Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3366,go-1946/48
Le Messager du Rhin: Almanach pour 1946
Colmar, 1946.1945
Seite: 75
(PDF, 29 MB)
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LE MESSAGER DU RHIN

75

Neues werden wir nicht zum Lebensbild dieses
größten modernen Elsässers zu sagen haben, er sei
nur aufgerufen, um auch in der neuen Zeit uns
wieder Vorbild zu sein. Mit dem roten Band der
Ehrenlegion stehe er wieder vor uns, wie er vor
vielen Jahren vor uns stand.

Am 11. März 1865, wenige Jahre also vor dem
70er Krieg, wurde er im Notarhaus am Obertor in
dem verborgen gelegenen Boersch geboren.

Der Lebensweg von Boersch hinauf nach dem
zwanzig Minuten entfernt gelegenen St-Leonhard,
wo er sich sein Künstlerheim baute, auf dem
Boden des ehemaligen Kollegiatstiftes gleichen
Namens, und wieder hinunter nach Boersch zum
kleinen Hintertor hinaus, an die Rückwand des
Dorffriedhofes mit dem Blick nach St-Odilien ist
nicht weit, aber der Arbeitsweg, der dazwischen
liegt, gilt, und die Arbeitsmasse — und diese Arbeitsmasse
ist goldschwer.

Die Arbeit konnte eben nur von einem Menschen
von dem innern Wert Spindlers bewältigt
werden, von einem Edelmann und einem Voll-
elsässer, gesund an Geist und Körper. C. Gruber,
sein Zeitgenosse, nennt ihn «ein wahres Prachtstück
elsässischer Tüchtigkeit, Gewissenhaftigkeit,
Arbeitsamkeit und Ausdauer«. Das zu sein ist im
Elsaß gar nicht leicht! Bei Spindler ging es immer
nur um den wirklichen Wert,' nie um Konjunkturwerte
, die mit den Zeitumständen wechseln, nur
was Dauer hat, galt bei ihm. Darum ist aber auch
so viel oder fast alles lebendig geblieben.

Er wurde nur aus positivem Können, was er geworden
ist und er wollte auch nie auf anderm Weg
etwas werden. Deshalb stand er aber auch jederzeit
Zeitgenossen oder jüngeren Künstlern helfend zur
Seite, wo er Wille und Können fand. Er hielt nie
mit seiner Meinung zurück, wo es galt
für das Recht einzustehen, er war kein '
Biegsamer aber ein Verlaßsamer und
ein Grundsätzlicher. Wer ihm einmal
nahe treten durfte, der wußte, daß er
es mit einem ganzen Manne zu tun
hatte — und so erzog er jeden, der in
seinen Bannkreis trat.

Daß dieser Mann berufen war, unserer
elsässischen Kunst und unserer Art
Eigenwege zu weisen, ist selbstverständlich
. Er war nie Professor an einer
Kunstschule, er hatte nirgends eine
leitende Stellung, hatte nie einen Schülerkreis
und strahlte doch auf alle aus.
Er hinterließ uns keine großen Fresken
etwa, nein, nur die innere Intensität
seines Wollens war bestimmend. Seine
köstlichen Aquarelle: Landschaften,
Köpfe, Szenenbilder bleiben ein unschätzbares
Gut unserer Heimat. Seine

und seiner Freunde «Bilderbogen» (Images alsa-
ciennes 1893—1896) (70 Blätter, zumeist von ihm),
seine technisch ungemein vollendeten Feder- oder
Pinselzeichnungen sind Kostbarkeiten. Seine Trachtenbilder
, herausgewachsen aus der Ensfelder- und
Lix'schen Trachtensammlung, vereinigt herausgegeben
1902 in seinem wunderbaren Werk «Cos-
tumes et coutumes d'Alsace» nehmen einen unvergeßlichen
Ehrenplatz in unserer Heimatgeschichte
ein. Vergessen wir nicht, daß er aber tatsächlich
einige Wanddekorationen geschaffen hat, die heute
noch sehr frisch und jung anmuten.

Wie Spindler den Pinsel oder die Tuschfeder
führte, so wußte er auch mit der Schreibfeder umzugehen
. Schon zu dem eben genannten Trachtenwerk
hatte er einen Begleittext geschrieben. Was
ihn aber von der besten Seite in dem Sinne zeigte,
das war sein Kriegstagebuch von 1914-1918
«L'Alsace pendant la guerre», ein Werk von 8 53
Seiten, das 1927 von der Academie francaise preisgekrönt
wurde. Das Buch allein ist eine elsässische
Fundgrube. 193 3 erschien in einer französischen
und deutschen Ausgabe das schöne Heimatbuch
«Ceux d'Alsace», «Bei uns im Elsaß».

Ist damit das Werk des Meisters beendet? Nein,
das hätte dieses Ausstrahlen noch nicht zuwege
gebracht, es fehlte das Eingreifen in seine Zeit,
nicht das Mitgehen mit seiner Zeit, sondern das
Wegweisen, das Mitbestimmen, das Sammeln einer
Generation Menschen und das Signal zur Ausfahrt
dieser selben Menschen im Leben zu mächtigem
Tun, zu einem einmaligen Risorgimento.

«Den heroischen Kreis» nannte einmal ein Journalist
die Freunde um Spindler. Tätsächlich müssen
wir Nachfahren immerwieder mit Freude und
Bewunderung und auch mit einem Anflug von

Charles Spindler und sein Sohn


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