Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3366,go-1946/48
Le Messager du Rhin: Almanach pour 1946
Colmar, 1946.1945
Seite: 50
(PDF, 29 MB)
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50

LE MESSAGER DU RHIN

abschiedete ich mich, nachdem ich noch einmal gedankt
.

»Jetze müeß i awer in d'Schüel! Adje, Mamsell Wunder-
lig! adje, Herr Wunderlig.'«

Mein neuer Freund schmunzelte vergnügt, die alte Mamsell
blinzelte lustig zum Bruder hin. Woher ich denn
ihren Namen wisse? Von den anderen Kindern. So, so.
Beide lachten. Nun, ich solle recht bald wiederkommen.
Einen letzten Blick schickte ich — fast getröstet — hinüber
zum Stall. Mit dem Stern war's ja nun leider nichts
gewesen, aber ein andermal — ganz sicher — da würde
ich ihn doch noch finden. Ein Hochgefühl ohnegleichen
durchflutete mich. Da ich so »rechte« Eltern hatte
— und sooo viel Schnitz in der Schürze trug! — schien
mir nichts unmöglich.

Kathrin dämpfte allerdings gehörig meine Seligkeit, als
ich ihr glückstrahlend mein Erlebnis berichtete. »Dü
machsch eim Schand uf Schritt un Tritt«, polterte sie.
»Mr sait doch de Lit net dr Iwernamme!«
Ich verstand nicht recht, was Kathrin meinte. Mein
Freund Wunderlig selbst war es, der mich eines Tages —
viel später — aufklärte. Seine Gewohnheit, oft kopfschüttelnd
»wunderlig, wunderlig« zu sagen, war meinen
spottlustigen Mitbürgern willkommen gewesen. Sie
hängten ihm das Wort an, und Zeit seines Lebens blieb
er für sie »dr Wunderlig«. Seinen wirklichen Namen
vergaßen sie beinahe, ja, viele hatten ihn überhaupt nie
gekannt. Als er mir das alles mit gutmütigem Spott erzählte
, waren wir schon längst die besten Freunde geworden
. Und «dr Herr Wunderlig« blieb er auch für
mich bis zu seinem Ende.

»Was isch —« fragte er manchmal, wenn wir selbander
oder zu Dreien auf dem Bänkchen vor der Haustür sas-
sen, mitten zwischen blühenden Oleandern und Granat-
bäumchen, den weiten, leuchtenden Sternenhimmel über
uns — »was isch, Maidele, süechsch noch allewil diner
Stern vu Bethlehem —?«

Ich nickte ernsthaft. »Sali scho! un eimol find i-n-e-
n-äu, das weiß i!«

»Wunderlig, wunderlig -« murmelte mein alter Freund.
Au^h er war ernst geworden. »Awer rächt häsch: wenn's
äu hundertmol e Stalladaarn gsi isch — wenn mr numme
dr Gläuwe bhaltet. . . Eimol im Lawe«, fuhr er leiser
fort, »eimol, Kind, zindet unser Herrgott jo fir jedwe-
ders e Starnle-n-aa. Un war's äu numme-n-an sinem
letschte Dag, fir'm dr Wag z'wiese, dr Wag in d'ewig
Heimet . . .«

Als er dann diesen Weg gehen mußte, leuchteten seine
erlöschenden Augen noch einmal auf — die zitternde
Hand wies nach dem Fenster, nach dem flammenden
Abendhimmel, in dem silbern ein erster Stern aufstrahlte
, und seine blassen Lippen flüsterten: »Kind...
lüeg . .. dr Starn . . .«

Und dann, als letzter Hauch — nur der Liebe hörbar —
»wunderlig . . . wunderlig . . .«

E.B.

St. Gangolf im Blumental


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