegsabgaben verlangt
, und neue Einquartierungen setzt er uns in die
Häuser, und fronen sollen wir auf dem Schloß! Dem
Pfirter Baumeister Vogelweid hat er's gesagt: wer sich
nicht fügt, will"'er verfolgen mit Feuer und Schwert!
Nun wählt, Männer! Sollen wir Sundgauer das annehmen
? Frei wollen wir sein, abschütteln von uns die verhaßte
Herrschaft!«

Und beigestimmt hatten alle. Manchen Krug Wein holte
der Vater im Keller an jenem Abend, und der Morand
konnte nicht mehr einschlafen, so polterte der Biegenwald
und wetterten die andern gegen die Unterdrücker.
Spät in der Nacht hatten sie sich getrennt. Fast meinte
der Morand, er wandere nicht im Schneesturm nach Rodersdorf
, sondern stehe wieder daheim in der Hüttingermühle
an der jungen III und sehe die Mutter mit verweinten
Augen durch die Kammern schleichen. Aufgestanden
waren die Sundgauer, hatten die Schweden in
den Dörfern niedergemacht und Pfirt überfallen, den
Erlach erwürgt und zerfetzt, Altkirch genommen.
Eine Glocke schlug die siebte Stunde. Morand war nicht
mehr weit von Rodersdorf. Tapfer schritt er voran durch
das Dunkel der Nacht. Dabei kamen ihm jene Tage in
Erinnerung, in denen die Sundgauer Bauern blutigen Zoll
bezahlten bei Blotzheim und dabei alles, alles verloren
ging. Bittere Rache nahm der Schwede an den Dörfern
im Pfirter Amt. Blutrot stand nächtelang der Himmel
über der III und dem Birsig, die Mühle, darinnen sie
glücklich gewesen, ward in Brand gesteckt. Grad' um die
Jahreszeit war's gewesen und ein grauer Tag wie heute.
Der Nord hatte in den Felsen ob Wolschweiler gepfiffen
, im Wald hatte das Käuzlein geschrien,
das bedeutete Unheil und Tod. Die Mutter
erschlugen die Mordbrenner, und ihn,
den Morand, ließen sie leben, schleppten
ihn mit nach Pfirt, machten ihn zum Roßbuben
--, brannte dort nicht die Mühle

lichterloh? Noch sah er, wie die Flammen
durch das Gebälk sich fraßen und wie
dann mit einem Male das Feuer gewaltig in
den Himmel schlug. Zurückgeschaut hatte
er, als sie ihn fortzerrten, aufgeschrien in
wildem Weh! Die Heimat hatten sie ihm
genommen, dort brach das Dach zusammen,
sank die Mühle in Trümmer. Die Mutter
tot, umgebracht von dem rothaarigen Teufel
, der an der Spitze der Gesellen ritt, und
der Vater, weiß Gott, wo der war! In Blotzheim
war er wohl mit den andern umgekommen
, keiner hatte ihn mehr seit jenem
Tage gesehen. Alles, alles dahin . . .

2.

Im »Ochsen« in Rodersdorf saßen um den Tisch beim
Ofen einige Männer und hatten den Becher vor sich.
Am Nebentisch der Morand, vor ihm stand der Wirt :
»Die Nacht könnt Ihr bei uns zubringen, eine Kammer
ist frei.«

Drauf der Morand: »Wenn man bei dem Wetter nur
ein Dach über sich hat, ist man schon zufrieden.«
Am Tisch nickten die Männer. Der eine meinte: »Ein
garstig' Wetter heut abend, wer da nicht hinaus muß,
duckt sich am warmen Ofen.«

»Ihr kommt wohl von weit?«, fragte der Wirt den Gast,
dem er Brot und Käse hingestellt hatte.
»Ihr sagt's«, entgegnete Morand, »komme von Basel
und noch von weiter.«

»Von Basel?«, fragte der Wirt, »Was erzählt man in der
Stadt? Weiß man nichts vom Krieg, nichts vom Frieden
? Jahrelang schon verhandeln die Herren, noch immer
ist Krieg.«

»Es geht zu Ende«, erwiderte der Morand.

»Ist eine lange Zeit, neunundzwanzig Jahre«, brummte

einer der Männer.

»Gar mancher weiß nicht, was der Friede ist«, setzte
der Morand bitter hinzu, »hab nie das Wort gekannt.
Kam zur Welt, als man schon fast zwei Jahre im Böhmischen
sich schlug.«

»Ja, wie die Zeit vergeht«, meinte der Wirt, »jetzt sind
es schon vierzehn Jahre, seitdem die Bauern im Pfirter
Amt aufstanden, und Leimen in Brand gesteckt wurde.
Jetzt jährt es sich wieder. Auch aus den Dörfern bei uns
machten viele mit. Aber schwer haben sie's gebüßt.«
Der Morand nickte wie im Traum. Da war es wieder,
was er jahrelang mit sich herumgetragen, was er immer
wieder in der Erinnerung erlebte: die brennende
Mühle, die erschlagene Mutter, die verlorene Heimat!


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