http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/messager_rhin_1946/0050
44
LE MESSAGER DU RHIN
»Nie hörte ich mehr von ihm.« . . .
»Nur wenige entkamen, mußten sich versteckt halten
, in die Wälder flüchten, wurden alt dabei und gebrochen
«, nickte der Kranke.
Der Morand fuhr weiter: »Alles haben die Teufel mir
genommen, Vater und Mutter, mir die Jugend zerstört
, mich der Heimat beraubt. Auf unsere Mühle setzten
sie lachend den roten Hahn. Feuer fraß unsern
Hof. . .«
Der Knecht zuckte zusammen: »Auf Eure Mühle,
Fremdling? Wo stand sie?«
»Drüben an der III, Mann, die Hüttingermühle.«
Der Kranke richtete sich auf: »Die Hüttingermühle
—«
Drauf der Morand: »Ihr kanntet sie?«
Aufschrie der Knecht: »Morand! Morand!«
»Ihr kennt meinen Namen — kanntet den Vater?«
»Mein Sohn, mein Morand!« schluchzte der Kranke.
»Mein Vater — du--du!« Vor das Lager war der
Morand gesunken, hielt seinen Vater umschlungen,
bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Jauchzte immer
wieder: »Vater, mein Vater! Gottlob, dich hab* ich
gefunden!«
»Morand, Schweres litten wir beide. Du in der Fremde
, jahrelang. Ich flüchtig in den Juratälern. Dann hielt
es mich nicht länger. Über den Blochmunt kam ich
zurück, nur von ferne wollt' ich die Heimat sehen,
ihr nahe sein. Hier wurde ich Knecht. Keiner weiß, wer
ich bin. Nie mehr sah ich die gebrochene Mühle. Wozu
auch? Dich glaubte ich tot, wer blieb mir dann noch?«
»So wußtest du von der Mutter . . .«
»Ich erfuhr es nach Monden durch Hans Stehelin.« Er
wischte sich über die Augen. »Arme Margret, daß du
so sterben mußtest.«
»Vater, der rothaarige Teufel, der sie ermordet, lebte
nicht mehr lang. Bei Nördlingen ist^er geblieben.«
»Morand . . .,« ein böser Hustenanfall unterbrach den
Kranken, »Morand, . . . geh hinüber in unsere alte Heimat
. . .«
»Vater, und du?«
»Ich geh für immer heim,« meinte der Kranke leise,
»ich spür's am besten.«
»Vater, nein, nein, — jetzt, wo wir uns gefunden--,«
wehrte Morand ab.
»Morand, das Stechen da drinnen, das ist ein böses Zeichen
«, nickte der Kranke, »aber du, — du gehst hinüber
, dorthin, wo unsere Mühle stand. Morand, dann
grüß mir die III, — grüß mir die Stätte, wo wir glücklich
waren, . . . zwei Jahrhunderte schon saßen die Bastians
auf der Hüttingermühle, . . . dort wuchs ich auf, hab'
am Bach gespielt, . . . hab' die Margret glücklich gemacht
, . . . dann kamst du, Morand, mit deinem Kinderlachen
... Morand, dorthin gehst du, um dort zu bleiben
!« Ein neuer Hustenanfall schüttelte den Kranken.
Der Morand drauf: »Vater, das schon, die Heimat such'
ich auf, aber dort zu bleiben? Wie kann ich das? Alles
ist zerstört, Bäume und Gebüsch wachsen in dem ausgebrannten
Gehöft.«
»Morand, bau den Hof wieder auf!« Wie der Vater das
Wort feierlich aussprach, ja, so hatte er zu ihm einmal
gesagt: Morand mach, daß die Mühle auch weiter in
unserer Familie bleibt!
»Vater, — das ist nicht möglich . . . Nichts haben wir
mehr,« meinte der"Morand.
»Dort, Morand, in jener Truhe ist, was ich verdient.
Das nimmst du. Manch Silbertaler ist dabei. Noch liegen
um die Mühle die Felder, die Äcker. Unkraut wuchert
darauf. Morand, Arbeit wird's geben, das schon,
aber manch einer aus Wolschweiler und Rodersdorf
wird dir helfen dabei. So will es Sundgauerart. Säen
wirst du eines Tages, und der Herrgott wird den Segen
dazu geben. Und dann wirst du ernten, Morand, ernten
. --«
Ein Bild stand vor des Burschen Sinn: wogende Kornfelder
, ährenschwer und goldbraun, und darüber der
blaue Himmel und die strahlende Sonne und der große
Friede. Erinnerungen stiegen auf, ja, so war es gewesen
in ferner Jugendzeit, der herrliche Blick über die reifende
Ackerfrucht, weithin um die Dörfer an der obern
III, und die wunderbare Stille über dem Hügelland, das
drüben bei der Lilliskirch emporragte, und über den
bläulichen Wäldern, die ob Wolschweiler und Lutter in
den Sommerhimmel griffen, — wie schön das alles! Aus
seinem Sinnen weckte ihn des Vaters Wort:
»Und dann wirst du wieder aufbauen. Füllen werden
sich Scheune und Stall. Schulden, Bub, wird es geben,
aber dein Schaffen wird sie auswischen. Und einmal
wird ja auch wieder Friede werden.«
»Vater, schon bald, zu Ende geht der Krieg,« nickte der
Bursche.
»Das Mühlrad wird wieder klappern, — Morand, dann
wirst du auch an mich denken.«
»Vater, — Vater!--«
»Die Bastians rufen dich, Morand. Bist einer von ihnen,
bist ein Sundgauer, bist's ihnen schuldig.«
»Schweres fordern sie, Vater.«
»Großes geben sie, Morand.«
»Vater, ich will's versuchen«, fuhr der Morand weiter.
»Gott schütze dich, mein Bub! Bau auf, was der Krieg
zerstört. . .«
In die Kammer trat ein Mädchen, brachte dem Kranken
ein linderndes Getränk. Sie nickte dem Morand zu.
Blühend war das Gesicht, um die Stirn war das goldblonde
Haar geflochten, und die Augen waren blau wie
der Frühlingshimmel.
»Dank Vreneli,« hauchte der Kranke und trank, was
ihm das Mädchen bot. . .
»Vreneli, das ist mein Sohn,« meinte er freudig.
»Euer Sohn?«
»Nach langen Jahren hat ihn der Herrgott zurückgeführt
,« ergänzte der Kranke.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/messager_rhin_1946/0050