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LE MESSAGER DU RHIN
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Ein Ferklein stößt ein Sauermilchhäflein um
Es war eine arme Witwe, die hatte eine Sache
vor einem Richter. Dem schenkte sie ein Häfelein
mit saurer Milch, er sollte dafür ihre Sache beschirmen
. Er gab ihr Trost und sprach: sie hätte
eine gute Sache und dürfte keine Sorge haben. Sie
war froh. Da kam der Gegner, der war reich und
schenkte dem Richter ein Ferklein. Da der Tag des
Urteilsspruchs kam, erging es wider die Frau, und
sie verlor den Prozeß. Da kam sie zu dem Richter
und sprach: «Herr, wo ist mein Sauermilchhäflein
?» Er* antwortete: «Das Ferkelein hat es umgestoßen
.»
Geiler von Kaysersberg
(Das irrige Schaf 1510)
Vom Teufel und einem alten bösen Weib
Der Teufel verhieß einem alten Weibe ein paar
neue Schuhe, wenn sie ein Paar Eheleute uneins
machen könnte. Sie versprach es ihm. Sie ging zu
dem Ehemann und sprach: «Herr, eure Frau hat
einen anderen lieber als euch, und sehet ihr euch
nicht wohl vor, so wird sie euch töten.» Der gute
Mann gab ihr keinen Glauben. Da ging das alte
Weib zu der Ehefrau, sagte ihr, ihr Mann hätte
einen andern Buhlen lieber als sie. Da es Abend
war und man zu Nacht aß, sah der Mann die Frau
über die Achsel, die Frau den Mann sauer an, da
glaubte jegliches den Worten des alten Weibes.
Am andern Tag kam dieses wieder zu der Frau,
riet ihr, sie sollte das größte Brotmesser des Mannes
mit Weihwasser besprengen und es ihm unter
das Kissen legen, und wenn der Mann darauf läge,
würde er sie lieb gewinnen, wie zuvor. An demselben
Tage sprach sie zu dem Manne, er sollte
sich vorsehen in dieser Nacht und schauen, was
unter seinem Kissen läge. Er sieht nach und findet
das Messer. Er meint, die Frau hätte ihn erstechen
wollen, da erstach er sie. Darnach ging das alte
Weib an einen-.-, Bach, zu waschen. Da bot ihr der
Teufel das Paar Schuhe an einer Stange über den
Bach, sprechend: «Ich komme nicht zu dir, du
möchtest mich betrügen, wie du die Eheleute betrogen
hast.»
Geiler von Kaysersberg
(Das Narrenschiff 1520)
Geiler auf der Münsterkanzel zu Straßburg
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