Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3366,go-1946/48
Le Messager du Rhin: Almanach pour 1946
Colmar, 1946.1945
Seite: 94
(PDF, 29 MB)
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LE MESSAGER DU RHIN

Kirche steht wie eine geborstene Säule inmitten
greulicher Ruinen, allein Mittelschiff, Seitenschiffe,
Chor, alles ist schwer getroffen und beschädigt, die
Dächer und Mauern durchlöchert, zerrissen und
•jerfetzt. Kaiser Friedrich Barbarossa hatte hier ein
Spital errichten lassen, zuerst gab es nur eine
Kapelle, die von den «weißen Herren», den Prä-
monstratensern betreut wurde. Als sich im 13. Jahrhundert
um das Spital ein Stadtviertel, «Königsaue
», bildete, noch heute «Üßerstadt» genannt,
mußte ein geräumigeres Gotteshaus erbaut werden.
Und so entstand die St-Nikolauskirche, in den
Formen der reinen Hochgotik des 14. Jahrhunderts.

Sie zeichnet sich durch ein hohes, schlankes Langhaus
aus, durch schöne, feingegliederte, hochäuf-
schießende Pfeiler mit reichen Blättcrkapitälen und
schwungvollem Kreuzrippengewölbe, das Chor ist
langgestreckt, ein Querhaus ist nicht vorhanden,
die Westfassade ganz entfach und mit Spitzbogenfenstern
und Vorhalle geschmückt. Zum Glück hat
das prächtige Chorgestühl des 18. Jahrhunderts,
das aus dem Kloster Neuburg stammt, durch die
Beschießung nicht gelitten.

Bis wann werden diese beiden Kirchen wieder ihre
ursprüngliche Gestalt erhalten, bis wann wird Hagenau
wieder seine Ruinen beseitigt haben? Lux.

SIGOLSHE1M

Unter den zerstörten Ortschaften des Elsaß
nimmt Sigolsheim einen der allerersten und wenig
beneideten Plätze ein. Vor einem Jahre noch war
es ein friedlicher, schöner Winzerort am Fuße des
weit in die Ebene hinaus vorspringenden Sigols-
heimer Berges. Gleichermaßen gekrönt wurde das
große Dorf vom Kapuzinerkloster, das vor wenigen
Jahrzehnten vom Straßburger Bischof Mgr
Rseß, von Sigolsheim gebürtig, gegründet worden
war.

Sigolsheim, die älteste Ortschaft des Weißtales,
ist 759 erstmals genannt und bildete die Mutterkirche
der ganzen Gegend, von der die Missionierung
ausging. Unweit des Dorfes, auf dem Rotfeld,
kam es im Jahre 833 zu einem unglücklichen
Ereignis: Kaiser Ludwig der Fromme, Karls des

Die arme Kirche von Sigolsheim

Großen Sohn, hatte das Reich unter seine Söhne
geteilt; diese aber, unzufrieden mit dem Vater,
befehdeten ihn. Die Heere standen sich gegenüber,
doch des Kaisers Truppen begingen Verrat und
liefen zu den Söhnen über. Der alte Kaiser mußte
sich vor seinen Söhnen demütigen und sich ihnen
ergeben. Darum heißt heute noch diese Ebene das
«Lügenfeld», und zu mitternächtiger Stunde reiten,
der Sage nach, die Seelen der Verräter durch die
Lüfte mit Seufzen und Wehklagen und können
keine Ruhe finden.

St. Richardis, die Gemahlin Kaiser Karls des
Dicken, des unfähigen Karolingers, baute im
9. Jährhundert die Kirche und schenkte sie der
Abtei Etival auf der Westseite der Vogesen. Gegen
Ende des 12. Jahrhunderts wurde die Kirche neu
erbaut in den Formen der ausgehenden romanischen
Kunst. Sie stand bis zum Jahre 1944 mit
dem hohen Turm, dem herrlichen Portal, den kurzen
und stämmigen viereckigen Pfeilern, dem einfachen
Kreuzrippengewölbe, den festen, dicken
Mauern. Das Hauptportal besonders galt als ein
Meisterwerk: schlanke, feine Säulen umrahmten es,
die Kapitäle waren reichgeschmückt mit Tieren,
Vögeln und reichen Elementen der orientalischen
Flora. Das Tympanon zeigte den segnenden Christus
, umgeben von St. Petrus und St. Paulus, zu
deren Seiten zwei kleinere Figuren knieten, der
eine mit einem Säckchen, der andere mit einem
Faß, die Vertreter wohl der Bevölkerung, die der
Kirche ihre Geschenke oder den Zehnten darboten
.

Von der ganzen lachenden und friedlichen Ortschaft
steht heute nicht mehr viel: fast alle Häuser
sind vollständig zerstört, man geht nur durch
Ruinen und wüste Steinhaufen. Der Kirchturm ist
eingestürzt, mehrere Granaten haben die Wölbung
der Kirche durchschlagen, das herrliche Portal ist
verstümmelt und schwer beschädigt. Die Bevölkerung
mußte während mehrerer Wochen Grausiges
durchleben. Ein großer Teil der Einwohner flüchtete
sich in die Keller des Kapuzinerklosters; in
dem einen befanden sich dreihundert, in dem anderen
hundertvierzig Personen. Mehrmals kamen
die Amerikaner bis ins Kloster, mußten sich aber


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