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LE MESSAGER DU RHIN
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Wir kamen noch gut durch«, warf einer der Männer
dazwischen, »aber in Werschweiler drüben hat's damals
schwer gebrannt.«
»Das war die Hüttingermühle«, ergänzte der Wirt, »ich
weiß es noch gut, es war ein Abend wie heute. Furchtbar
glühte der Himmel, war grausig zu schauen.«
»Die Hüttingermühle!« stammelte Morand fast tonlos,
»die Hüttingermühle.'« Um seinen Mund zuckte es, und
die Augen brannten ihn.
»Ihr kanntet die Mühle?«, fragte der Wirt.
Der Fremde nickte. Still ward's in der Wirtsstube.
»So seid Ihr aus der Gegend?«
Der Morand drauf: »Von der obern III.«
»Noch einen Krug, Wirt«, bestellte einer der Gäste und
lud Morand ein, sich zu ihnen an den Tisch zu setzen.
Die Männer rückten zusammen.
Der Morand nahm wieder das Wort: »Bin nicht fremd
allhier, kannte Euer Dorf so gut wie Wolschweiler.«
Die Männer stießen mit ihm an. »Aber das Kriegsvolk
hat uns alles verbrannt, die Mutter umgebracht, mich
mitgeschleppt, ein Kind fast noch. Zum Roßbub machten
sie mich, und als ich älter wurde, zwangen sie mich,
ihrer Fahne zu folgen.«
»So wurdet Ihr selbst Landsknecht?« unterbrach ihn
der Wirt.
»So ist's, antwortete der Morand »blieb es jahrelang.
Folgte bald dieser, bald jener Fahne. Wo sollte ich
auch hin, was tun? Hab' ja kein Zuhause mehr. Und
doch immer wieder hörte ich die Stimme der Heimat:
kehr' zurück, komme wieder? So verließ ich heimlich
das Kriegsvolk, wanderte und wanderte, hatte nur einen
Wunsch: heim in den Sundgau. War es die tote Mutter,
die mich rief, war es der Vater? Ich weiß es nicht.
Aber kommen mußte ich!
»Und was war mit Eurem Vater?«, fragte einer der
Männer.
»Der Vater stand auf mit den Bauern im Pfirter
Amt. . .«
»Sie haben sich gewehrt!« warf einer dazwischen, »ich
kannte den Hans Stehelin, den Wolschweiler Meier, der
hat mir's erzählt, bei mir war er versteckt, als er nach
Laufen flüchtete.«
»Der Stehelin? Ich hab' ihn oft eesehen, wenn er zu
uns kam«, nickte der Morand. »Wie gesagt«, fuhr er
nach e^ner Weile weiter, »der Vater war mit in Pfirt
und Altkirch, . . . wohl auch in Blotzheim . . .«
»In Blotzheim? . . . Wenige sind davongekommen«, warf
der Wirt dazwischen.
»Wenige, ja, Wirt... Vom Vater hörte ich nichts mehr.«
»Angezündet haben die Schweden das Dorf an den vier
Ecken«, berichtete der Wirt.
»Der Hans Stehelin wußte davon!« ergänzte einer der
Männer, »Wer nicht in den Flammen umkam, den haben
sie am Weg nach Bartenheim aufgehängt.«
»Dort blieb wohl auch der Vater«, meinte der Morand
und stützte das Haupt in beide Hände.
Drauf der Wirt: »Beim Schmied Ursus schafft einer als
Knecht, der ist jetzt schon sehr alt, er konnte bei Blotzheim
entkommen. Hielt sich wochenlang in den Wäldern
auf, lebte von Beeren, schlich nur nachts in
die Dörfer, bettelte um ein Stücklein Brot. Flüchtete in
die Felshöhle droben bei Wolschweiler, . . . suchte
Schutz drüben über dem Blauen im Tal der Birs, kam
endlich zu uns nach Rodersdorf und wurde Knecht beim
LIrsus.«
Der Morand horchte auf: »Woher ist der Knecht?«
»Woher er stammt, we-ß ich nicht. Nie sagte er's, aber
er muß aus dem obern Illtal sein. Seinen Namen nannte
er nie. Schwer hat er gelitten, scheu ist er geworden,
und seit Tagen liegt er krank darnieder. Vielleicht
kannte der Euren Vater«, meinte der Wirt.
»Wer weiß! Vielleicht kann er Auskunft geben«, nickte
der Morand. Und vor seiner Seele stand das Bild des
Vaters. War ein Sundgauer, derb, doch gut und lieb,
einer, der nie ruhen wollte, nur immer arbeitete. Und
der stolz war auf Haus und Hof. Wie oft hatte er ihm
gesagt: »Morand, werd' ein Sundgauer! Mach', daß die
Mühle auch weiter in unserer Familie bleibt!
»Geht doch zu ihm«, riet der Wirt, »das wird ihm ein
Trost sein, wenn er mit Euch reden kann.«
»Morgen schon«, nickte der Morand und reichte dem
Wirt in dankbarer Aufwallung die Hand.
Von der Straße hörte man des Wächters gleichmäßigen
Schritt. Feierabend war's. Es hatte zu schneien aufgehört
, aber noch immer heulte der Sturm über das winterliche
Land.
Am Lager, drauf der Knecht beim Schmied Ursus lag,
stand der Morand:
»Von weither komme ich des Wegs, erfuhr drüben in
der Schenke von Euch.«
Der Knecht schaute ihn ängstlich an, doch Morand beruhigte
ihn: »Habt keine Angst vor mir, bin selbst von
der obern III.«
Der Kranke deutete auf das bunt zusammengesetzte
Kleid: »Das schon, war jahrelang Kriegsmann, bin es
nicht mehr, ich will nur heim!« erklärte der Morand.
»Heim!« flüsterte mit zitternder Stimme der Knecht,
fiebrig glänzten seine Augen, und seine Hände suchten
und tasteten über die Decke.
Der Morand fuhr weiter: »Mein Vater war dabei, als
163 3 der Sundgau sich erhob gegen das fremde Kriegsvolk
.«
»Auch ich war dabei«, unterbrach ihn der Kranke,
»böse Zeiten waren's, Blut floß in Pfirt, und blutig
wurde in Blotzheim Rache genommen. Ich weiß, ich
weiß.--«
Di auf der Morand: »Die Mutter haben sie ermordet,
mich mitgeschleppt in die Fremde.«
»Und der Vater, kam der ums Leben?«, fragte der
Knecht.
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