Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3366,go-1946/48
Le Messager du Rhin: Almanach pour 1946
Colmar, 1946.1945
Seite: 46
(PDF, 29 MB)
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46

LE MESSAGER DU RHIN

Land heimsuchte, die Mutter ihr nahm, den Vater niederwarf
. Im Sterben hatte er ihr's gestanden. Daß er aus
Angst alles verraten, um so die Seinen zu retten! Daß
er die Schuld trug am Unglück der Bastian, am Untergang
der Hüttingermühle.

»Vreneli, mach' du's wieder gut«, hatte er sie angefleht
, »versprich es mir.«

Und dem Sterbenden hatte sie's in die Hand versprochen
und ihm so den Abschied leicht gemacht.
Mach' es wieder gut, hatte der Vater zu ihr gesagt, aber
an wem und wie? Von den Bastians lebte ja niemand
mehr! So tat das Vreneli Gutes an den Kranken in Rodersdorf
, wohin sie des Vaters Bruder geholt, als sie
allein stand auf der Welt. War es nicht seltsam, daß sie
dem Knecht auf des Ohms Hof stets geholfen bei der
Arbeit, daß sie ihm manch liebes Wort gegönnt, daß
sie ihn gepflegt als wie ihren eigenen Vater? Geheimnisvolles
Walten, das ihr den alten Bastian auf den Lebensweg
geführt, um liebend zu sühnen, was der Vater
in seiner Schwachheit gefehlt hatte!
Und jetzt war der Morand heimgekehrt. Der Morand,
dem sie nicht gleichgültig war. Und den sie selbst im
stillen lieb hatte. »Mach' du's wieder gut«, immer hörte

sie.des sterbenden Vaters Stimme.--

»Der Morand«, nahm der Oheim seine Rede wieder auf,

»schafft für zwei. Für den hab' ich keine Angst, der

wird die Hüttingermühle wieder aufbauen.«

Wieder aufbauen ... In Vreneli stieg der Gedanke auf:

da kannst du's wieder gut machen. Mit des Vaters

Geld. Und sühnen so die böse Schuld.

Sie unterbrach den Ohm: »Gern wollen wir ihm dabei

helfen.«

»Er hat mein Wort«, nickte der Ohm.

»Ohm«, sprach das Vreneli mit zitternder Stimme,

»meines Vaters Geld geb' ich dir, nimm es für den

Morand.«

»Für den Morand?«

»Ja, Ohm.« Und sie enthüllte ihm des Vaters Schuld.
»Aufbauen will der Morand, was damals in Trümmer
sank. Ohm, mit des Vaters, mit meinem Geld soll er's
tun. Dann ist alles, alles wieder gut . . .«
»Vreneli«, nickte der Ohm, »was du tun willst, das
tue! Du handelst recht!«

»Ohm, nie aber darf er's wissen!« meinte das Mädchen.
»Vreneli, ich glaub', er ist dir gut!« lachte der Ohm.
Das Mädchen senkte das Köpfchen.
War's die Abendröte, die auf seinem Gesicht lag, war's
der Liebe seliges Geständnis?

Dann aber raffte sie sich zusammen: »Ohm, — das kann
nicht sein, — der Morand und ich, — nein, Ohm, alles
war nur ein schöner Traum. Tränen perlten in ihren
Augen.

Über den Hof kam der Morand. Nach dem Vieh hatte
er noch einmal geschaut. Per Frühling war ins Land gezogen
, hatte die Knospen an Baum und Strauch wachgeküßt
, wie auf ein großes Zauberwort grünten die Fluren
, goldete am Birsig die Dotterblume, stand über
Nacht fast das ganze Leimental im bräutlichen Schmuck.
Wie große Blumensträuße säumten die Kirschbäume
den Weg nach Biedertal, Bienen summten um die
schneeichten Dolden, und die Sonne umstrahlte sie mit
fast blendendem Glanz. Im Blütenmeer versanken die
Dörfer an der obern 111 und am Birsig, wie schön war
die Heimat, die der Morand wieder gefunden.

5.

Wochen gingen ins Land. Längst hatten die Kirschen
angesetzt, versprachen ein gutes Jahr. Und auf den Feldern
wurde das Korn mit jedem Tag höher, gesegnet war
die Frucht, so schön stand sie, wie seit Jahren nicht mehr.
In der Frühe war der Schmied Ursus mit dem Morand
hinübergewandert zum Platz, auf dem einstens die Hüttingermühle
gestanden. Es war ein gar prächtiger Tag.
Tiefblau stand der Himmel über dem Pfirter Amt — tiefblau
wie des Vrenelis Augen, dachte der Morand. Wie
eine holde Weise deucht' ihn der Name. Klang er nicht
wie ihr silbernes Lachen?

Hier ragte der Römel empor, dort über der Kluft saß
Schloß Burg auf steiler Flüh, Wald rauschte um die
Höhen ob Wolschweiler, ein Felsenband zeichnete weiß
sich ab, . . . von einer Höhe droben hatte ihm die Mutter
selig oft erzählt. Und dort der Blochmunt mit seinem
Burgstall aus böser Fehdezeit, drüben der Oltinger
Bug, der sich vorschob, weiter das .sich öffnende Tal
der III, in der Lilliskirch schlug eine Glocke die Stunde
, und drüben wieder Hügel und Äcker und Felder in
wechselvollem Bild. Die Heimat, die den Morand rief,
der Sundgau! — —

Nun standen sie an der jungen III, dort, wo einstens
das Mühlrad geklappert. Alles war ausgebrannt, Bäume
wuchsen in den Ruinen, undurchdringliches Gebüsch
wucherte in den Fensterhöhlen.

Der Schmied Ursus nickte. »Morand, mit gutem Mut
an die Arbeit!«

Und beide legten Hand an. Das Gebüsch rodeten sie,
und die Bäume fielen unter ihren wuchtigen Axthieben.
Schwer war die Arbeit, aber schon nach einer Woche
waren die Trümmer freigelegt.

In Rodersdorf und Wolschweiler wußten sie's noch am
selben Tag: des Bastians Morand ist heimgekehrt, mit
dem Schmied Ursus aus Rodersdorf schafft er wie ein
Riese. Die Mühle will er wieder aufbauen, — ja, das ist
ein rechter Bastian, einer, wie sein Vater selig. Und nicht
lange ging es, da stellten sich aus Rodersdorf und
Wolschweiler die Männer ein, boten dem Morand ihre
Hilfe an, stellten die Fuhren, räumten die Steine weg.
So wollte es Sundgauerart, wenn einer in Not war. Der
Morand war glücklich dabei. Und froh atmete er den
Lindenduft, den der Wind zu ihm trug, und viel schöner
noch deuchte ihn der Sundgau, auf dessen Feldern
das Korn golden wogte. —


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