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LE MESSAGER DU RHIN
Neid auf das Jahrzehnt elsässischen Geistesgeschehen
zurückschauen von 1890-1900, indem es
einigen jungen Enthusiasten gelang, die Herzen
ihrer Landsleute zu durchglühen wie noch nie, sie
zu sammeln unter einem herrlichen Ideal — nicht
zerreißen, nicht trennen, sondern binden, nicht
lähmen sondern fördern, nicht abneiden sondern
anspornen, nicht diskutieren und haarspalten, sondern
zugreifen und aufbauen hieß die wunderbare
Parole.
Hornecker, der hervorragende Porträtist, Mar-
zolff, einer unserer bedeutendsten Bildhauer des
letzten Jahrhunderts, vielleicht der bedeutendste
kurzweg, Stoskopf, der geborene Organisator,
Laugel, der einmalige Mäzen, Sattler, der große
Radierer, Braunagel, die Brüder Mathis, J. M. Erb,
unser Komponist von europäischem Format, und
wie sie alle heißen, belebten St-Leonhard. Um dieses
Fähnlein scharten sich die nächsten Freunde,
die die Parole weitertrugen zunächst durch unser
Ländchen, dann über unsere kleinere Grenzen
hinaus von Ausstellung zu Ausstellung, von Land zu
Land, bis sie dem elsässischen Kunsthandwerk wirklich
internationale Geltung verschafften: L. Elchinger
(dessen ganze künstlerische Bedeutung wir erst
etwa zwanzig Jahre später erkennen durften), und
Schmitter, die Sufflenheimer und Betschdorfer
Kunsttöpfer, die Kristallwarenindustrie von Val-
lerystal, die Glasmalerei mit Prof. Cammissar und
andern als Neuanreger, die Buchkunst der elsäss.
Verlage mit den Illustratoren, darunter Achener,
L. Schnug, Ritleng, die Jungen L. PI. Kamm und
Solveen, die Bucheinbindekunst Valentas und anderer
Meister, die Schmiedekunst, die Goldschmiedekunst
. Der elsässische Hausrat wurde gesellschaftsfähig
, nachdem jahrzehntelang kostbarstes
Volksgut verschleudert worden war, in den Weinstädtchen
und Weinkellern entdeckte man prächtiges
Heimatgut, ja, man begann erst wieder zu
verstehen, was alles an heimatkundlichen Werten
hier im Elsaß lag: die Hannong und Niederwiller
Porzellane, die Silberarbeiten Kirchstetters, der
Bauernhausrat im flachen Land, die wertalten
Interieurs unserer Adels- und Bourgeoishäuser.
Spindler regte die Möbelindustrie an, seine in
Zeichnung und Holzfaserung raffinierten Marquc-
teriearbeiten wurden eine allererste Marktware
und wurden als solche auf allen möglichen Ausstellungen
preisgekrönt.
Elsässische Trachtenfeste lebten wieder auf;
Kassel sammelte die ersten Volkslieder, Sagensammlungen
erschienen in Neuauflagen, Begriffe wie
Dorfbild, Denkmalschutz, elsässisches Folklore wurden
Allgemeingut. Eine volkskundliche Zeitschrift
wie «Revue alsacienne illustree» wurde Muster
und Vorbild für alle derartigen Nachfolgeunternehmungen
.
Der Plan dieses elsässischen Risorgimentos war
ursprünglich noch weit ausholender gedacht. Der
Spindlerkreis gedachte etwa vier heimatkundliche
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