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LE MESSAGER DU RHIN
in die Ortschaft, die Leute flüchteten sich in
einige feste Keller, und nun leerte sich die Hölle
über Ammerschwihr aus. Tausende von Granaten
schlugen in die Häuser ein und rissen sie nieder,
die Einwohner lebten in ständiger Lebensnot und
glaubten ihre letzte Stunde gekommen. Am 18. Dezember
nahm die Fremdenlegion Ammerschwihr
ohne Kampf ein. Aber das Städtchen blieb ein
scharfer Frontvorsprung sowohl gegen Colmar als
gegen Labaroche und dem Gebirge zu. Und jetzt
fielen ohne Unterlaß die deutschen Granaten in
die Ortschaft und vervollständigten das Werk der
Vernichtung, während die Bevölkerung ins hintere
Kaysersbergertal, nach Freland und Lapoutroie,
sowie nach Markirch evakuiert wurde.
So schön war einstens das Städtchen! Die
Hauptstraße, die sich eng und bucklig dahinwand,
eingefaßt von den alten, schmucken Häusern. Der
Marktplatz mit dem stets plätschernden und
schwatzenden Wildemannbrunnen von 1560, umgeben
vom hochgiebligen Kaufhaus mit der breiten
Freitreppe, dem Wappen, der Uhr, dem schlanken
gotischen Dachreiter, vom Haus der Herren von
Bergheim und der Patrizierfamilie der Froschesser
mit dem reichgeschmückten gotischen Erker, vom
Eckhaus mit dem Fenster von 1494 und dem reizenden
und seltenen Rosenstockmuster. Ein wenig
weiter oben das Rathaus von 15 52, ein stolzer
Renaissancebau, an dem das Haupt- und Nebenportal
, die Wendeltreppe, der große Saal mit dem
ursprünglichen Getäfel so bemerkenswert und einladend
waren. Der Schelmenturm, rund, behäbig,
fest, dessen hohes spitzes Dach weit in die Ebene
hinausschaute. Das Haus Schcech, dem reiches malerisches
Fachwerk, geschnitzte Eckpfosten und
Fensterrahmen einen ganz aparten und frohen
Charakter gaben. Das Haus Mendele mit seinen
gotischen Fenstern und der reichen Türe, der so
wunderhübschen Holzgalerie, den Lorbeerbäumen,
Hortensien und Palmen. Die Wirtschaft Gärtner,
so anheimelnd und stimmungsvoll, wo der herbe
oder würzige oder feine goldene Wein immer zu
längerem Verweilen einlud. Die vielen anmutigen
Ecken, Portale und Erker, Wappen und Hauszeichen
, an denen sich das Herz erfreute. Alles das
•ist nicht mehr. Alles ist der Kriegsfurie zum Opfer
gefallen.
Armes Ammerschwihr! Die Einwohner sind aber
zum großen Teil zurückgekommen. Sie hausen, wie
sie können. Die große spätgotische Kirche, dem
hl. Martin geweiht, steht noch, ist jedoch schwer
mitgenommen. Das wuchtige Obertor hat nicht
gelitten, auch der Bürgerturm gab nicht nach, die
Reste der Kirche von Meiwihr sind erhalten geblieben
, die kleine, reizende Kapelle beim Bahnhof
ist wohl beschädigt, kann aber wieder herausgeputzt
werden. Das verminte Gelände ist zum größten
Teil abgesucht, die Reben werden wieder
Das zerstörte Ammerschwihr
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